Rosenheim – Für eine Kastenauerin, ihre Tochter und eine gemeinsame Bekannte sollte es ein entspannter Donnerstagnachmittag werden. Die drei Frauen hatten es sich gerade im Garten gemütlich gemacht. Die Stimmung war gut. Man habe geplaudert. Plötzlich habe es einen lauten Knall gegeben. „Wir haben erst noch herumgealbert und gesagt, dass es sich angehört hat, als ob jemand geschossen hat“, sagt die Rosenheimerin, die lieber anonym bleiben möchte, einige Tage später am Telefon.
Man habe die Unterhaltung fortgesetzt, nicht weiter über das Geräusch nachgedacht. Bis zu dem Moment, als sie die Sirenen der herbeieilenden Polizeiautos gehört hätten. Im Sekundentakt hätten sie ihre Handys gecheckt, um herauszufinden, was es mit dem lauten Knall auf sich hatte. „Es war ein seltsames Gefühl“, sagt die Frau. Später wird sich herausstellen, dass es sich bei dem Knall tatsächlich um einen Schuss gehandelt hat. Zuvor war es zu einem Streit zwischen einem 68-jährigen Anwohner und einem Bauarbeiter, der auf einer benachbarten Baustelle arbeitete, gekommen.
Beleidigt und mit dem Leben bedroht
Gegen 15.45 Uhr wählte der Baustellenarbeiter den Polizeinotruf und erklärte, von einem Anwohner beleidigt und mit dem Tod bedroht worden zu sein. Während sich zahlreiche Polizisten auf dem Weg in die Kastenau machten, begab sich der 68-Jährige zurück in sein Haus und zeigte anschließend aus dem Fenster heraus augenscheinlich eine Waffe. Offenbar fiel auch ein Schuss.
Die Einsatzleitung der Polizeiinspektion Rosenheim löste Großalarm aus. Auch Beamte des Spezialeinsatzkommandos Südbayern (SEK) rückten an und bereiteten sich auf einen möglichen Zugriff vor. „Innerhalb kürzester Zeit wurden auch sämtliche Straßen gesperrt“, erinnert sich die Rosenheimerin. Von ihrer Terrasse aus habe sie den Einsatz beobachten können. Die Beamten hätten ihr zwar versichert, dass sie keine Angst haben müssten. Trotzdem sei es eine merkwürdige Situation gewesen. Die Polizisten umstellten das Haus des 68-Jährigen, versuchten, ihn durch Gespräche zum Aufgeben zu bewegen. „Wir haben gehört, dass sich der Mann im Heizungskeller verschanzt haben soll“, sagt die Anwohnerin. Ob das stimme, wisse sie jedoch nicht. Fest steht, dass der 68-Jährige irgendwann freiwillig aus seinem Anwesen getreten ist. „Er kam mit erhobenen Händen raus. Dann haben sich die Polizisten auf ihn geschmissen“, sagt die Rosenheimerin. Anschließend sei der Mann zur Polizeiinspektion gebracht wurden. Noch am selben Abend übernahm das Fachkommissariat 1 der Kriminalpolizei Rosenheim, unter Sachleitung der Staatsanwaltschaft Traunstein, Zweigstelle Rosenheim, die weiteren Ermittlungen zu diesem Fall. Im Rahmen dieser habe sich der Verdacht erhärtet, dass der 68-Jährige tatsächlich mit einer scharfen Schusswaffe versucht hatte, auf einen Baustellenmitarbeiter zu schießen, diesen jedoch verfehlte. Zudem wurde bei der Durchsuchung des Wohnanwesens des 68-Jährigen eine zweite scharfe Schusswaffe sowie weitere Munition aufgefunden.
Haftbefehl wegen versuchten Mordes
Gegen den 68-Jährigen wurde ein Haftbefehl wegen versuchten Mordes erlassen. Er sitzt nun in einer Justizvollzugsanstalt in Untersuchungshaft.
„Der Mann hat nur wenige Meter von uns entfernt gewohnt und jetzt sitzt er im Gefängnis. Das ist schon ein komisches Gefühl“, sagt die Rosenheimerin. Gekannt habe sie den 68-Jährigen nur vom Sehen. Er lebe zurückgezogen, hatte wohl immer wieder Streit mit den Nachbarn. Das jedenfalls habe man sich am Tag nach der Tat in der Kastenau erzählt.
„Er lebt schon seit etlichen Jahren hier. Mehr weiß ich über ihn auch nicht“, berichtet ein anderer Anwohner, der zwei Häuser weiter wohnt. „Die Frage ist, warum der 68-Jährige so ausgerastet ist“, sagt die Rosenheimerin. Aus gut unterrichteten Kreisen heißt es, dass sich der 68-Jährige wohl an dem Geräusch der Schleifmaschine gestört haben soll, die den ganzen Donnerstag gelaufen ist.