„Man muss Respekt haben“

von Redaktion

Interview Martin Tomczyk und Christina Surer über ihr gemeinsames Leben auf der Rennstrecke

Kolbermoor – Mit einem hochmotorisierten Auto auf der Rennstrecke richtig Gas geben. Was für die meisten ein Kindheitstraum bleibt, war lange Zeit das Leben der Schweizerin Christina Surer und des Rosenheimers Martin Tomczyk. Als Autorennfahrer feierten die beiden zahlreiche Erfolge. Heute arbeitet Surer als Moderatorin und trainiert für den Schwarzgurt im Taekwondo und Tomczyk arbeitet als Motorsport-Direktor. Doch wie wird man überhaupt Rennfahrer? Und welche Fähigkeiten muss man mitbringen? Über das und mehr haben die beiden Auskunft gegeben – im ausführlichen Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen.

Ihr habt beide ursprünglich einen anderen Beruf gelernt. Wie kam es zum Rennfahren?

Tomczyk: Mir wurde das Rennfahren in die Wiege gelegt, weil mein Vater früher aktiver Rennfahrer war und ich schon von klein auf im Babywagen mit an der Rennstrecke war. Von dem her ist das alles ein bisschen ins Blut übergegangen. Mit elf Jahren habe ich dann mit dem Kartfahren begonnen. Und da habe ich mich anscheinend gar nicht so blöd angestellt. Das habe ich dann halb-professionell während der Schulzeit gemacht.

Und direkt nach der Schule ging es in den Profi-Bereich?

Tomczyk: Nein. Für meine Eltern und mich war klar, dass ich nach der Schulausbildung einen Beruf erlernen soll. Dass das natürlich nicht so einfach ist, wenn man sehr viel unterwegs ist, war auch klar. Ich habe dann aber eine Lehre als Bürokaufmann abgeschlossen. Nach dieser Lehre bin ich direkt in den Profisport übergegangen und habe dort meinen ersten Vertrag mit Audi bekommen. Ich war 25 Jahre unterwegs als Profi-Rennfahrer und habe bei Audi und BMW letztlich meine Brötchen verdient.

Du warst ja nicht nur Rennfahrerin, sondern auch Model. Zwei ziemliche Gegensätze. Wie war dein Weg, Christina?

Surer: Ich war medizinische Fachangestellte. Als Zehnjährige habe ich schon angefangen, in Kindermode-Katalogen zu modeln. Das hat mir immer gefallen. Neben meinem Job in der Arztpraxis habe ich weiter gemodelt – und das wurde letztlich immer mehr. Also musste ich mich irgendwann entscheiden. So habe ich den Mut gefasst zu sagen ‚Okay, ich probiere das jetzt einfach.‘ Und dann kam nebenbei als Hobby der Motorsport. Und der wurde auch immer mehr. Sieben Jahre lang war es nur ein Hobby und plötzlich wurde ein Beruf daraus. Ich glaube, ich bin über 20 Jahre Rennen gefahren und konnte wirklich davon leben. Parallel dazu kamen noch die Moderation und das Fernsehen – also quasi der nächste Beruf – dazu.

Wenn aus einer Leidenschaft ein Beruf wird. Besser kann es ja eigentlich nicht laufen, oder?

Surer: Absolut. Inzwischen geht die Rennfahrerei aber durch die Familie nicht mehr. Das ist einfach zu gefährlich, und ich hatte genug Unfälle.

Hat man dieses Risiko immer im Kopf?

Tomczyk: Man weiß es, aber immer präsent hat man es nicht. Das würde behindern, im schnell sein, im gut sein.

Surer: Und wir sind da die totalen Gegensätze. Er hat nie einen Unfall gehabt. Ich habe immer hier geschrien, wenn etwas war. Er ist der Sichere, der Perfektionist und ich bin der Chaot. Und das hat sich da wahrscheinlich gezeigt.

Tomczyk: Das zieht sich wie ein roter Faden durch. Nicht nur im Motorsport (lacht). Nein, aber ich glaube, man muss Respekt haben vor dem, was man macht. Weil die Sportart ja doch mit sehr viel mehr Risiken verbunden ist, als manch andere Sportarten. Aber sobald die Gedanken darüber mehr werden, hemmt es dich, deine Leistung abrufen zu können.

Wenn man abseits der Arbeit an die Familie denkt, spielt das aber doch wieder eine größere Rolle, oder?

Surer: In dem Moment, als ich mein Baby im Arm hatte, hat sich auf jeden Fall etwas geändert. Und ich habe ja auch einen Unfall gehabt, als Lio, der Zweitgeborene, vier Monate alt war. Das war nicht beim Rennfahren, aber ich habe mir den Rückenwirbel gebrochen. Das hat mir einfach nochmal die Bestätigung gegeben, dass ich es jetzt bleiben lassen soll. Weil es das Risiko einfach nicht wert ist.

Tomczyk: Bei mir war das anders. Es war ja mein Beruf. Und Beruf heißt auch: Geld für die Familie zu verdienen, die zu Hause ist. Ich glaube, das schwerere Los war eher, dass ich sehr viel unterwegs war und sehr viel weg war. Das war eigentlich das, was mich mehr gestört hat.

Wie schwer war denn der Abschied aus der aktiven Rennfahrerzeit?

Tomczyk: Gar nicht, weil es meine eigene Entscheidung war. Ich bin sehr froh, dass ich den Schritt gemacht habe und liebe das, was ich jetzt mache. Deswegen habe ich gar keine Bedürfnisse, wieder ans Steuer zu gehen. Emotional war der Abschied für mich aber natürlich schon.

Und bei dir kam das Ende mit dem Nachwuchs?

Surer: Ja, bei mir war es anders. Das letzte Rennen am Norisring war sogar sehr gut. Ich wusste zwar, dass ich unbedingt ein Baby will, aber für mich war es jetzt nicht dieser „Das ist das letzte Rennen“-Moment. Irgendwann war ich halt schwanger und wusste, ich kann nicht mehr fahren. Ich habe auch immer gedacht, „Ich ohne Motorsport, das geht gar nicht.“

Daher war es für mich erstmal eine Pause. Aber die Zeit hat mir gezeigt, dass es richtig ist.

Wenn euch nun ein Kind fragen würde, wie man überhaupt ein Profi-Rennfahrer wird. Was wäre dann eure Antwort?

Tomczyk: Wir haben so einen zu Hause (lacht). Es ist natürlich schwierig, dort einen Fuß reinzubekommen. Einerseits, weil Rennsport gerade am Anfang sehr kostenintensiv ist. Das ist schon mal die erste große Hürde. Und dann können die Chancen, auch irgendwo in Deutschland unter Vertrag genommen zu werden, wirklich an den Fingern abzählt werden. Es ist sehr schwierig. Nichtsdestotrotz ist es ein toller Sport.

Und wie steigt man am besten ein?

Tomczyk: Ich glaube, die beste Möglichkeit, um zu sehen, ob das überhaupt das Richtige ist, ist ganz klar die Einstiegsvariante Jugendkartslalom. Da gibt es auch hier verschiedene Ortsclubs. Da fahren die Kids mit Karts einfach um Pylonen, und dann sieht man schon mal, ob der oder diejenige das Gefühl hat, schnell sein zu können. Und das schult die Koordination natürlich auch. Deswegen unterstützen wir das auch. Ich bin aber auch froh, wenn unsere Kinder den Weg nicht einschlagen.

Surer: Der Kleine betont schon oft, dass er Rennfahrer werden will.

Tomczyk: Eigentlich ist er schon Formel-1-Weltmeister (lacht).

Ihr habt jetzt schon betont, dass die Koordination wichtig ist, wenn man Rennfahrer werden will. Was noch?

Tomczyk: Der wichtigste Punkt ist: Man muss Spaß daran haben. Sonst ist man nicht schnell. Und die Grundschnelligkeit muss da sein. Dann gibt es das sogenannte „Popometer“: Wenn ich im Sitz drinsitze, spürt der Körper letztlich schon, was jetzt passiert. Das kann man nicht lernen, das muss man haben. Talent sozusagen. Und natürlich Koordination und die Ausdauer.

Surer: Man muss auch mal eine gewisse Hemmschwelle überwinden können. Und Durchhaltevermögen braucht man. Es kann auch mal ganz lange schlecht laufen. Aber da muss man durch. Ich sage immer, Champions erkennt man in der Niederlage.

Tomczyk: Im Sport gibt es generell mehr schlechte Zeiten als gute. Das ist in jedem Sport so. Und das wird sich auch nie ändern, weil so viele Ambitionierte da sind und jeder gewinnen möchte. Deswegen sind die harten Zeiten die schwierigen und auch die längeren.

Surer: Und ich glaube, dass es mittlerweile auch wichtig ist, sich neben dem Fahren gut zu verkaufen. Es gibt viele schnelle Fahrer. Aber man muss einem Sponsor oder einem Team auch klarmachen, warum man jetzt der Richtige ist.

Gibt es aus der ganzen Zeit irgendein Erlebnis oder Erfolg, wo ihr sagt, da denke ich immer noch richtig gern zurück?

Tomczyk: Viel. Es ist schwierig, einen Moment raus zu picken. Die DTM-Meisterschaft war natürlich sehr emotional. Aber im Rennsport, gerade wenn du es 25 Jahre machst, gibt es so viele kleine Faktoren, die vielleicht nach außen gar nicht so wirken, aber für dich als Fahrer extrem wichtig sind. Für mich waren es unzählige Momente, die mir wahnsinnig viel bedeutet haben.

Surer: Es sind wirklich viele Momente. Und es sind weniger die Resultate, sondern mehr die Erlebnisse.

Tomczyk: Du hast mich getroffen (lacht).

Surer: Natürlich (lacht). Das ist ein bleibendes Ereignis. Wir sind zum Beispiel auch im gleichen Rennen gefahren, da hat man eine doppelte Anspannung. Ich bin viermal das 24-Stunden-Rennen am Nürburgring gefahren. Das war immer ein Highlight, weil es das härteste Rennen, das gefährlichste Rennen, das längste Rennen ist. Man fährt in einem Team und jeder, der über die Ziellinie kommt, hat Tränen in den Augen. Da ist man voller Adrenalin und Hormone, das ist richtig schön. Ich habe aber auch ganz viele Höhepunkte mit Show-Kartrennen erlebt, ob es in Paris, Wien oder Köln war, wo man mit einem Michael Schumacher oder einem Vettel Kartrennen fährt und merkt „Hey, ich kann da mithalten.“

Interview: Patricia Huber

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