Erst ein Raunen, dann ein Knall

von Redaktion

Gindelalm-Ersthelfer schildert Rettungseinsatz nach Quad-Absturz

Bruckmühl/Schliersee – Es war ein sonniger Tag, die Terrasse auf der Gindelalm (1242 Meter) im Landkreis Miesbach am Samstag vor dem Muttertag gut belegt, Wanderer kamen und gingen, ein Mann mit einem kleinen Mädchen auf dem Quad fuhr vor. Jürgen K., der auf einer Bank gerade auf seinen Kaiserschmarrn wartet, beobachtet die Ankunft: „Der Herr fuhr vom Schotterweg kommend langsam auf die Wiese Richtung Steilhang“, berichtet er gegenüber dem OVB. Er sei mit geringer Geschwindigkeit einen Halbkreis gefahren, um das Gefährt zu drehen. Danach sei er stehen geblieben – und habe nicht, wie im Polizeibericht unter Berufung auf Augenzeugen beschrieben, „mehrere Kreise gedreht“ oder eine riskante Fahrweise an den Tag gelegt.

Gleich nach
Arzt gerufen

Allerdings habe er noch zweimal die Bremse gelöst und sei so mit dem Quad jeweils einen bis eineinhalb Meter rückwärts Richtung Steilhang gerollt. „Ich dachte mir noch ,Mach das nicht noch öfter‘, denn die Straßenreifen des Quads haben im hohen Gras nur wenig Grip und das Gelände wird immer steiler.“ Just in dem Moment, als Jürgen K. sein Getränk bekam und einen Augenblick abgelenkt war, „ging ein Raunen über die Terrasse. Zwei, drei Sekunden später gab es einen heftigen Knall. Irgendwie wusste ich sofort, was passiert war und rannte los.“

Jürgen K. ist Oberstabsgefreiter bei der Bundeswehr. Als Ausbilder an einem Sanitätslehrregiment weiß er, was in Unglücksfällen zu tun ist. Mit rund zehn weiteren Helfern läuft er los Richtung Steilkante, ruft anderen Wanderern zu, bei den Gästen auf den Almen nach einem Arzt zu fragen. Zu dritt oder viert sei man gleich abgestiegen. Das Kind, das laut Polizei etwa 30 Meter hinabgestürzt war, sei schon bei seinem weiter unten liegenden Vater gewesen.

„Ich habe dem Mädchen zugerufen, wir sind gleich bei dir, bleib ganz ruhig. Es war zu meiner großen Verwunderung äußerlich unverletzt, war orientiert, konnte normal kommunizieren und sich vollkommen selbst bewegen. Es stand ,nur‘ unter Schock, hat geweint“, schildert Jürgen K. seinen Eindruck – und seine Verwunderung, als er später las, das Kind liege schwer verletzt im Krankenhaus. Dies hatte die Polizei am Nachmittag des folgenden Tages (11. Mai) dem OVB gegenüber erklärt.

Gemeinhin gelten in der Unfallstatistik der Polizei, die aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine detaillierten Angaben zu Verletzungen machen darf, Unfallbeteiligte als leicht verletzt, wenn die jeweilige Verletzung einen Klinikaufenthalt bis zu 24 Stunden zur Folge hat. Bleibt eine Person über 24 Stunden in einer Klinik, werde diese statistisch als mittel- oder schwer verletzt erfasst.

Den laut Polizei aus Hausham stammenden Vater fanden die Helfer dagegen bewusstlos an einem Baum inmitten eines Trümmerfeldes aus Steinen und Totholz liegend vor, beschreibt Jürgen K. weiter. Es sei erkennbar gewesen, dass dieser schwerer verletzt war, so K., der auch über eine Bergrettungsausbildung verfügt, und sofort Schritte der Ersthilfe unternahm. „Mehr als Puls und Atmung zu überwachen, konnte man aber zunächst nicht tun, da nicht zu erkennen war, welcher Art seine Verletzungen waren.“ Mittlerweile seien auch ein Arzt und ein Rettungssanitäter unten angelangt gewesen, wenig später Einsatzkräfte der Bergwacht Hausham. „Nach gefühlt fünf bis sieben Minuten kam der Mann wieder zu sich, er hatte starke Schmerzen, fragte, was passiert sei und wie es seinem Kind gehe. An den Sturz selbst konnte er sich nicht erinnern.“

Aufbau eines
Seilzugs

Während der Verletzte fachlich betreut und versorgt wurde, stieg Jürgen K. wieder nach oben, um bei der Einweisung des Rettungshubschraubers zu helfen. Feuerwehr und Bergwacht entschieden dann den Aufbau eines Seilzuges, um den Verletzten per Gebirgstrage nach oben bringen zu können. Für K. Zeit, auf die Alm zurückzukehren und beizeiten ins Tal zu gehen, um mit dem Zug wieder nach Hause zu fahren.

Beide Unfallopfer wurden per Hubschrauber in verschiedene Kliniken geflogen, in denen sie laut Polizei schwer verletzt behandelt wurden. Bei beiden habe jedoch keine Lebensgefahr bestanden. Über ihren aktuellen Gesundheitszustand knapp eine Woche nach dem Unglück konnte die Polizei im Verlauf der Woche und auch am Freitag (16. Mai) keine Auskunft geben.

Laut Augenzeugen und Polizei waren die beiden ohne Helm unterwegs gewesen. Überdies hatte sich bei der Unfallaufnahme herausgestellt, dass das Quad des Haushamers keine gültige Hauptuntersuchungsbescheinigung hatte. Gegen den Mann wurden in der Folge mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet.

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