Bier im Geschmackstest der Dilettanten

von Redaktion

Erste Eindrücke vom Verkostungsseminar bei Auerbräu und ein Überraschungssieger

Rosenheim – Zu Bayern gehört das Bier. Um das zu verstehen, muss man nicht mal auf dem Herbstfest gewesen sein. Aber was weiß der Normalkonsument von Bayerns Nationalgetränk? Um sich über Promille hinaus über Wesen und Charakter des Biers zu informieren, bedarf es des Blicks über den Glasrand hinaus. Man braucht Augen. Die Nase. Zunge und Gaumen, natürlich. Bier ist ein Genuss in mehreren Dimensionen. Wie man ab sofort in Verkostungsseminaren bei Auerbräu feststellen kann. Der Mann dahinter: Werner Pichlmeier.

In Rosenheim geboren, nie wirklich lang weg gewesen, wie er sagt, „weil‘s mir da gut gefällt“. Aber ständig auf kulinarischer Weltreise, sozusagen: Werner Pichlmeiers Passion ist das Bier. Und zwar aus aller Herren Länder. Reisen verbindet er deshalb gerne mit Bier-Events wie Messen. Gerne braut er auch selber, im Keller setzt er seinen „Rosen-Heim-Bräu“ an.

Ein Bier-Sommelier
als kundiger Lehrer

„Neugier ist die Wurzel von allem“, sagt er. Er hat sich daher zum Bier-Sommelier ausbilden lassen. Und als Diplompädagoge gibt er sein Wissen über Aromen, Nuancen, Noten, Schaum und Bier-Geschichte auch gern weiter.

Etwa an uns Journalisten. An einem sonnigen April-Nachmittag haben wir uns im Stüberl auf dem Brauerei-Gelände der Auerbräu GmbH an der Münchener Straße versammelt. Die Kollegen, überwiegend Dilettanten, was das Bier angeht, ausnahmsweise mit eher praktischen Kenntnissen. Dafür hapert es möglicherweise an der Theorie. Vier Biere werden wir verkosten: Spezial Hell, 111 Zwickel, das Hefe-Weißbier, den Weißbier-Bock.

Doch vor dem Vergnügen kommt die theoretische Schulung. Welches Glas ist das richtige, beziehungsweise: welcher Krug? Was hat der Hopfen im Bier zu suchen? Wie kalt sollte man es trinken? Und woraus setzt sich so eine Verkostung zusammen? Vom Geruch über die Farbe und Beschaffenheit des Schaums geht es zum Geschmack: Analysiert im Antrunk, im Haupt- und im Nachtrunk, summiert im Körper. Wir probieren, schlückchenweise, es wird ruhig am Tisch, manchmal hört man ein Schlürfen wie bei einer Weinprobe. Ist ja auch nicht so viel anders, sogar die Gläser für die Probe ähneln Bordeaux-Kelchen. Darin sammelt sich der Duft besser. Schließlich, so erfährt man beim Auerbräu, entsteht der Gesamteindruck eines Bieres zu 80 Prozent über die Nase.

Immer wieder zücken wir den Stift. Werner Pichlmeier hatte zu Beginn Bögen ausgeteilt, mit Feldern für jede einzelne Testphase. Wie war die Farbe? Wie der Schaum, der Geruch, der An-, Haupt- und Nachtrunk? Exakte Wissenschaft ist das nicht, eher der Versuch, Worte zu finden für etwas, was man vielleicht gar nicht beschreiben kann.

Über den Körper des „111 Zwickel“ findet sich bei mir folgender Eintrag: „Bei höherer Trinkgeschwindigkeit hält das Bier die Balance besser.“ Kann es sein, dass der Chronist das Bier nach längerem Analysieren im Glas zu still fand? Es lässt sich im Nachhinein nicht mehr wirklich sagen.

Man trinkt genauer, wenn man sich vor Augen führt, aus wie vielen Komponenten ein Bier-Geschmack gebildet wird. Das kann zu überraschenden Geschmackserlebnissen führen. Zum Hefeweißbier reicht Werner Pichlmeier Schoko-Orangen-Kekse, die die leichte Zitrusnote im Gebräu verstärken. Manchmal ist es die Harmonie, manchmal der Gegensatz, der den Gaumen reizt. Würzigen Käse, Braten – so etwas könnte man sich gut vorstellen. Pichlmeier aber will Kontrast. Und so gibt es zum würzigen Weißbier-Bock Schokokekse. Und? Passt!

Überhaupt der Weizen-Bock. Ein feines, würziges und malziges Bier, harmonisch und rund. Es überzeugt wohl alle Teilnehmer beim Verkostungsseminar. Es ist so etwas wie der Testsieger, zumindest für diese Gruppe, für diesen Anlass. Das kann sich schnell auch ändern, je nach den Umständen. Ist man müde, ist man wach, hat man bequeme Kleidung an oder nicht? „Eigentlich wär‘s am besten, im Bademantel zu verkosten“, sagt Pichlmeier. „Sozusagen ‘s Bierg‘wand“, raunt ein Gast am anderen Ende seinem Spezl zu.

Zwei Stunden nippen und analysieren wir so, versuchen zwischendurch, mit Grissini den Geschmack zu neutralisieren. Bier-Experte wird man in so kurzer Zeit nicht. Aber man lernt fürs Leben. Etwa, dass Bier schon etwas Emotionales sei. Und jede Verkostung höchst subjektiv. „Es gibt“, doziert Pichlmeier, „da kein richtig oder falsch.“

Hier geht‘s zur Bierverkostung

Artikel 8 von 11