Aschau – Seit gut zweieinhalb Jahren sitzt Sebastian T. wegen des „Eiskeller-Prozesses“ um den gewaltsamen Tod von Hanna W. in Aschau nun schon in Untersuchungshaft. Die Verteidiger Regina Rick und Dr. Yves Georg haben schon vor Wochen angekündigt, Haftprüfung für den Angeklagten zu beantragen. Warum das vermutlich noch dauert und wie groß die Chancen für T. sind, auf freien Fuß zu kommen: Darüber sprachen wir mit Peter Dürr, Vorsitzender des Rechtsanwaltsvereins Rosenheim und Vorstandsmitglied der Rechtsanwaltskammer München.
Die Verteidigung hat angekündigt, für Sebastian T. Haftprüfung zu beantragen. Warum haben das Regina Rick und Dr. Yves Georg über einen Monat nach der Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs noch immer nicht getan?
Die Frage ist natürlich an die Verteidigung zu stellen. Man kann hier nur mutmaßen. Aufgrund der Urteilsaufhebung und Zurückverweisung ist eine neue Strafkammer zuständig, und die muss sich zunächst in den Fall einarbeiten. Wir haben hier ein sehr umfangreiches Verfahren mit vielen Akten und Beweismitteln. Möglicherweise will man das neue Gericht mit einem derartigen Antrag auch nicht sofort überfrachten. Zunächst geht es ja jetzt auch darum, die neue Verhandlung organisatorisch vorzubereiten, um wieder zeitnah verhandeln zu können. Vielleicht warten die Verteidiger auch ab, ob eine Aufhebung von Amts wegen erfolgt, sodass kein eigener Antrag erforderlich ist. Und schließlich wollen sie den Antrag auch gut begründen, was natürlich auch gewisser Zeit bedarf.
Nächsten Monat soll der Antrag auf jeden Fall kommen. Wie lange dauert es dann noch bis zu einer Entscheidung?
Wenn Haftprüfung beantragt wird und eine Vorführung stattfinden soll, hat diese innerhalb von zwei Wochen zu erfolgen. Eine Haftbeschwerde wiederum hat keine verbindlichen Fristen. Eine Entscheidung kann dann schon drei, vier Wochen dauern. Der Fall ist schon wirklich sehr speziell. Schneller ginge es nur dann, wenn alle Verfahrensbeteiligten zustimmen würden, die Haft außer Vollzug zu setzen.
Davon ist nicht auszugehen. Dazu scheint der Fall zu umstritten.
Ja. Es gab ja bereits eine Verhandlung, und in erster Instanz haben wir keinen Freispruch erlebt. Eine Haftverschonung ist kein Selbstläufer. Das machen die Verteidiger also schon gut. Sie wollen Sebastian T. aus der U-Haft rausholen, aber auch nicht die Tür einrennen. Nein, stattdessen macht man es lieber mit Bedacht und sorgfältig. Abgelehnt ist so ein Antrag schnell, und dann ist viel kaputt gemacht. Und auf ein paar Wochen hin oder her kommt es in diesem Fall nicht ganz so an wie bei jemanden, der eben erst ins Gefängnis gekommen ist. Sicher, das ist Freiheitsentzug und damit alles andere als angenehm. Letztendlich zählt aber das Ergebnis.
Wie stehen die Chancen, dass der Haftprüfungsantrag Erfolg hat?
Das ist schwierig zu sagen. Man muss sich ansehen, welche Voraussetzungen für den Vollzug von Untersuchungshaft gelten. Man braucht einen dringenden Tatverdacht und normalerweise einen Haftgrund, also Fluchtgefahr, Wiederholungsgefahr oder die Gefahr der Verdunkelung. Eine Sonderregel gilt allerdings für Kapitaldelikte. Wird dem Angeklagten – wie hier – ein Mord zur Last gelegt, braucht es keinen Haftgrund. Dann reicht der Vorwurf. Andererseits ist da wieder die Frage: Ist die Untersuchungshaft zum jetzigen Zeitpunkt noch verhältnismäßig und gibt es keine milderen Mittel? Das ist ein richtiges Mosaik an Argumenten und Abwägungen. Man darf nicht vergessen: Die Untersuchungshaft ist kein Vorwegvollzug einer möglichen Strafe, auch wenn Sie im Falle einer Verurteilung angerechnet wird. Sie dient einzig dem Zweck, die Verhandlung zu sichern. Aber das stellt sich jetzt auch anders dar als vor zwei Jahren.
Eine Aussetzung der Haft würde das Verfahren insgesamt entspannen, was Dauer und Termine betrifft: Man stünde dann nicht so unter Zeitdruck und müsste den Angeklagten auch nicht jedes Mal polizeilich vorführen und überwachen. Er könnte vielmehr selbstständig zu den Verhandlungsterminen anreisen.
Eine Reihe von Gründen, die dafür sprechen. Oder auch dagegen.
Ja. Ich gehe auch fest davon aus, dass die Staatsanwaltschaft massiv gegen die Aufhebung des Vollzuges der Untersuchungshaft ist. Sie wird an ihren Vorwürfen festhalten. Man bräuchte den Blick in die Glaskugel, um sagen zu können, wie über ein derartiger Antrag entschieden wird. Beide Seiten haben sicher gute Argumente.
Sie sagten, dass der dringende Tatverdacht eine Voraussetzung für die U-Haft ist. Ist Sebastian T. noch dringend tatverdächtig?
Das Erstgericht hat den Angeklagten – wenn auch unter Mitwirkung einer, wie wir jetzt wissen, zu Recht abgelehnten Vorsitzenden – nach erfolgter Beweisaufnahme verurteilt. Aufgrund des Verfahrensfehlers hat sich der Bundesgerichtshof nicht mehr weitergehend zu materiell rechtlichen Fragen oder der Beweiswürdigung geäußert. Ein genereller Tatverdacht besteht sicher weiterhin, ob dieser auch „dringend“ ist, muss das neue Gericht beurteilen.
Welche Rolle spielen der Hauptbelastungszeuge und die Gutachten über dessen Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit seiner Aussage?
Wenn durch das Gutachten die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen erschüttert werden würde oder neue Erkenntnisse auftauchen, die eine andere Beurteilung erlauben, dann könnte es passieren, dass dies auch Auswirkungen auf den Vollzug der U-Haft hat. Eine Indizwirkung hätte eine Haftaussetzung dann allemal.
Interview: Michael Weiser