Der Münchner Rechtsanwalt und die „Chiemgauer Bullen“

von Redaktion

Siebenfache Beamtenbeleidigung auf Frühlingsfest – Einspruch gegen Strafbefehl – Neuer Prozesstermin

Traunstein – Ein Rechtsanwalt aus München soll während des Frühlingsfests 2024 in Traunstein zwei Polizeibeamtinnen und fünf männliche Kollegen mit „Pussys“ beziehungsweise „Chiemgauer Bullen“ beschimpft haben. Das brachte dem 34-Jährigen einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft wegen siebenfacher Beleidigung und eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 300 Euro ein, insgesamt also von 9000 Euro. Dagegen legte der Jurist Einspruch ein. Das Amtsgericht Traunstein mit Amtsgerichtsdirektor Markus Kring als Vorsitzendem setzte den Prozess im Anschluss vorerst aus.

Polizisten erscheinen im Juli vor Gericht

Zu dem neuen Termin am 1. Juli um 9.30 Uhr werden sämtliche vermutlich beleidigten Personen als Zeugen geladen. Sie alle hatten gegen den Rechtsanwalt frist- und formgerecht Strafanzeige gestellt. Vor dem Gelände des Frühlingsfests an der Siegsdorfer Straße in Traunstein seien sie – ausnahmslos in Uniform – am 20. Mai 2024 nachts gegen 1.05 Uhr von dem Beschuldigten mit den zitierten Worten überzogen worden, gaben sie bei der Anzeige sinngemäß zu Protokoll.

Verteidigerin Ricarda Lang aus München beantragte gestern, eine Beweisaufnahme durchzuführen – die offenbar vor Verhandlungsbeginn nicht im Raum gestanden war. Kein einziger Zeuge war geladen worden. Sie gab sich erstaunt, dass Pressevertreter im Gerichtssaal waren und deutete an, Strafverfahren gegen Rechtsanwälte fänden in München „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ statt. Frau Lang beantragte ein nichtöffentliches Rechtsgespräch mit dem Gericht und Anklagevertreter Nils Wewer. Begründen wollte sie den Antrag allerdings ebenfalls in nichtöffentlicher Sitzung. Dies lehnte der Staatsanwalt ab. Daraufhin kündigte die Anwältin an, ihr Mandant werde in diesem Fall keine Angaben machen. Frau Lang fuhr fort, es stelle sich die Frage nach der Verwertbarkeit der Zeugenaussagen.

Äußerungen nicht auf Video-Aufnahmen?

Die genannten Äußerungen seien den Bodycam-Videos nicht zu entnehmen. Aufzuklären sei, ob sich die Beamtinnen und Beamten überhaupt aufgrund der angeblichen Äußerungen oder aus anderen Gründen beleidigt gefühlt hätten. Richter Markus Kring sah „kein Verwertungsproblem“. Die Verteidigerin betonte, das Amtsgericht selbst habe eine Verfahrenseinstellung gegen die 9000 Euro Geldauflage vorgeschlagen. Dem habe die Staatsanwaltschaft nicht zugestimmt. Und weiter: „Wenn es Beleidigungen waren, muss man über eine Verwarnung mit Strafvorbehalt nachdenken. Auch das hat die Staatsanwaltschaft abgelehnt. Ich sehe darin immer noch einen gangbaren Weg.“

Der Richter erinnerte, bestimmte Phänomene tauchten immer wieder in Verfahren auf, darunter „alkoholbedingte Entgleisungen im Zusammenhang mit Volksfesten“. Zugenommen hätten auch Straftaten aus „mangelndem Respekt gegenüber Polizeibeamten“. Das Gericht werde die Staatsanwaltschaft kaum zur Einstellung des Verfahrens zwingen können. Zu einer „Verwarnung mit Strafvorbehalt“ werde es wohl nicht kommen. Markus Kring weiter: „Aus meiner 30-jährigen Berufserfahrung heraus betrachte ich die 30 Tagessätze als eine sehr moderate Strafe.“ Die Verteidigerin ergänzte, der Prozess sei wegen der anwesenden Medien für einen Strafverteidiger „sehr belastend“. Sie forderte ein Rechtsgespräch ohne Öffentlichkeit, auf das der Staatsanwalt einging. Eine Einigung blieb offenbar aus. Stattdessen beschloss das Amtsgericht, die sieben Zeugen anzuhören, dazu auf Anregung Langs die beiden damaligen Begleiterinnen des Angeklagten – eine Rechtsanwältin und eine weitere Dame aus München. Man werde am 1. Juli außerdem die Bodycam-Aufzeichnungen anschauen, kündigte Kring an. Die Notwendigkeit, einen psychiatrischen Gutachter zuzuziehen zur Schuldfähigkeit des 34-Jährigen, etwa wegen seiner Alkoholisierung zur Tatzeit, verneinte die Verteidigerin ausdrücklich. Das sei nicht erforderlich.

Strafe könnte sogar höher ausfallen

Vorsitzender Markus Kring fasste nach Aktenlage zusammen: „Es ist unwahrscheinlich, dass die unseligen Äußerungen nicht gefallen sind. Ich sehe im Moment nicht, was die Verteidigung erreichen könnte. Und der Geständnisbonus, der im Strafbefehl berücksichtigt ist, entfällt. Das heißt: Die Ahndung könnte im Fall eines Schuldspruchs höher ausfallen.“Monika Kretzmer-Diepold

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