Traunstein/Rosenheim – Mit der Drohung von „mächtigen Freunden“ zwang ein 41-jähriger Angeklagter aus Kolbermoor seine Ehefrau gewaltsam zum Sex und würgte sie, bis sie nicht mehr atmen konnte. Wegen zweifacher Vergewaltigung, Freiheitsberaubung, Bedrohung und mehrerer Körperverletzungen verurteilte die Sechste Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Jacqueline Aßbichler den nigerianischen Staatsangehörigen gestern zu sechs Jahren Freiheitsstrafe.
Gemäß Anklage von Staatsanwältin Anne Klug war das Paar von 2018 bis 2021 verheiratet und hat ein gemeinsames Kind. Die Familie wohnte unter anderem in Rosenheim. Die erste Vergewaltigung ereignete sich irgendwann im Jahr 2018. Im November 2019 flüchtete die Frau samt Kind in ein anderes Zimmer, als der Angeklagte sie mit einem Gürtel schlagen wollte. Beim Rausgehen packte sie der Ehemann, drückte ihr den Hals zu. Die Frau erlitt erhebliche Schmerzen, Blutergüsse und ein Schwindelgefühl. Der Täter hörte erst auf, als die Tochter mit der Nachbarin kam und sagte, die Polizei werde gleich eintreffen. Dritter Punkt der Anklage war eine Vergewaltigung Anfang April 2024. In der Mittagszeit wollte der bereits von der Frau geschiedene Mann das Kind abholen, das sich aber weigerte, mitzugehen. Der 41-Jährige drängte daraufhin die Mutter ins Schlafzimmer und vergewaltigte sie. Die ganze Zeit hielt er ihr den Mund zu. Als das Kind gegen die verschlossene Tür schlug und schrie, ließ der Täter von seiner Ex-Frau ab.
Ähnlich verlief ein weiterer Vorfall im Mai 2024. Wieder wollte das Kind nicht mitkommen und erklärte, es hasse den Vater. Daraufhin wandte sich der Angeklagte an die Mutter und sagte, er werde „die ganze Familie auslöschen“, drohte mit den „mächtigen Freunden“. Er packte seine Ex-Frau am Hals und drückte zu. Das Erscheinen eines Zeugen bedeutete in diesem Fall die Rettung.
Die Verteidiger, Harald Baumgärtl aus Rosenheim und Julian Praun aus Traunstein, hatten im Vorfeld des Prozesses bei der Vorsitzenden Richterin nach einer möglichen Strafe „mit und ohne Geständnis“ angefragt. Aßbichler informierte gestern, die Staatsanwältin denke „ohne Geständnis“ an neun Jahre Haft, mit Geständnis an „plus/minus sechs Jahre“.
Diese Einschätzung decke sich mit der des Gerichts. Die Geschädigte sei bereits stark belastet. Eine weitere Vernehmung würde alles noch verschlimmern. Die Vorsitzende Richterin wandte sich direkt an den Angeklagten: „Das sind Straftaten im privaten Bereich, bei denen zumeist Aussage gegen Aussage steht. Hier jedoch haben wir weitere Zeugen zum Randgeschehen. Die Beweislage ist sehr belastend für Sie.“ Aßbichler schilderte, die Zeugin wirke auf einem Polizeivideo „apathisch, eingeschüchtert, ängstlich“. Sie benötige eigentlich eine psychiatrische Behandlung. Auch das Kind müsse im Zeugenstand angehört werden. Die Kammervorsitzende appellierte: „Wenn Sie die Taten begangen haben, seien Sie Manns genug zu sagen, ich habe einen Fehler gemacht.“ Die Mahnung zeigte Wirkung. Verteidiger Baumgärtl betonte, sein Mandant räume die Vorwürfe komplett ein.
Eine Oberkommissarin berichtete, die Geschädigte habe im Juni 2024 Anzeige bei der Polizei erstattet. Sie sei körperlich wie psychisch angeschlagen gewesen, habe das Gefühl, „nicht als Mensch behandelt“ worden zu sein. Die Vernehmung sei „ein Balanceakt gewesen“, erinnerte sich die Polizeizeugin. Die Scheidung im Jahr 2021 sei von der Frau ausgegangen. Kennengelernt hätten sich die beiden 2016 in einer Asylunterkunft, wo sich die Frau ehrenamtlich engagiert hatte.
Staatsanwältin Anne Klug plädierte auf eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten. Nebenklagevertreterin Gabriele Sachse schloss sich an. Die Verteidiger hielten fünf Jahre Haft für ausreichend. Die Sechste Strafkammer blieb im Strafmaß zwischen den Schlussanträgen. Vorsitzende Richterin Aßbichler hob heraus, die Ereignisse hätten die Geschädigte „gebrochen“. Die Taten seien „brutal, grausam und menschenverachtend“ gewesen. Dem Geständnis des Angeklagten habe das Gericht extremes Gewicht zugemessen. Bei einer erneuten Vernehmung wäre die Geschädigte „durch die Hölle gegangen“, so Aßbichler. kd