Monstrum Sabine stopft die Schienen

von Redaktion

Endspurt beim Bau der Westtangente: In der Nacht auf Dienstag fanden die letzten Arbeiten an der Bahnunterführung am Wernhardsberg statt. Im Einsatz war auch ein 170 Tonnen schweres Monstrum. Ihr Name: Sabine. Ein Baustellenbesuch.

Rosenheim – Sabine ist ein gelbes Ungetüm mit Feingefühl. Sie ist laut, knurrt manchmal, wenn ihr etwas nicht passt und hat die Männer vor Ort im Griff. Sie wiegt 169 Tonnen, ist knapp 44 Meter lang und ist der Grund, warum das Staatliche Bauamt in der Nacht auf Dienstag, 10. Juni, zum Pressetermin eingeladen hat. Treffpunkt ist um 2.30 Uhr an der Bahnüberführung am Wernhardsberg.

Projekt vor knapp 13 Jahren begonnen

Fröhlich begrüßt Bernhard Gehrmann die Medienvertreter. „Wir sind sehr gut im Zeitplan“, sagt der Gesamtprojektleiter der Rosenheimer Westtangente, während er orangefarbene Warnwesten verteilt. Vor knapp 13 Jahren hat man mit dem Bau der Westtangente begonnen, im Herbst 2025 soll das Projekt fertiggestellt werden.

Ein entscheidendes Puzzleteil dabei: Die Fertigstellung der Eisenbahnbrücke bei Wernhardsberg. Nach dem Abbau der Behelfsbrücke und dem Einschub der neuen Brücke erfolgten in dieser Nacht die Restarbeiten. Die Mittelfugen zwischen den Überbauten wurden fertiggestellt, anschließend die Arbeiten an den Schienen durchgeführt.

„Wir sind seit einer Woche jeweils von 22 Uhr bis 6 Uhr im Einsatz“, sagt Gehrmann. Die Bahnstrecke München-Rosenheim – eine der höchst frequentierten Eisenbahnlinien im transeuropäischen Eisenbahnnetz – ist während dieser Zeit im Abschnitt zwischen Ostermünchen und Rosenheim gesperrt. Insgesamt habe es über die Jahre im Zusammenhang mit dem Bau der Eisenbahnunterführung am Wernhardsberg 13 Sperrphasen gegeben. „In der Nacht auf den 10. Juni fand die finale Sperrung statt“, so der Gesamtprojektleiter.

Er beobachtet die Bauarbeiter, die einige Meter von ihm entfernt mit ihren Taschenlampen auf den Schienen unterwegs sind. Sie treffen die letzten Vorbereitungen, bevor Sabine um die Ecke biegt – eine sogenannte Universalstopfmaschine. „Dabei handelt es sich um einen speziellen Zug, der Schienen und Schwellen millimetergenau in die richtige Lage und Höhe bringt und die Gleisbettung verdichtet“, sagt der Gesamtprojektleiter.

In ganz Deutschland gibt es zwölf solcher Stopfmaschinen, zwei davon befinden sich in Süddeutschland. Beide sind derzeit in der Region im Einsatz – eine Maschine in Aßling, die andere an der Bahnüberführung am Wernhardsberg.

Letztere kommt jetzt mit einem lauten Brummen um die Ecke gefahren. Fasziniert beobachtet Bernhard Gehrmann das Vorgehen. Er selbst konnte sich an Bord der Maschine einen Überblick verschaffen, weiß, wie kompliziert die Steuerung für den Stopfmaschinen-Führer ist.

Schienen-Stopfer „Sabine“ wird von zwei Männern betrieben. Einer fährt, der andere sitzt in einer Art Cockpit und bedient die Stopfpickel. Auch aus gewisser Sicherheitsentfernung kann man die Arbeit der Maschine gut verfolgen. Zwei eiserne Greifarme der Maschine haken sich seitlich unter den Schienenköpfen ein und heben die Schienen-Schwellenkombination auf.

Kurz blinkt ein Licht neben der Fahrerkabine rot auf. Die Maschine hält inne und setzt einige Sekunden später ihren Weg fort. „Das kommt hin und wieder vor. Dann muss noch einmal neu angesetzt werden“, so der Gesamtprojektleiter weiter.

Was für den Laien durchaus spektakulär aussieht, ist für das Fachpersonal vor Ort reine Routine. „Es kann nicht mehr viel schiefgehen“, sagt Gehrmann. Nach 20 Minuten hat Sabine die rund 470 Meter zurückgelegt.

Beendet sind die Arbeiten jedoch noch nicht. Denn nur kurze Zeit später setzt sich ein weiterer Spezialzug, der Schotterpflug, in Bewegung. Dieser zieht den überschüssigen Gleisschotter ab. „Die Maschine stellt das Regelprofil her, damit die Züge mit ihren Auf- und Unterbauten dort ohne Einschränkungen fahren können“, ergänzt Gehrmann.

Er zeigt auf die Stellen, über die der Schotterpflug bereits gefahren ist und auf die, die noch ausstehen. Selbst als Laie erkennt man hier einen eindeutigen Unterschied. „Vor dem Schotterpflug sind Gleise wegen des Schotters kaum zu erkennen, auf der anderen Seite sieht es fast aus wie bei der Modelleisenbahn“, sagt der Gesamtprojektleiter.

Bahnverkehr
wieder freigegeben

Nach dem Einsatz der beiden Maschinen laufen die Bauarbeiter noch einmal die Gleise ab. Anschließend wird die Strecke für den Bahnverkehr freigegeben. Für Gehrmann und seine Kollegen ein Meilenstein. „Wir stoßen nachher mit alkoholfreiem Bier an“, sagt er und lacht. Im Juli folgt dann der nächste Schritt, dieses Mal unter der Brücke: Die Asphaltdecke wird eingebaut. Zwei Wochen soll das dauern. Danach ist das Ende einer langen Reise absehbar. Schutzplanken sind anzubringen, und die Beschilderung, Wildschutzzäune und die Markierungen warten auch noch auf die Mitarbeiter des Staatlichen Bauamts.

„Aktuell ist geplant, die Westtangente in der Woche des Schulanfangs feierlich zu eröffnen und für den Verkehr freizugeben“, sagt Gehrmann. Für den Mann, der Ende 2021 zum Projekt „Westtangente“ gekommen ist, endet dann eines der wohl größten Projekte seiner beruflichen Laufbahn.

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