Senioren von falschen Pflegern ausgeraubt

von Redaktion

Mega-Geldbeträge wie in Grassau, Gold und Schmuck erbeuteten falsche Pflegekräfte bei Senioren in ganz Deutschland. Jetzt wurde Anklage gegen sieben rumänische Bandenmitglieder erhoben. Dr. Rainer Vietze von der Staatsanwaltschaft Traunstein verrät, wie gigantisch der Schaden bei den Fällen in der Region war und was den mutmaßlichen Tätern droht.

Traunstein – Über 30 erfolgreiche Raubzüge, 17 weitere Versuche, Schmuck und Bargeld im Wert von mindestens 174000 Euro entwendet – die Details der Diebstahls-Serie von falschen Pflegekräften bei Senioren sind verstörend. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Traunstein Anklage gegen vier Männer und drei Frauen im Alter zwischen 32 und 39 Jahren erhoben. Die Rumänen-Bande war in insgesamt sechs Bundesländern in ganz Deutschland unterwegs, der größte Coup glückte ihr jedoch in Grassau im Achental. Nach OVB-Informationen im Juni 2024 aus dem Betreuten Wohnen in der Kaiserblickstraße.

Sieben Fälle
im Chiemgau

„Dort wurden 30000 Euro in bar entwendet – das ist die höchste Schadenssumme in diesem Verfahren. Anderswo gab gab es noch einmal einen Schaden von 20000 Euro“, erklärt Dr. Rainer Vietze von der ermittelnden Staatsanwaltschaft Traunstein. Der Oberstaatsanwalt verrät auch, was bei den weiteren sechs Fällen im Chiemgau vorgefallen ist. In Grassau versuchten die Beschuldigten nach dem 30000-Euro-Coup noch zwei weitere Male in anderen Hausnummern des Betreuten Wohnens ihr Diebes-Glück – allerdings vergeblich.

Wohl auch deshalb, weil als Konsequenz aus dem perfiden Betrug im Betreuten Wohnen die strikte Anweisung ausgegeben wurde, beim Klingeln nicht sofort die Tür zu öffnen. Sondern erst bei hundertprozentiger Sicherheit über die Identität der Personen. Vor dem Seniorenzentrum Grassau wurde zudem auf Anraten der Polizei eine Kamera-Überwachung eingerichtet. Das Betreute Wohnen in der Kaiserblickstraße gehört zum Seniorenzentrum, ist jedoch räumlich von ihm getrennt. Die um 30000 Euro bestohlene Person wollte sich auf OVB-Anfrage nicht zum genauen Ablauf des Diebstahls äußern.

Erfolgreicher war die Bande in Rimsting. „Bei der vollendeten Tat wurden knapp über 1300 Euro erbeutet“, erklärt Vietze. In Bernau am Chiemsee gab es sogar zwei geglückte Diebstähle an unterschiedlichen Hausnummern einer Pflegeeinrichtung. „Einmal wurde Schmuck im Wert von 800 Euro erbeutet, beim anderen Mal 300 Euro in bar und Goldschmuck im Wert von 2500 Euro“, so Vietze zum OVB. Auch in Traunstein gab es einen Betrugs-Versuch, der allerdings erfolglos blieb. Die dortige Staatsanwaltschaft deckte in umfassenden Ermittlungen dann die perfide Masche der falschen Pflegekräfte auf.

Die Betrüger traten mindestens zu zweit, meistens aber zu dritt auf. Der erste Täter klingelte – als Pflegekraft verkleidet – bei Bewohnern einer betreuten Wohneinrichtung. Im Gespräch täuschte die vermeintliche Pflegekraft einen Grund für das Betreten der Wohnung vor. Im Vertrauen darauf, dass es sich bei dem Täter tatsächlich um eine Pflegekraft handelt, gewährten die Bewohner diesem Zutritt zu ihrer Wohnung.

Nach Betreten der Wohnung zog der erste Täter die Aufmerksamkeit der Geschädigten weiter auf sich und lenkte diese ab. Währenddessen betrat ein zweiter Täter, von den Geschädigten unbemerkt, die Wohnung, entwendete Wertgegenstände und verließ die Wohnung wieder. Ein dritter Täter war als Fahrer des Tatfahrzeuges für die Logistik dieser Taten zuständig.

Spätestens Anfang April 2024 schloss sich die Bande zusammen, Anfang November wurde sie nach zahlreichen erfolgreichen Raubzügen mit der „Falsche-Pflegekräfte-Masche“ gefasst. Seitdem sitzen sieben Verdächtige in U-Haft. Im Rahmen der Ermittlungen wurden in mehreren Pfandleihhäusern im Raum Duisburg Wertgegenstände wie Goldschmuck, Diamantringe und Goldbarren in beachtlichem Umfang sichergestellt. Es besteht der Verdacht, dass die Diebesbande diese Gegenstände dort zu Geld gemacht hat. Nun droht den sieben Rumänen, für die bis zur rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt, Knast.

„Bei schwerem Bandendiebstahl laut Paragraf 244 a Strafgesetzbuch droht für jeden einzelnen Betrugsfall eine Freiheitsstrafe von ein bis zehn Jahren“, so Vietze. Jeder der Beschuldigten wird mehrerer Straftaten bezichtigt, allerdings werden die Strafhöhen nicht einfach addiert. Einen Hinweis auf die mögliche Strafhöhe gibt jedoch nach OVB-Informationen der Verweis an die Große Strafkammer des Landgerichts Traunstein. Das passiert nur dann, wenn die Straferwartung der Staatsanwaltschaft mindestens vier Jahre beträgt.

Im nächsten Schritt muss das Landgericht entscheiden, wie es mit den Verfahren weitergeht. Wegen des großen Umfangs des Betrugs-Falls und wegen der unterschiedlichen Rollen der Bandenmitglieder hat die Staatsanwaltschaft drei Anklagen erhoben – zweimal gegen zwei mutmaßliche Täter, einmal gegen drei. Ob es am Ende auch drei verschiedene Verfahren gibt oder alle zusammengelegt werden, entscheiden die zuständigen Richter.

Schutz älterer
Menschen

Dem Leiter der Staatsanwaltschaft Traunstein, Dr. Wolfgang Beckstein, ist vor allem eins wichtig: „Mit unseren Ermittlungen schützen wir gemeinsam mit der Polizei ältere Menschen und versuchen, für Opfer deren entwendete Sachen zurückzuerlangen.“ Ob allerdings alle Geschädigten dieser perfiden Betrugs-Masche damit Gerechtigkeit erfahren, ist eher unwahrscheinlich. „Auch wenn die meisten betroffenen Einrichtungen Anzeige erstattet haben – manche Leute haben es vielleicht nicht einmal gemerkt, dass sie bestohlen worden sind“, so Vietze: „Außerdem ist nicht auszuschließen, dass andere Banden diese Betrugsmasche nachahmen. Es könnte also eine Dunkelziffer von weiteren Betroffenen geben.“

Die Tatorte

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