Das zweite Leben der Pferde

von Redaktion

Aussortierten Pferden einen Platz geben: Das macht Angela Bals mit ihrer Arche Hofgut-Schwarzenbach. Hier zaubern die Pferde Kindern ein Lächeln auf die Lippen – und bringen ihnen sogar etwas bei. Wie die Pferde nach Bad Endorf kommen und warum sie sonst „weggeschmissen“ werden.

Bad Endorf – Leistung bringen, sonst wird man aussortiert – das gilt in unserer Gesellschaft nicht nur für viele Menschen, sondern leider auch für manche Tiere. Für Angela Bals ist das keine Option. Nur weil ein Pferd nicht mehr für Turniere geeignet ist, nicht die Leistung bringt, die vom Menschen gewünscht ist, oder Krankheiten hat, soll es nicht abgeschrieben werden. Dafür führen sie und ihre Tochter, Marie-Therese Bals, das Arche Hofgut-Schwarzenbach in Bad Endorf.

Aktuell leben im Stall sechs Pferde und Ponys: Felix, Fanny, Lou, Llana, Chilena und Lino. Alle sind mit unterschiedlichen Hintergründen zu Angela Bals gekommen. Den kleinen Pony-Wallach Felix hat sie schon seit über 20 Jahren. Er ist mit seinen über 30 Jahren immer noch fit und das, obwohl er nicht der gesündeste ist. Er leidet unter dem Cushing-Syndrom (einer Hormonstörung), Hufrehe, Neurodermitis und equinem Asthma, auch bekannt als Heustauballergie. All das hält ihn aber nicht davon ab, Spaß am Leben zu haben.

Lernen, auf andere Geschöpfe zu achten

Viel Freude bereiten ihm dabei auch die Kinder, die fast jeden Tag in den Stall kommen. Immer sechs an einem Tag, die sich dann in jeweilige „Pony-Teams“ aufteilen. Also sind immer zwei Kinder bei einem Pferd. Felix und Fanny sind bei der Auswahl der Pferde sehr beliebt. „Die Kinder streiten sich fast darum, wer sie reiten darf“, erzählt Marie-Therese Bals. Sind die Pferde aber erst mal zugeteilt, wird geputzt und anschließend gibt es Spiele auf dem Reitplatz mit Pferd und Reiter. Beliebt ist zum Beispiel das Bahnhofsspiel. Dabei lernen die Kinder ihr Pferd zu verlangsamen, es zum Stehen zu bringen und auch das Auf- und Absteigen.

Doch was in der Reitstunde gemacht wird, hängt von einem wichtigen Punkt ab: „Man muss immer schauen, was man miteinander machen kann“, betont Angela Bals. Da die Pferde auf dem Arche Hofgut-Schwarzenbach alle ihre Krankheiten mit sich herumtragen und teilweise nicht mehr die jüngsten sind, hängt ihr jeweiliges Leistungsvermögen auch von der Tagesform ab. „Die Kinder sollen dabei emphatisch sein und lernen, auf ein anderes Geschöpf zu achten“, erzählt Bals.

Die Kombination aus Pferden und Kindern kann man bei der sechsfachen Mutter auch in ihren Ausbildungen finden: Sie ist Diplom Reitpädagogin, Psychologin und engagiert sich beim Sozialverband VdK. „Pferde sind mein Leben, aber Menschen auch“, so fasst sie selbst zusammen.

Als gesündestes Pferd im Stall in Bad Endorf gilt Lou. Der Fuchs ist erst sechs Jahre alt und wurde trotzdem schon von seinen Vorbesitzern aussortiert. Der Grund: „Er war zu langsam“, sagt Angela Bals. Als Traber auf der Rennbahn brachte der Fuchs seinen ehemaligen Eigentümern keine Siege ein. Für 2000 Euro kam er zur Reitpädagogin, die jetzt plant, aus ihm ein Therapiepferd zu machen. Dafür sprechen laut Angela Bals seine charakterlichen Eigenschaften: „Er hat sehr viel Geduld, ist neugierig, lustig und hat ein wahnsinniges Einfühlungsvermögen. Ein echter Sonnenschein.“ Dass dies nicht wertgeschätzt wurde, sondern der Fokus nur auf der fehlenden Leistung lag, begründet Angela Bals so: „Es hat sich eine Wegwerfgesellschaft im Umgang mit Tieren entwickelt. In unserer Welt muss immer alles funktionieren. Es muss immer alles besser werden.“

Das Pferd als Prestigeobjekt

Außerdem hat Bals festgestellt, dass das Pferd als Prestigeobjekt in der Leistungsgesellschaft angesehen wird. Wenn es dann nicht funktioniert oder krank ist, wird es oftmals aussortiert. „Viele wollen auch die Rente der Pferde nicht mehr finanzieren“, sagt die Stallleiterin. Um gegen diese Entwicklung vorzugehen, leitet sie seit gut fünf Jahren ihren Stall gemeinsam mit ihrer Tochter. Hier werden die Pferde nach ihren Bedürfnissen versorgt und beschäftigt. Dazu zählt auch Fanny, welche seit Herbst 2024 Teil der Herde ist. Die Pony-Dame kam aus schlechten Verhältnissen: Der Vorbesitzer fütterte sie nur mit schlechtem Heu. Das führte zu starkem equinem Asthma. „Der wusste nicht, was er mit ihr machen soll“, sagt die Reitpädagogin. Der Schlachttermin stand zwar schon, trotzdem gab der Bauer Fanny an das Arche Hofgut-Schwarzenbach. Jetzt muss Fanny täglich zweimal inhalieren, bekommt Cortisontabletten und ihr Heu muss bewässert sein.

Spezielle Fütterungs- und Pflegebedürfnisse hat so gut wie jedes Pferd auf dem Arche Hofgut-Schwarzenbach. Das ist zeit- und kostenintensiv. „Ich bin dreimal am Tag am Stall: Morgens, mittags zur Kontrolle und abends“, schildert Angela Bals. Sie und ihre Tochter arbeiten als Psychologinnen nicht in Vollzeit und haben so Freiraum, in dem sie sich um die Pferde kümmern können.

Projekt kostet Zeit, Geld und Kraft

Doch Geld brauchen sie trotzdem, um alles zu finanzieren. Die finanziellen Mittel setzen sich dabei aus zwei Quellen zusammen. Da der Stall eine Non-Profit-Organisation ist, fließen alle Beiträge, die durch die Reitstunden verdient werden, direkt in die Pferde. Doch davon sind rund 2000 Euro Ausgaben pro Monat, die für Stallpacht, Tierarzt und Hufpflege gebraucht werden, nicht immer gedeckt. Der Rest wird von ihrem größten Sponsor zugesteuert, ihrem Mann. „Der füllt bei uns die Lücken“, sagt Angela Bals.

Das Projekt Arche Hofgut-Schwarzenbach kostet Geld, Zeit und Kraft. Alles Dinge, die die 60-Jährige und ihre Tochter gerne aufwenden. „Ich will der Gesellschaft etwas zurückgeben und sehe mich in einer sozialen Verantwortung, auch im Umgang mit den Tieren. Deshalb habe ich schon früh angefangen, solche ‚Wegwerfpferde‘ aufzunehmen“, erklärt die Reitpädagogin ihren Antrieb. Dass viele Pferde, die eigentlich aussortiert wurden, noch viel Freude am Leben haben und diese dann wiederum an Menschen zurückgeben können, beweisen Tiere wie Felix, Fanny und Lou bei den Reitstunden auf dem Arche Hofgut-Schwarzenbach.

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