Prozess nach Gewaltserie in Pflegeheimen

von Redaktion

Psychisch kranker Mann misshandelt Bewohner und Pflegekräfte mehrfach brutal

Traunstein/Rosenheim – Ein 57-jähriger psychisch schwer kranker Heiminsasse misshandelte in Pflegeeinrichtungen in Samerberg, Feldkirchen-Westerham und Gstadt einige Mitbewohner und Pflegepersonal. Gestern saß der Beschuldigte wegen fünf vorsätzlicher Körperverletzungen und wegen sexueller Belästigung vor der Neunten Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Barbara Miller. Bestraft werden kann der Mann nicht. Einzige Alternative ist eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

Beschuldigter wirkt völlig teilnahmslos

Der völlig teilnahmslos wirkende Beschuldigte vermochte sich gestern an die von Staatsanwältin Anne Klug angeklagten Vorfälle in den Pflegeeinrichtungen zwischen dem Frühjahr 2022 und Juli 2024 nicht zu erinnern. Im April 2022 hatte er einen Mitbewohner mit der Faust auf den Kopf geschlagen. Die Vorsitzende Richterin verlas dessen Aussage vor der Polizei. Er hatte – wie die meisten Opfer – Schmerzen erlitten und war aufgrund seines Gesundheitszustands nicht vernehmungsfähig. Einer Heiminsassin schlug der 57-Jährige gemäß Staatsanwältin im Juni 2022 in sexuell motivierter Absicht auf das Gesäß.

Sexualisierungen, Schläge, Würgen

Bei einem Verbandswechsel packte der 57-Jährige im Oktober 2022 eine Krankenschwester grob an beiden Armen und verdrehte ihr einen Arm. Dann würgte er die Frau mit beiden Händen am Hals. Ein Pfleger kam seiner Kollegin schließlich zu Hilfe.

Wegen erheblicher Schmerzen am Hals und Ängsten war eine Pflegerin im Oktober 2023 wochenlang krankgeschrieben, wie sie gestern unter Tränen erzählte. Der Beschuldigte hatte sie an den Schultern gepackt, gegen eine Wand gedrückt und gewürgt. Sie schrie damals um Hilfe. Der Täter hörte erst auf, als ihn ein herbeieilender Kollege laut anschrie, er solle die Frau loslassen. Eine weitere Pflegekraft würgte der 57-Jährige im Juni 2024 auf ähnliche Weise. Auch in diesem Fall befreite ein Kollege das Opfer aus der brenzligen Situation. Vier Wochen später überraschte der Beschuldigte eine Mitbewohnerin auf ihrem Pflegestuhl und würgte auch sie. Wieder wurde ein Pfleger zum Helfer in der Not. Mehrere Zeugen bestätigten gestern die einzelnen Vorfälle.

Wegen Verhaltensstörungen in Heimen hat der 57-Jährige bereits 17 stationäre Aufenthalte in einem Fachkrankenhaus hinter sich. Dort verhielt er sich zumeist friedlich, berichtete der psychiatrische Sachverständige Dr. Josef Eberl vom Bezirksklinikum in Gabersee. Der Beschuldigte sei früher in einer Sicherheitsfirma tätig gewesen, gekündigt worden und habe seither keine Arbeit mehr. Seit vielen Jahren lebe er durchgehend in Heimen.

Alkoholabhängigkeit und seelische Störung

Obwohl sich der 57-Jährige selbst nicht als Alkoholiker empfinde, sei er massiv abhängig nach übermäßigem Alkoholkonsum über lange Zeit. Darauf, sowie auf eine seelische Störung, seien seine irreversiblen schweren psychischen Beeinträchtigungen zurückzuführen, so der Gutachter sinngemäß.

Wiederholungsgefahr laut Gutachter groß

Dr. Eberl sah die Voraussetzungen für eine Unterbringung in der Psychiatrie erfüllt. Die Wiederholungsgefahr für vergleichbare Straftaten „an wehrlosen Personen“ sei groß. Weiter informierte Dr. Eberl, die Suche nach einem Heim, das bereit sei, den 57-Jährigen aufzunehmen, laufe. In Frage komme nur eine geschlossene Einrichtung mit ähnlichen Bedingungen wie in einem Bezirkskrankenhaus. Aktuell liege aber von keinem Haus eine Zusage vor. Wenn der 57-Jährige einen Heimplatz habe, könne die Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt werden, schloss der Gutachter.

Das Sicherungsverfahren wird am kommenden Freitag, 4. April, um 9 Uhr fortgeführt. Vermutlich ergeht an dem Tag auch das Urteil.

Monika Kretzmer-Diepold

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