4500 Kilometer, 39 Tage und ein Wunder

von Redaktion

Am 23. April verschwand die mitgereiste Familienkatze Kira beim Urlaub der Familie Hermann im Achental. Eine groß angelegte Suchaktion blieb fast sechs Wochen ergebnislos, doch nun ist das schwarze Tier wohlbehalten aufgetaucht und in seine Heimat in Nordrhein-Westfalen zurückgekehrt. Eine Geschichte von wahrer Tierliebe, Überlebenswillen und spannender Rätsel.

Staudach-Egerndach – Die Anteilnahme war riesig, viele Menschen aus der Region wollten in den letzten Wochen bei der Suche nach der im Achental verschwundenen Familienkatze Kira helfen. „Bei uns in Geisenkam, Samerberg, treibt sich seit einigen Tagen eine schwarze Katze mit weißem Brustfleck herum. Sie ist verletzt und sehr scheu, weswegen alle Einfangversuche bisher misslungen sind“, schrieb eine Frau an den OVB. Eine falsche Spur trotz optischer Ähnlichkeiten.

Immer wieder
flammt Hoffnung auf

Genau wie einige Tage später eine andere Nachricht: „Wir haben eine Katze im Tierheim Traunstein abgegeben, sie ist in unserer Arbeit in Ruhpolding zugelaufen. Orientierungslos, verletzt, ziemlich klein und ein Mädchen.“ Beim Auslesen des Chips stellte sich jedoch heraus, dass es sich nicht um die vermisste Kira handelte. Immer wieder flammte bei Familie Hermann aus Beckum in Nordrhein-Westfalen Hoffnung auf. Sie war fast erloschen, als auch eine Spur aus Aschau im Chiemgau im Sand verlief. Bis am Samstag (31. Mai) das Telefon klingelte.

Es war ein Anruf aus dem Gasthof zum Ott in Staudach-Egerndach. Genau von jenem Ort also, wo die Eltern mit ihren beiden Buben (12 und 14) im April zum ersten Mal Urlaub in Bayern gemacht hatten. Dort hatte das Drama am 23. April gegen 10.30 Uhr begonnen, als die mitgereiste Katze Kira wohl über den Balkon des gemieteten Apartments verschwunden war. Und genau dort sollte es auch enden. „Sie haben uns berichtet, dass sie eine schwarze Katze im Keller gefunden haben“, erzählt Andreas Hermann dem OVB mit bewegter Stimme.

Aufmerksam war der Gastwirt durch die Bewegungsmelder geworden, die in den vergangenen Tagen immer mal wieder angeschlagen hatten. Also begab er sich auf die Suche nach einem Eindringling. „Sein Hund hat die Katze dann wohl aufgespürt“, so Andreas Hermann. Er bat den Hotelier, die verängstigte Katze zu fangen, um sicher zu gehen, dass es sich wirklich um ihr schwarzes Lieblingstier mit dem weißen Brustfleck und einem orangenen Halsband handelt. Also stellte der Mann aus dem Achental einen Käfig mit Futter in seinem Keller auf und die Falle schnappte zu.

Am Sonntag, 1. Juni, klingelte um 9.30 Uhr morgens erneut das Telefon bei den Hermanns mit der erlösenden Nachricht: „Er hat gesagt, dass es unsere Kira ist. Wir haben geantwortet: ‚Lasst sie im Käfig, wir kommen sofort.‘“ Schnell wurde noch Essen für die beiden Jungs der Familie für den ganzen Tag vorbereitet, dann setzten sich die Eltern Andreas und Alena Hermann um 11 Uhr in Beckum in Nordrhein-Westfalen ins Auto. 19 Uhr abends hatten sie Staudach-Egerndach nach 750 Kilometer Fahrt erreicht.

„Der Hauswirt hat uns beim Gang in den Keller gesagt: Die ist wild, da braucht ihr Geduld. Aber sie hat uns sofort erkannt und wollte gestreichelt werden“, so Andreas Hermann mit bewegter Stimme. Bevor sie sich mit Kira auf den langen Weg zurück machten, entfernte das glückliche Paar noch viele der Suchzettel, die sie in Staudach-Egerndach aufgehängt hatten. Dann ging es noch einmal 750 Kilometer zurück.

Die müden Eheleute wechselten sich am Steuer des Autos ab und die Tour endete am Montag, 2. Juni, um 4 Uhr morgens in ihrem Heimatort zwischen Dortmund und Bielefeld. Wie gewünscht rechtzeitig, um den beiden Söhnen noch die Brote für die Schule zu machen: „Kira hat sich bei uns sofort wieder zu Hause gefühlt.“

Die Freude bei Kira, dem Hund der Familie und den anderen vier Hermanns war nach einer wahren Odyssee gigantisch. Insgesamt 4500 Kilometer war Andreas Hermann am Ende inklusive der letzten 1500 Kilometer für die Heimkehr von Kira gefahren. Alles hatte mit 1500 Kilometern mit der ganzen Familie für den Hin- und Rückweg in den Urlaub begonnen, der mit dem Verschwinden von Kira so unglücklich endete. Noch einmal 1500 Kilometer fuhr Andreas Hermann am langen Wochenende rund um den 1. Mai, an denen der Vater mithilfe vieler freiwilliger Helfer vier Tage lang jeden Stein in der Region auf der Suche nach der Familienkatze umdrehte. „Ich war auch mit zwei Helfern in dem Raum, in dem sie letztendlich gefangen wurde – aber wir haben sie nicht gefunden“, so Hermann ungläubig. Natürlich fragte sich nach dem Happy End nicht nur er, wie seine Katze die 39 Tage zwischen dem 23. April und 1. Juni äußerlich unbeschadet überstanden hatte. „Wir vermuten, dass sie die fast sechs Wochen im Keller verbracht hat“, so Hermann: „Ein Wasserhahn war defekt und tropfte. So hatte sie zumindest etwas zum Trinken.“

Richtig
abgemagert

Richtig abgemagert sei Kira nicht gewesen: „Natürlich war sie sehr hungrig und wollte etwas fressen, aber das war insgesamt nicht so dramatisch. Vielleicht hat sie ja ein paar Mäuse gefangen.“

Die erste Reaktion der Kinder sei jedenfalls gewesen, dass „Kira größer geworden ist“. Vielleicht gewachsen an der Überlebenserfahrung und der einzigartigen Liebe ihrer Besitzer. „Das ist ein Wunder. Genau an ihrem ersten Geburtstag haben wir sie zurückbekommen“, sagt die überglückliche Alena Hermann dazu.

Am 1. Juni 2024 waren im Schrebergarten ihrer Eltern drei kleine Kätzchen aufgetaucht, verlassen von ihrer Mutter. Die Familie versuchte sie mit einem Milchfläschchen aufzuziehen. Zwei Katzen überlebten ohne Muttermilch nicht, aber Kira schaffte das Wunder. Nun kam mit ihrem Wiederauftauchen das zweite Wunder dazu.

Was bleibt, ist bei den Hermanns ganz viel Dankbarkeit für die vielen Helfer in der Region. „Viele haben mit uns gefühlt und bei der Suche geholfen. Dafür möchten wir allen persönlich Danke sagen“, so Andreas Hermann. Er sagt, dass die Familie genau wegen all dieser Menschen wahrscheinlich auch wieder einmal ins Achental in den Urlaub fahren würde. Ob Kira dann noch einmal dabei sein wird, ist allerdings noch offen.

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