100 Jahre Fachschule Holztechnik

von Redaktion

Rosenheim feiert „aus bestem Holz geschnitzte“ Absolventen mit zahlreichen Ehrengästen

Rosenheim – Die Fachschule für Holztechnik hat ihren 100. Geburtstag mit einem zweitägigen Festakt gefeiert. Am vergangenen Wochenende kamen Gratulanten aus ganz Oberbayern und darüber hinaus zusammen. Viele ehemalige Schüler sehen in der Fachschule nicht nur eine hochwertige Ausbildungsstätte und den Ursprung ihrer beruflichen Karriere. Sie kommen immer wieder an ihre alte Schule zurück, weil sie sich der Familie der holzbearbeitenden Berufe verbunden fühlen und hier einen freundschaftlichen Austausch pflegen.

Fortschritt,
Lebensfreude, Wirtschaftswunder

Mit lockerer Moderation führte Nicolas Foltin durch das Programm des Festaktes. Schulleiter Stefan Schellenberger hieß die Ehrengäste willkommen, allen voran Regierungspräsident von Oberbayern, Dr. Konrad Schober, den Präsidenten der Handwerkskammer für München und Oberbayern, Franz Xaver Peteranderl, Landrat Otto Lederer und Oberbürgermeister Andreas März. Schellenberger gab in seinem Grußwort einen Einblick in die Gründungszeit der Holzfachschule, die zunehmend von technologischem Fortschritt und industriellen Entwicklungen beeinflusst wurde. „1925 musste sich die Weltwirtschaft noch immer von den Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs erholen. Die Goldenen Zwanziger Jahre bestanden aus einer Mischung aus Fortschritt, Wirtschaftswunder und Lebensfreude“, sagte Schellenberger.

Damals wie heute werden in der Fachschule Menschen ausgebildet, die nicht nur das Handwerk verstehen, sondern auch die Kunst, Meisterwerke zu schaffen, als Möbelstück, Bauwerk oder als Kunstobjekt. „Holz ist ein Material, das nicht aus der Mode kommt – wie Holztechniker, die aus jedem Baum das Beste herausholen, wird auch die Fachschule für Holztechnik weiter wachsen und sich stetig verbessern“, ist Schellenbergers Vision in die Zukunft.

Die Festrede hielt der Regierungspräsident von Oberbayern. Der gebürtige Rosenheimer hatte schon als Kind Bezug zum „wunderbaren, lebenden, duftenden, vielseitigen und nachhaltigen Werkstoff Holz“, insofern sein Vater und sein Großvater holzverarbeitende Betriebe geleitet hatten. Schober nahm in seiner Rede Bezug auf Hugo Laue, der am 12. Januar 1925 als Sägewerksbesitzer das privat organisierte „Holztechnikum“ als Vorläufer der heutigen Fachschule für Holztechnik gegründet hat. 1943 wurde die „Staatsbauschule Holztechnikum“ verstaatlicht, zwischen 1951 und 1964 gab es mehrfache Umwandlungen, beispielsweise zur Ingenieurschule. 1971 wurde die Staatliche Technikerschule (so der Name der damaligen Fachschule) selbstständig. Seit 2014 gehört die Fachschule mit der Berufsschule eins zum Staatlichen Berufsschulzentrum.

2020 wurde die Fachrichtung „Bautechnik“ mit Schwerpunkt Holzbau eingeführt, so Schober. Die Fachschule begründete die Marke „Rosenheimer“. „Die ‚Rosenheimer‘ gelten landläufig als ‚aus bestem Holz geschnitzt‘ und stehen weltweit als Synonym für hochklassig ausgebildete Führungskräfte“, sagte Schober. „Besonders gefällt mir die Maxime Ihrer Schule, die individuellen Fähigkeiten des Einzelnen sowie die Entwicklung der Persönlichkeit zu fördern“, sagte der Regierungspräsident weiter.

Die lange Tradition der Rosenheimer Qualitätsausbildung führt bei den Absolventen zu einer vielseitigen Palette an Aufstiegsmöglichkeiten. Von der mittleren Führungsebene in mittelständischen Betrieben über den Einsatz in Bauämtern und Planungsbüros zur Erstellung von Bau- und Eingabeplänen bis hin zur selbstständigen Betriebsführung einer Schreinerei, Zimmerei sowie im Bereich Instrumenten- oder gar Bootsbau sind unterschiedlichste Entwicklungen möglich. „Wer möchte, kann mit dem Bildungszentrum der Handwerkskammer für München und Oberbayern zusätzlich den Meistertitel ‚draufsetzen‘ oder am Lehrinstitut Rosenheim den ‚Technischen Betriebswirt‘. Die Absolventen der Fachschule Holztechnik haben die Qual der Wahl. Es muss nicht immer ein Studium sein, um erfolgreich einen interessanten, vielversprechenden Beruf ausüben zu können. Egal ob Meister oder Master – hier zeigt sich eindrucksvoll die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung. Wer in Bildung investiert, ist nie auf dem Holzweg“, so Schober.

Sportliche Analogie:
Schulentwicklung
erfolgt in Sprüngen

Landrat Otto Lederer nahm anhand des Schwimmsports Bezug auf Veränderungen der vergangenen 100 Jahre. Wie der Weltrekord von 1925, errungen von Arne Borg im 400-Meter-Freistil-Schwimmen, vom heutigen Weltrekordinhaber Paul Biedermann um über eine Minute übertroffen wird, so hat sich auch die Fachschule für Holztechnik fortschrittlich entwickelt. Schon dem Ingenieur Ernst Schlegel und dem Sägewerksbesitzer Hugo Laue waren gut ausgebildete Fachkräfte Grund genug, eine Holzfachschule zu gründen. So wie es damals bereits ein Stufenmodell zum Säge- und Werkmeister, zum Techniker und zum Ingenieur gab, so gibt es heute eine Fülle von Berufsrichtungen, in denen sich die Fachschüler verwirklichen können. „Zum Einstieg brauchen junge Frauen und Männer eine abgeschlossene Ausbildung in den Berufsfeldern Holz- und Bautechnik. Und dann können sie sich mit Fleiß, mit Intelligenz, mit ihrer Begeisterung, mit Ausdauer und mit ihren handwerklichen Fähigkeiten entwickeln“, sagte Lederer. „Ganz wichtig ist zudem, dass auch das Lehrinstitut Rosenheim und die Hochschule Rosenheim ihre Wurzeln dort haben. Die Schulgründung von Ernst Schlegel und Hugo Laue war ein Glücksfall für Rosenheim und die Region.“

Oberbürgermeister Andreas März knüpfte an Lederers Grußwort an. März stellte die Bedeutung der Holzbranche am Beispiel Rosenheim heraus. Rosenheim sei ein Holzstandort von internationaler Bedeutung, Holz als Naturprodukt der Nachhaltigkeit gelte als Baustoff der Zukunft. „Zukunftsweisende Forschung und Ausbildung in Rosenheim stärken den nachhaltigen Holzbau. Eine Akademisierung der Berufswelt ist in Zeiten des Fachkräftemangels nicht mehr zeitgemäß – es braucht Praktiker, die ihr Handwerk verstehen“, so März. An der anschließenden Podiumsdiskussion zum Thema „Techniker oder Bachelor – Brauchen wir mehr Praktiker mit Berufserfahrung?“ nahmen neben den Gastrednern und Franz Xaver Peteranderl (Präsident der HWK für München und Oberbayern) auch Professor Heinrich Köster (Präsident der TH Rosenheim), Johannes Demmelhuber (Firma Baierl und Demmelhuber) sowie Thomas Pichler (Obermeister der Zimmerei-Innung Rosenheim) teil.

„Zu Holzberufen
gehört das
Herzblut dazu“

Regierungspräsident Dr. Schober führte aus, dass sich die Bildungschancen in den vergangenen 30 Jahren viel flexibler gestalten, als dies früher der Fall war. Die drei Qualifikationsebenen vom mittleren Dienst (umfasst auch Meister) über Fachhochschul-Absolventen im gehobenen Dienst bis zum Universitäts-Abschluss sollten durchlässiger werden. Auf die Frage, ob der Fachschul- oder Hochschulabschlüsse gefragter sind, sagte Schober, es gehe nicht um ein „Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch, sonst bleibt viel Potenzial ungenutzt.“ Diese Ansicht wurde von allen Diskussionsteilnehmern geteilt. Bei der Frage nach der Zukunftsperspektive sagte Pichler, es gehe nicht um einen Fachkräftemangel, sondern um einen Fachkräftebedarf, „denn zu Holzberufen gehört Herzblut dazu, und das können wir vermitteln.“ Die Zukunft vorherzusagen sei wie Glaskugellesen, es gelte Respekt, aber nicht Angst vor den künftigen Herausforderungen zu haben, so Pichler. Peteranderl erinnerte an die alten Werte und Traditionen, die an junge Nachwuchskräfte mit modernen Unterrichtsformen vermittelt werden sollten. Ob an Schulen oder Hochschulen: der Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften sei steigend. „Von modularer Ausbildung der Industrie halten wir wenig. Die gefragte Holzfachkraft muss umfassend ausgebildet sein und darf sich aus den Angeboten das individuell Passende aussuchen.“

Am Festakt nahmen etwa 100 geladene Gäste teil. Musikalisch umrahmt wurde die Geburtstagsfeier von „Holz-Bau-Blech & Co.“, einem Blechblas-Ensemble aus sieben Schülern und zwei Lehrern unter Leitung vom Alexander Koch. Neben böhmisch-boarischen Klängen hatten die Musiker auch Haindling im Programm. Mit „Pfeif drauf“, der Titelmusik der Rosenheim-Cops, pfiffen die Geburtstagsgäste der Fachschule ein frohes Ständchen, bevor es zum Austausch ans Buffet ging.

Am Abend hatte die Interessensgemeinschaft für Holzbetriebswirte und -Techniker Rosenheim (IGHTR) als Förderverein der Fachschule im Gasthof Höhensteiger einen Ehemaligen-Stammtisch veranstaltet. Seit 1973 unterstützt der Förderverein schon die Fachschule Rosenheim finanziell und ideell. Etwa 240 Mitglieder aus mehreren Ländern nahmen am Festabend teil, die weiteste Anreise nahm ein ehemaliger Fachschüler auf sich, der mittlerweile in Rumänien tätig ist und 1200 Kilometer Anfahrt hatte, berichtete der IGHTR-Vorsitzende Jens Pickelmann.

Am zweiten Tag war der Tag der offenen Tür mit circa 600 Gästen ein voller Erfolg und begeisterte Jung und Alt. Es bestand Gelegenheit, in „lebendigen Klassenzimmern“ Einblick in die Geschichte und den Unterricht zu nehmen und sich über die Ausbildung an der Fachschule umfassend zu informieren.

Gäste bekommen
viele beeindruckende Einblicke in die Lehre

Auch die Räume der Übungs- und Versuchsanlagen der Hochschule, die die Fachschule für die Ausbildung nutzt, waren geöffnet, um sich einen Eindruck über ausbildungsrelevante Maschinen wie CNC-Fräse und Abbundanlage zu verschaffen. Die Fachschülerinnen und Fachschüler stellten ihre Fähigkeiten an den Maschinen und Anlagen durch die Fertigung personalisierter Gastgeschenke aus Holz unter Beweis. Technische Einrichtungen wie die Lackieranlagen und die moderne Möbelfertigung wurden von Fachlehrern anschaulich erklärt.

Am Ende des zweiten Festtages trafen sich knapp 200 IGHTR-Mitglieder zum Festabend im Gasthaus Santa am Max-Josefs-Platz in exakt dem Haus, in dem am 12. Januar 1925 im zweiten Stock des Weinhauses Fortner die Holzfachschule gegründet wurde. Der gesellige Austausch stand im Vordergrund, begleitet von der Sechs-Mann-Band „Radiobeats“ aus Aschau bewiesen die „Holzerer“ bis spät in die Nacht hinein, dass sie auch ausgelassen feiern können.

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