Kälber stolzieren an der Polizeiwache Wasserburg vorbei

von Redaktion

Rindviecher sorgen für ein kurioses nächtliches Abenteuer – „Cowboys in Blau“ helfen beim Einfangen

Wasserburg – Um 4.15 Uhr klingelte Pfingstsonntag bei Stadt- und Kreisrat Sepp Baumann das Telefon. Am Apparat: die Polizei. Gerade seien vier Kälber an der Wache vorbei stolziert, berichtete der diensthabende Beamte. „Ich dachte erst, das sei ein Fake-Anruf, doch dann sah ich die Telefonnummer und wusste: Das stimmt“, berichtet Baumann.

„Kein Witz“, beeilte sich auch der Polizist zu bestätigen. Er fragte Baumann, der bekanntlich in der Region Wasserburg jeden Kollegen aus der Landwirtschaft kennt, ob er eine Idee habe, wo die Tiere ausgebüxt seien. Hatte dieser, denn Fleckvieh, das es bis in die Burgau schaffe, das könnte von verpachteten Wiesen am Inn auf Gut Gern stammen, vermutete Baumann. Er hängte sich ebenfalls ans Telefon, um weiter nachzuforschen. So wurden in der Nacht gleich mehrere Bauernfamilien aus dem Schlaf gerissen, um bei der Detektivarbeit mitzuarbeiten. Doch die meisten waren ohnehin auf, denn es geht bekanntlich frühmorgens in den Stall.

Bei der Nachforschung kam Erstaunliches zutage, berichtete Baumann schmunzelnd. Die vier Rinder waren in der Tat aus dem Bereich von Gut Gern mitten in der Nacht über das Gelände des kbo-Inn-Salzach-Klinikums getrabt. Sie hatten, so Baumann, „ganz brav die Unterführung und den Radlweg genommen“, und waren dann weiter Richtung Burgau marschiert. Dort tauchten sie gegen 4 Uhr auf der viel befahrenen Münchener Straße auf. Die diensthabenden Beamten trauten beim Blick aus dem Fenster der Wache, die Richtung Staatsstraße hinausgeht, ihren Augen nicht, als sie die kleine Gruppe entdeckten. Baumann hat einen Verdacht, wohin die jungen Rinder wollten, die gar nicht mehr so jung waren und schon ein Gewicht von 300 bis 400 Kilo hatten: „Zum Wasserburger Frühlingsfest, über den Köbinger Berg hinunter“, ist der Reitmehringer überzeugt. Das Fest war zu dieser Zeit natürlich schon längst vorbei, was richtige Rindviecher vermutlich nicht wissen können.

Die feierwütigen Tiere wurden auf ihrem Weg in die Stadt jedoch gestoppt: Von Landwirten, die die Polizei Wasserburg zu Hilfe gerufen hatte, und „Cowboys in Blau“, die den Bauern beim Lasso-Dienst zur Seite standen. Die Tiere hatten es sich bereits auf einer Wiese bei Rottmoos gemütlich gemacht. Weide-Rinder sind nach Baumanns Erfahrungen in der Regel sehr folgsam, den Umgang mit Menschen gewohnt und bleiben in der Gruppe beieinander. Sie sind gut zu Fuß: 20 bis 30 Kilometer können Rinder marschieren, wenn es darauf ankommt, berichtet Baumann.

Er hat selber schon Erfahrung mit ausgebrochenen Tieren. Vor Jahren waren bei ihm sogar Rinder aus dem Stall verschwunden und über die B 15 davongelaufen. Alle wurden wieder eingefangen, doch ein Tier „ging mir danach ab“. Baumann fand es in Reisach, das Rind steckte in einem Moorgraben fest und musste aus dieser misslichen Lage befreit werden.

Bei Stalltieren sei es sehr wichtig, sie möglichst schnell einzufangen, weiß Baumann aus langer Erfahrung. Innerhalb kürzester Zeit könnten sie verwildern, anders als Weide-Rinder, die in der Regel beisammenbleiben würden und Abenteuer eher gewohnt seien. So auch im Fall am frühen Pfingstsonntag. Die vier Rinder fanden übergangsweise ein neues Zuhause, bis sie wieder den Besitzern eines Biohofs übergeben werden konnten. Heike Duczek

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