Macht eine Extrawurst das Schnitzel billiger?

von Redaktion

Interview Dehoga-Geschäftsführer Dr. Thomas Geppert dämpft die Hoffnung auf fallende Preise

Rosenheim/München/Berlin – Monatelange Schließungen während der Corona-Pandemie, massiv gestiegene Energiekosten durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und eine extreme Personalnot: Nur einige der Entwicklungen der vergangenen Jahre, die die Gastronomie sowie das Hotelgewerbe stark gebeutelt und die Branche in einen Teufelskreis geführt haben. Um überleben zu können, haben viele Gastronomen die Preise ihrer Speisen und Getränke massiv erhöht, was sich wiederum viele Kunden nicht mehr leisten konnten oder wollten.

Doch nun scheint sich ein Hoffnungsschimmer abzuzeichnen: Die neue Bundesregierung, die seit Anfang Mai die Geschicke der Bundesrepublik lenkt, wird ab 2026 den Mehrwertsteuersatz bei Speisen, die im Wirtshaus verzehrt werden, von 19 auf dann sieben Prozent senken. Eine Forderung, die die Branche seit Jahren erhebt.

Wird dann also das Schnitzel in der Wirtschaft wieder günstiger?

Eher nicht, wie Dr. Thomas Geppert, Geschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, klarstellt. Im Gespräch mit dem OVB spricht der 43-Jährige, der für die CSU auch im Bad Aiblinger Stadtrat sitzt, aber nicht nur über den Schnitzelpreis, sondern auch über den Wunsch nach Bürokratieabbau und einen „historischen Fehler“ im Umgang mit ukrainischen Flüchtlingen.

Hotellerie und Gastronomie sind gefühlt seit Jahren in der Dauerkrise. Wie geht es der Branche denn wirklich?

Insgesamt ist das Gastgewerbe derzeit schon belastet. Wir haben enorme Herausforderungen. Das liegt daran, dass das Gastgewerbe sehr personalintensiv ist, was sich unter anderem in den hohen Personalkosten widerspiegelt. Digitalisierung oder der Einsatz von Robotern beziehungsweise KI ist nur bedingt möglich. Ein Beispiel: In der Gastronomie werden sechsmal mehr Menschen gebraucht als im Einzelhandel, um denselben Umsatz zu erzielen.

Sieht es in der Hotellerie genauso aus?

Nicht ganz, in der Gastronomie sieht es einen Tick schlechter aus. Wir haben jetzt die ersten Quartalszahlen bekommen, demnach hat der reale Umsatz in der Gastronomie nochmals abgenommen. Dort gehen die Umsätze runter, die Gewinne sind ohnehin schon – beispielsweise aufgrund der Energiekostensteigerung, der Personalkosten und der gestiegenen Lebensmittelpreise – weggeschmolzen. Im Top-Segment des Hotelgewerbes, in dem die Verbraucher auch nicht so preissensibel sind, geht es hingegen noch einigermaßen. Aber ab dem Drei-Sterne-Niveau sowie darunter, da tun sich die Unternehmen schwer. Was sich einfach bestätigt: Wenn die Gesamtwirtschaft schwächelt, dann schwächelt auch das Gastgewerbe.

Macht Ihnen denn der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung, die seit Anfang Mai im Amt ist, Hoffnung auf Besserung?

Ja, denn die Senkung der Mehrwertsteuer für Speisen vor Ort von derzeit 19 auf dann sieben Prozent ist für uns das Herzstück des Ganzen. Es bedeutet für den Gastwirt, dass vom Umsatz zwölf Prozentpunkte mehr als Ertrag bleiben. Das ist existenziell, um die gastronomische Vielfalt in unserem Land zu erhalten. Wir sprechen ja seit Jahren von einer Amerikanisierung der Gastronomie. Das heißt, es gibt für ganz wenige die Spitzengastronomie, für den Rest dann Systemgastronomie und die nur an Stellen, wo viel los ist. Das wollen wir nicht, schließlich zeichnet uns die bayerische Wirtshauskultur aus. Und hier wird die Mehrwertsteuersenkung vielen Betrieben helfen. Zumal sie endlich dazu führt, dass To-Go-Angebote, Lieferdienste und auf der anderen Seite Gaststätten, in denen die Gerichte im Sitzen verzehrt werden, dann gleichbehandelt werden.

Das hört sich aber jetzt nicht danach an, als ob der Kunde davon profitieren wird. Konkret gefragt: Können die Bürger damit rechnen, dass ihr Schnitzel im Wirtshaus vor Ort dann ab 2026 günstiger wird?

Es wird wahrscheinlich weniger teurer werden. Zudem kann sich der Bürger vor Ort dadurch zumindest relativ sicher sein, dass er sein Wirtshaus überhaupt noch hat. Die Mehrwertsteuerreduzierung war immer schon als Vorteil für die Betriebe angelegt, schließlich geht es dabei um die steuerliche Gleichbehandlung. Was ich mir vorstellen kann, ist, dass einige Wirte im Rahmen einer Mischkalkulation versuchen werden, vielleicht das ein oder andere Gericht zukünftig etwas günstiger anzubieten. Aber das muss jeder Betrieb für sich entscheiden. Letztlich ist dieses Mehr an Gewinn dazu da, dass die Betriebe wieder mehr in die Mitarbeiter und die Zukunft investieren, um dauerhaft existieren zu können.

Wenn die Gastronomie in die Mitarbeiter investieren will, dann müsste es ja in Ihrem Sinne sein, wenn der Mindestlohn – wie seit Langem diskutiert und vor allem seitens der SPD gewünscht – auf 15 Euro steigen könnte…

Ich lehne den Mindestlohn nicht ab, über die Höhe sollte aber eine unabhängige Kommission entscheiden. So steht es ja auch im Koalitionsvertrag. Das große Problem in Deutschland ist aber, dass wir ein Hochsteuerland sind. Wir haben mit die höchsten Bruttolöhne, leider aber auch die niedrigsten Nettolöhne. Das Grundproblem ist also, dass bei den Mitarbeitern am Ende zu wenig ankommt. Deswegen kann es nicht die Lösung sein, die Bruttolöhne permanent nach oben zu schrauben, weil sich dadurch nicht viel für den Mitarbeiter ändert. Außerdem muss man sehen, dass wir als Gastgewerbe allen Talenten eine Heimat geben, beispielsweise auch komplett Ungelernten, Menschen mit Handicap oder Menschen, die kein Deutsch sprechen. Was für diese Menschen eine riesige Chance ist. Wenn ich jetzt also den Einstiegslohn hochschraube, dann führt das letztlich dazu, dass die ganze Lohnkette zunimmt. Was wiederum dazu führt, dass ein Betrieb den ein oder anderen Mitarbeiter vielleicht gar nicht mehr beschäftigen kann. Da hätten wir in unserem Land nichts gewonnen.

Sie wohnen selbst in Bad Aibling, einer Stadt, die sich preislich, beispielsweise in puncto Mieten, mittlerweile schon sehr an München orientiert. Lässt es sich denn mit den aktuellen Löhnen im Gastgewerbe dort überhaupt noch leben?

Selbstverständlich, sonst hätten wir ja nicht die touristische Bedeutung, die wir haben. Zudem kann man sich im Gastgewerbe auch gut weiterentwickeln. Es gibt unzählige Qualifizierungsmöglichkeiten. Unser System ist eigentlich sozial so aufgestellt, dass es für jeden ganz gut passen dürfte. Derzeit haben wir ja sogar eher einen Kampf um die Mitarbeiter, den vor allem die personalintensiven Branchen wie das Gastgewerbe, der Gesundheitsbereich oder die Pflege austragen, die Mensch-zu-Mensch-Branchen eben. Und die Bedingungen bei uns sind nicht schlecht. Was sich auch dadurch zeigt, dass wir mittlerweile mehr Auszubildende haben als vor der Corona-Pandemie. Ich würde sogar so weit gehen und sagen: Unsere Branche ist hochattraktiv. Das Problem ist aber, dass uns die Inländer fehlen, die die Arbeit machen. Und deswegen ist ein qualifizierter Zuzug so wichtig. Und weil der Personalmangel derzeit so drängend ist, haben die Arbeitnehmer auch die Macht. Das heißt: Wenn ein Gastronom seine Mitarbeiter nicht anständig behandelt oder nicht anständig bezahlt, dann sind die einfach weg.

Jetzt muss ich aber doch noch einmal nachhaken: Ich höre da raus, dass aus Ihrer Sicht ein Mitarbeiter, der in einem Gastronomiebetrieb in der Region arbeitet, von seinem Verdienst leben kann.

Ja, das kann er auch. Es würden auch nicht so viele Menschen im Gastgewerbe arbeiten, wenn es nicht attraktiv vergütet würde. In Bayern arbeitet schließlich jeder 17. Erwerbstätige in Hotellerie oder Gastronomie – und die können alle davon leben. Und wir haben ja nicht nur den Lohn. Beispielsweise können wir Mitarbeitern auch Kost und Logis anbieten. Aber auch da gibt es schon wieder den Unterschied, zum Beispiel zu Österreich: Bei uns werden diese Dinge als geldwerter Vorteil besteuert. Ich verstehe nicht, warum man da den Mitarbeitern auch wieder an den Lohn gehen muss. Da darf sich der Staat nicht immer rausziehen und sagen, dass die Branche das selber klären muss. Nein, auch der Staat muss weniger davon abgreifen. Stichwort „Weg vom Hochsteuerland“.

Also liegt der Fachkräftemangel im Gastgewerbe nicht am Gehalt?

Nein. Zum einen fehlen Arbeitskräfte nicht nur im Gastgewerbe. Aufgrund unserer bevölkerungsdynamischen Entwicklung treten seit ein paar Jahren Jahr für Jahr mehrere Hunderttausend Menschen mehr in den Ruhestand ein, als junge ins Erwerbsleben nachrücken. Und das spüren alle Branchen. Egal ob ich Post vom Finanzamt bekomme, auf Polizei- oder Postfahrzeuge schaue, einkaufen gehe oder mit der Bahn unterwegs bin: Alle Branchen suchen händeringend neue Mitarbeiter. Und ich muss Sie auch in einem anderen Punkt korrigieren: Wir hatten mal einen Fachkräftemangel, gegen den man politisch zu wenig unternommen hat. Jetzt haben wir einen allgemeinen Arbeitskräftemangel. Ich muss es jetzt mal ehrlich ansprechen: Gefühlt lassen wir den, den wir nicht brauchen, ungehindert rein. Und den, den wir brauchen, dem legen wir alle Hürden auf, die es nur gibt. Warum ist es nicht möglich, einfach mal ein einfaches und pragmatisches Arbeitskräftezuwanderungsgesetz zu machen? Wer nachweisen kann, dass er einen Arbeitsvertrag hat, der darf hierbleiben. Da hat der Staat im Übrigen auch mit den ukrainischen Flüchtlingen einen historischen Fehler gemacht.

Inwiefern?

Indem er den Ukrainern Bürgergeld gegeben hat. Nicht, dass ich es ihnen nicht gönne. Tatsache ist aber: Als es das zu Beginn des Krieges noch nicht gegeben hat, hatten wir Hoteliers, die bis zu zehn Ukrainer beschäftigt haben. Die bekamen Lohn, lernten die deutsche Sprache und waren voll integriert. Dann kam die politische Entscheidung, dass die Ukrainer Bürgergeld beantragen können. Ab da haben von den zehn Beschäftigten acht den Arbeitsvertrag zurückgegeben. Da ist nicht der Ukrainer schuld, da ist der Staat schuld. Ja, wir haben externe Krisen wie Krieg oder die Pandemie, die wir nicht in der Hand haben. Aber die Sachen, die wir in der Hand haben, wie das Mitarbeiterproblem, müssen wir durch intelligenten Zuzug, Anreize hinsichtlich des Baus von Mitarbeiterwohnraum und Bürokratieabbau einfach angehen. Das ist unsere zeithistorische Herausforderung.

Noch eine kurze Rückkehr von der zeithistorischen Herausforderung ins heimische Wirtshaus: Was bestellen Sie dort denn am liebsten?

Mein Klassiker ist tatsächlich das Schnitzel. Gerne mit Pommes oder Bratkartoffeln, auch wenn meine Frau jetzt sagen würde, dass ein Salat dazu besser wäre (lacht). Ich bin aber auch ein Fan von eher außergewöhnlichen Gerichten, die man heutzutage nicht mehr so häufig auf der Karte entdeckt, früher aber ganz normal waren. Da geht‘s dann auch ums Thema Nachhaltigkeit – oder „Nose to tail“, wie man heute sagt, also ein Tier komplett zu verwerten.

Interview: Mathias Weinzierl

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