Mesnerei als Familienangelegenheit

von Redaktion

Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau, so heißt es im Volksmund. Manchmal ist es umgedreht, denn vielerorts wird der Mesnerdienst von Frauen ausgeübt. Die Mesnerinnen in Flintsbach, Fischbach und Altenbeuern sind sogar miteinander verwandt.

Inntal – Für Gertraud Leitner aus Altenbeuern ist die Dreifaltigkeitskirche, eine Filialkirche der Pfarrei Neubeuern, wie ein zweites Wohnzimmer. Schon ihr Vater war Mesner und dem wurde das Amt in den 50er-Jahren in der Wirtschaft, beim Frühschoppen nach der Messe, übertragen. „Da war ich ungefähr zehn Jahre alt und ich habe als Kind ständig in der Kirche herumgegeistert, am Kirchturm oben bei den Glocken, das war für heutige Verhältnisse kriminell, aber schön“, so die 85-Jährige, die dieses Amt nun schon 45 Jahre ausübt. Der Mama sei es wohl nicht ganz recht gewesen, sei doch schon genug Arbeit auf dem „Rassnhof“ dagewesen. Mesner sein, jeden Morgen um fünf Uhr zum Gebet läuten und zwar per Hand, bei allen Gottesdiensten zugange sein und natürlich die Kirche in Ordnung halten und zu den großen Festen entsprechend herzurichten. Genauso wie heute.“

Am Anfang
keine Frauen

Am Anfang war es nicht immer einfach, es gab ja überhaupt keine Frauen im Kirchendienst, auch Mädchen als Ministrantinnen waren damals undenkbar. „Heute sind es in Altenbeuern zwölf Mädchen und ein Bub“, ergänzt ihr Ehemann Sepp Leitner. Besonders an Weihnachten und Ostern sei jede Menge zu tun. Der Altar wird am Aschermittwoch mit einem großen lilafarbenen Fastentuch verhüllt und stattdessen ein Kreuzigungsbild aufgehängt. Im Laufe der folgenden Wochen wird alles für die Karwoche, die am Palmsonntag beginnt, vorbereitet. „Weil Ostern heuer so spät ist, habe ich die Palmzweige für die Apostelleuchter schon vor ein paar Wochen hergerichtet, sonst wären die Palmkätzchen schon verblüht“, sagt Gertraud Leitner. Für den Palmsonntag wird die Kirche mit Palmzweigen geschmückt, wenn der Pfarrer, die Ministranten und die Kinder mit ihren geweihten Buschen einziehen. Zur Seite steht ihr dabei ihr Mann Sepp Leitner, gelernter Schreiner. „Allein könnte ich das nicht“, meint seine Frau Gertraud. Um das Fastentuch aufzuhängen, müsse auch noch der Sohn Andi mithelfen, beim Auf- und Abbau des Heiligen Grabes sowieso und natürlich beim Schmücken der zwei großen Christbäume, die in der Weihnachtszeit neben dem Altar stehen. „Aber“, sagt Sepp Leitner, „da gibt’s eigentlich gar nix, da hilft auch unsere Schwiegertochter mit.“ Zudem seien in Altenbeuern viele Beerdigungen, auch da müsse man da sein. Auch ihre Kinder seien wie seine Frau mit der Mesnerei aufgewachsen und schon früh in den Kirchendienst eingebunden gewesen. „Manchmal war die ganze Familie beim Gottesdienst irgendwie beschäftigt“, sagt Sepp Leitner, „ich habe im Kirchenchor gesungen, meine Frau war die Mesnerin und unsere Buam haben ministriert“.

Mesnern, so der Flintsbacher Pfarrer Helmut Kraus, sei Familiensache, da müsse man schon zusammenhelfen. Alleine ginge da gar nichts. Er muss es wissen, denn in seinen Kirchen in Flintsbach und Fischbach erledigen Mutter und Tochter den Mesnerdienst. Johanna Karrer, 81, ist seit 21 Jahren Mesnerin in Flintsbach. Sie ist die Schwester von Sepp Leitner, und so ist die Mesnerei nicht nur Familiensache, sondern eine Familienangelegenheit. Täglich sperrt sie frühmorgens mit einem riesigen Schlüssel die Flintsbacher Kirche auf und am Abend wieder zu. „Eine Kirche ist ein offenes Haus, die Türe soll immer offenstehen“, sagt sie. Dienstags findet ein Abendgottesdienst in der kleinen Kapelle statt. Sie richtet alles her für den Pfarrer und drückt in der Sakristei auf den Knopf im Schaltschrank, damit die Kirchenglocken läuten. Für die kleine Frau eine echte Herausforderung. Dann läuft sie hinüber in die kleine Kapelle und betet als ausgebildete Wortgottesdienstleiterin den Kreuzweg, kurz vor 19 Uhr muss sie dann noch mal in die Sakristei zum „läuten“, alles ist bereit für den Pfarrer und dann beginnt der Gottesdienst. Für sie ist der Dienst als Mesnerin eine echte Berufung. Damit gehadert habe sie noch nie. Es sei eine echte Berufung. „So kann ich mich immer in den Gottesdienst einbringen“, sagt die 81-Jährige. Und wenn‘s wirklich mal nicht ausgeht, hilft ihre Tochter Hannerl Astner aus, die in der Filialkirche Fischbach Mesnerin ist.

Auch sie sperrt täglich die Kirche morgens auf und abends wieder zu und hält mittwochs um 8.30 auch schon mal einen Wortgottesdienst, wenn der Pfarrer Kraus keine Zeit hat. Auch sie ist ausgebildete Wortgottesdienstleiterin und versteht sich bestens mit „ihrem“ Pfarrer. Die Fischbacher Kirche St. Johannes ist noch nicht digitalisiert. Hier werden die Kirchenglocken noch mit einem Strick von der Sakristei aus geläutet und die Nummern der Lieder aus dem Gotteslob werden per Hand auf eine Tafel gesteckt. „Ich habe das Mesneramt aus meiner angeheirateten Familie übernommen, wo es auf dem Haus war“, sagt Hannerl Astner. „Es war halt grad niemand anders das.“ Aber sie habe ja mitbekommen, wie das so laufe, bei Onkel und Tante und ihrer Mutter. Ja, am Anfang habe sie schon Respekt davor gehabt, weil das tägliche Auf- und Zusperren und der Gottesdienst jeden Mittwoch und einmal im Monat sonntags, das verlange schon einiges ab. Aber jetzt würde ihr wirklich was fehlen, meint sie. Es sei zu einer echten Herzensangelegenheit geworden.

Eingeschworene
Gemeinschaft

Und tatsächlich trifft sich hier jeden Mittwoch eine kleine eingeschworene Gemeinschaft zum Gottesdienst. An besonderen Tagen wie dem Josefi-Tag wird schon mal Orgel gespielt und dann wirkt es in dieser kleinen Kirche direkt an der Straße wie bei einem Hochamt. Und danach geht’s bestens gelaunt samt Pfarrer und Mesnerin in die Bäckerei gegenüber in der „Alten Post“, wo schon alles hergerichtet ist.

Auch Hannerl Astner und ihre Mutter Johanna Karrer schaffen es nicht allein, aber, so die beiden Frauen, da haben wir schon unsere Leute, wo wir anfragen können. Auf die Frage, was es ihm bedeute, dass heutzutage Frauen in der Mesnerei beschäftigt sind, antwortet Pfarrer Kraus, das verdeutliche den Stellenwert der Mesnerei.

Gertraud Leitner denkt mit ihren 85 Jahren gar nicht ans Aufhören. Die Kirche sei ihre zweite Heimat, bis jemand den Dienst übernimmt, werde sie weiterwurschteln. Ihr Wunsch wäre, dass die Mesnerei in der Familie bleibt, schließlich sei es mittlerweile ja quasi „auf dem Haus“. Die Kinder wissen schließlich, wie es geht, – und wenn sie einander unterstützen, können sie vielleicht den Wunsch ihrer Mutter erfüllen.

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