Rosenheim – Wenn auf der Westtangente der Rauch aufgeht, kann das auch ein gutes Zeichen sein. So, als bei Wernhardsberg kürzlich Schwaden aufstiegen. Grund: Arbeiter verteilten den Gussasphalt auf der Bodenplatte. „70 Tonnen für 700 Quadratmeter“, so hat es Diplomingenieur Alexander Zett berechnet. Eine Schutzschicht, die Wasser fernhält vom Beton, der das Fundament für die Fahrbahn bildet. Darüber folgt die Aufschüttung, teilweise über zwei Meter hoch. Dann der Asphalt – und dann können die ersten Autos über diesen Abschnitt der Umgehungsstraße rollen. Die Verkehrsfreigabe ist offenbar nun nur noch eine Frage von wenigen Monaten. Denn die Asphaltierung läutete, spektakulär in ihrer Dampfentwicklung, den Endspurt der Bauarbeiten ein. Nicht mehr lange, dann ist die Westtangente fertig. Dann sind 13 Jahre des Bauens im Rosenheimer Westen vorbei. Im September soll es so weit sein. Dann kommt wieder die Politprominenz nach Rosenheim. So wie 2023 an der Aicherparkbrücke. Und dann kann die Westtangente Rosenheim endlich in vollem Umfang entlasten.
Durchgangsverkehr
wird angezogen
Um „über 4000 Fahrzeuge“ werde der Verkehr dann auf der Westerndorfer Straße täglich abnehmen, hat Bernhard Gehrmann berechnet, Gesamtprojektleiter für die Westtangente beim Staatlichen Bauamt Rosenheim. Insgesamt werde der Effekt noch stärker spürbar sein. „Die Hauptentlastung entsteht, weil die Westtangente den Durchgangsverkehr anzieht.“ Beispielsweise die Lkw, die irgendwohin in den Rosenheimer Norden oder nach Großkarolinenfeld wollen: Da die Eisenbahnunterführung an der Schlößlstraße eine Höhe von nur 3,30 Metern hat, müssen viele Brummis sich weiterhin durch Rosenheim quälen. Mit der Fertigstellung der Westtangente im Spätsommer gibt es die Möglichkeit, diese Ochsentour zu vermeiden. Ob damit die Staus der Geschichte angehören? Gehrmann gibt zu bedenken, dass die Blechkarawanen dort weniger an mangelnder Leistungsfähigkeit der Straße oder an der Ampeltaktung als vielmehr an der Art des Verkehrs liegen. Es gebe viel Abbiegeverkehr: Das alles drosselt den Verkehrsfluss.
Das Straßenbauamt jedenfalls tut, was es kann. „Wir liegen gut im Zeitplan“, sagt Bernhard Gehrmann. Aufgehalten wurden die Bauarbeiten lange Zeit durch den schwierigen Untergrund: Seeton, der sich als Überbleibsel des Rosenheimer Sees nach der jüngsten Eiszeit vor über zehntausend Jahren abgelagert hat. Hunderte Betonsäulen für Verdrängung des Wassers, seine Ableitung und für ein stabiles Fundament trieb das Bauamt bis zu 50 Meter tief in den labilen Untergrund. „Rosenheimer Mischgründung“ heißt das Verfahren, entwickelt haben es Straßenbauamt und TU München zusammen. Dass sich dieses Verfahren mittlerweile in den Lehrbüchern findet, stellt den Erfindern ein gutes Zeugnis aus. Noch wichtiger ist aber, dass die Sensoren keine Bewegung im Untergrund dokumentieren. Die Mischgründung erweist sich als stabil. Mit der Fahrbahn der Westtangente unterquert das Bauamt die Bahnlinie München – Salzburg. Nicht auszudenken, wäre diese wichtige Verbindung unterbrochen, weil sich Schotter, Beton oder Untergrund als nachgiebig erweisen.
Im Juni wird die Eisenbahnbrücke bei Wernhardsberg fertiggestellt. Züge rollen ja schon wieder drüber, für den Abbau der Behelfsbrücke und den Einschub der neuen Brücke musste im November 2024 der Bahnverkehr nur wenige Nächte lang Pausen einlegen. Doch in wenigen Wochen – Anfang Juni – folgen Restarbeiten, wie Gehrmann sagt. Dann ist zum Beispiel der „Gleisstopfzug“ an der Reihe – diese Maschine fährt mit Stangen in den Schotter und verdichtet damit den Gleiskörper. So etwas wie eine Maschinen-Massage, „Für die millimetergenaue Endlage der Gleise“, erklärt Gehrmann. Dann folgt im Juli der nächste Schritt: Der gesamte Asphaltbau, wie Gehrmann sagt – sprich: Die Asphaltdecke von 30 Zentimetern Dicke – wird in vier Lagen eingebaut. Zwei Wochen soll das dauern. Danach ist das Ende einer langen Reise absehbar. Schutzplanken sind anzubringen und die Beschilderung, Wildschutzzäune und die Markierungen warten noch auf die Mitarbeiter des Staatlichen Bauamts. Und Bäume und Hecken sind zu pflanzen. Unter anderem als Überflughilfen für Fledermäuse und andere schützenswerte Tiere, wie Gehrmann erklärt.
Tolles Team stemmt
ganz großes Projekt
Bernhard Gehrmann ist Ende 2021 zum Projekt „Westtangente“ gekommen. Jetzt ist ein Ende eines wichtigen, vielleicht sogar prägenden Abschnitts absehbar. „Für mich als Techniker ein ganz großes Projekt“, sagt er und bedankt sich bei seinem „tollen Team“, mit dem solche Meilensteine erst möglich gewesen seien: „Wenn alles funktioniert, ist das schon toll.“