Traunstein – Bei vier Tatkomplexen sollte ein 30-Jähriger aus Petting in Traunstein am Bahnhofplatz, in Lokalen und in einer Asylbewerberunterkunft andere Leute attackiert und teils verletzt haben. Am Bahnhof war ein 22-Jähriger aus Traunstein mitbeteiligt. Obwohl die Angeklagten nahezu alle Taten leugneten, verurteilte sie das Amtsgericht Traunstein mit Richterin Barbara Dallmayer zu einem Jahr beziehungsweise acht Monaten Freiheitsstrafe, jeweils mit Bewährung.
Frauen die Treppe
hinab gestoßen
Der 30-Jährige habe gefährliche sowie versuchte und vollendete Körperverletzungen begangen, dazu eine Beleidigung, der 22-Jährige eine gefährliche Körperverletzung.Der erste Fall ereignete sich gemäß Anklage am 16. Dezember 2023 gegen 23.20 Uhr im Club „Kafka“. Der 30-Jährige sollte zwei Frauen auf dem Weg zum Raucherbereich in türkischer Sprache mit „Hurentöchter“ beleidigt haben. Anschließend sollte er eine 21-Jährige auf der Treppe kräftig mit beiden Händen gepackt und geschubst haben. Vier Stufen fiel die 21-Jährige hinab. Sie konnte sich gerade noch irgendwie an einem Treppenabsatz abfangen und einen Sturz vermeiden. Die Zeugin hatte mit keinem Angriff gerechnet, kam aber glücklicherweise mit dem Schrecken davon. Einige Zeit fuhr sie aus Angst mit dem Auto zu dem Club. Später entschuldigte sich der 30-Jährige mit einer Rose. Über einen Kumpel bat er die junge Frau, ihre Anzeige zurückzuziehen. Sie ging aber nicht darauf ein.
Beide türkischen Staatsangehörigen hielten sich gemäß Anklage am 2. Januar 2024 in der Mittagszeit vor dem Bahnhof auf. Sie provozierten in Gegenwart eines weiteren zunächst unbekannten Mannes einen verbalen Streit mit einem 32-Jährigen. Um der unangenehmen Situation mit lautem Schreien zu entgehen, wollte sich der Geschädigte auf den Beifahrersitz seines Pkws zurückziehen. Den Angeklagten gelang es, die Autotür zu öffnen.
Einer gab ihm einen Faustschlag in das Gesicht. Der andere trat auf das Opfer ein und traf eine, bereits vorher bei anderer Gelegenheit gebrochene Rippe. Der 32-Jährige erlitt einen Bruch des Nasenbeins, Prellungen der Augenhöhle und der rechten Schulter sowie erhebliche Schmerzen. Er musste im Krankenhaus Traunstein behandelt werden. Die Angeklagten hatten einen Entlastungszeugen benannt, der angeblich außer einer kleinen verbalen Auseinandersetzung keine Aggressionen seiner Freunde beobachtet hatte. „Nichts ist passiert“, meinte er gestern.
Einzig einen Kopfstoß am 13. Juni 2024 gegen einen Gast im Lokal „Wohnzimmer“ räumte der 30-Jährige gestern ein. Er habe sich „erniedrigt gefühlt“, nannte er als Grund. Der Geschädigte trug Schmerzen und eine Schwellung im Gesicht davon.
In einer Asylbewerberunterkunft am Hochberg versetzte der 30-Jährige laut Staatsanwaltschaft, in der Sitzung vertreten durch Rechtsreferendarinnen, am 25. Juni 2024 gegen 8.50 Uhr einem Mitarbeiter des Landratsamts, der mit einer Kollegin die Rauchmelder testen wollte, einen Stoß mit dem linken Ellenbogen gegen den Körper. Dies blieb folgenlos, hatte der Rempler doch die Umhängetasche mit dem Laptop getroffen. Wie die anderen Geschädigten stellte der 25-Jährige hinterher Strafanzeige bei der Polizeiinspektion Traunstein. Verteidiger Stefan Conrads aus Traunstein hinterfragte, ob der Zeuge das Zimmer ohne Anmeldung überhaupt hätte betreten dürfen. Eine 57-jährige Mitarbeiterin des Landratsamts betonte dazu, das stimme nicht. Man dürfe die Zimmer jederzeit zu zweit betreten – auch vor 8 und nach 16 Uhr.
Die drei Bewohner und ein „Fremdschläfer“, der gar nicht in der Unterkunft hätte sein dürfen, seien ob des Weckens „sehr respektlos und aggressiv“ geworden. Beim Rausgehen habe sie das Rempeln gesehen. Nachdem niemand verletzt wurde, stellte das Gericht diesen Komplex mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ein.
Die Angeklagten kamen 2022 als Asylbewerber nach Deutschland, leben in Unterkünften, arbeiten und führten bislang ein straffreies Leben. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft plädierte gestern auf 14 Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung für den 30-Jährigen, für den 22-Jährigen auf zehn Monate mit Bewährung. Verteidiger Stefan Conrads beantragte eine Verurteilung für den Kopfstoß des 30-Jährigen an dem – gestern nicht erschienenen – Geschädigten und eine Beleidigung der Frau im „Kafka“. Ein Stoß auf der Treppe sei jedoch nicht erwiesen. Bei dem Geschehen am Bahnhofplatz stehe Aussage gegen Aussage. Möglicherweise könnte „eine falsche Anschuldigung des Geschädigten vorliegen“, so der Anwalt. Angemessen sei eine Gesamtgeldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 20 Euro, also von 2800 Euro. Der 22-Jährige hatte keinen Anwalt zur Seite.
Glaubhafte
Aussagen
Im Urteil hob Richterin Barbara Dallmayer heraus, die beiden Zeuginnen aus dem „Kafka“ hätten voll glaubhaft ausgesagt. Der Entlastungszeuge habe konkret nichts gesehen. Bezüglich des Geschehens am Bahnhof sei sie überzeugt, die Angeklagten hätten den Geschädigten gemeinschaftlich verletzt. Das gemeinsame Handeln sei juristisch eine „gefährliche Körperverletzung“. Eines „gefährlichen Werkzeugs“ bedürfe es nicht. Die Bewährungszeit fixierte das Gericht mit drei Jahren. Dazu muss der 30-Jährige eine Geldauflage von 1600 Euro an die Staatskasse zahlen, der 22-Jährige 1400 Euro.