Millionenbetrug im großen Stil

von Redaktion

Rosenheims Millionenpleite mit FlexiCamper: Nun wird sie aufgearbeitet. Ab dem heutigen Montag müssen sich vor dem Landgericht II in München Siegfried H. und seine Lebensgefährtin wegen einer Vielzahl von Betrügereien im Geschäft mit Wohnmobilen verantworten. Doch wo sind all die Millionen hin?

Rosenheim – Der Prozess um die Millionenpleite von FlexiCamper hat es in sich. Für die juristische Aufarbeitung des Crashs der Rosenheimer Wohnmobilfirma sind zunächst 25 Verhandlungstage angesetzt. Beeindruckend sind auch andere Zahlen dieses Prozesses: 26 Seiten umfasst die Anklageschrift, Dutzende und Aberdutzende von Menschen, Banken und Behörden wurden betrogen.

Und weit über sieben Millionen Euro beträgt die Schadenssumme allein der Fälle, die vor Gericht verhandelt werden.

Gewerbsmäßiger
Bandenbetrug

Ab dem heutigen Montag muss sich vor dem Landgericht München II – an der Nymphenburger Straße – das Führungsgespann von FlexiCamper verantworten: Siegfried H. und seine Lebensgefährtin Jessica K. Die Vorwürfe gegen die beiden wiegen schwer: Die Behörden werfen ihnen unter anderem gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor, dazu Kreditbetrug und Subventionsbetrug.

Schillernd ist vor allem Siegfried H. Der inzwischen 63-Jährige hat es geschafft, als Mehrfach-Pleitier großen Ausmaßes in die jüngere Wirtschaftsgeschichte einzugehen. 2016 war H. mit Europas größtem börsennotierten Agrarkonzern KTG pleite gegangen. Rund 12000 Anleger brachte er dabei um 350 Millionen Euro.

Noch während die Ermittlungen zu diesem Crash liefen, baute der abgestürzte Börsenheld zusammen mit seiner Lebensgefährtin ein neues Netzwerk von Agrarfirmen auf. Und er gründete FlexiCamper in Rosenheim.

Das Geschäftsmodell: Verleih und Verkauf von Wohnmobilen. Die Anzahlungen für Wohnmobile, die nie geliefert wurden, beliefen sich auf Millionen. Eine Kundin zahlte sogar 87000 Euro an. Für nichts als leere Versprechungen.

Den Betroffenen entstand nicht nur finanzieller Schaden: Für viele von ihnen platzte der Traum vom Reisen im Alter. Die demütigende Erfahrung, sich über den Tisch ziehen zu lassen, machte manche Menschen förmlich krank.

KTG und FlexiCamper: Diese beiden Großschadensfälle überlappten sich. Wenige Tage, nachdem FlexiCamper im Mai 2023 Insolvenz angemeldet hatte, stellte die Hamburger Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen Siegfried H. wegen des Verdachts auf Insolvenzverschleppung bei KTG ein – gegen eine hohe Geldauflage.

Die zahlte Siegfried H. dann auch – offenbar zum größten Teil mit Geld vom FlexiCamper-Konto. Schon 2002 war H. wegen Konkursverschleppung bei einer früheren Firma rechtskräftig verurteilt worden. Deswegen durfte er in den fünf darauffolgenden Jahren keine leitende Tätigkeit in einer Kapitalgesellschaft übernehmen. So günstig wird H. nun womöglich nicht mehr davonkommen: Ihm droht nach der jüngsten Pleite eine Haftstrafe. Seit November 2023 sitzen Siegfried H. und Jessica K. in München in U-Haft. Die Ermittlungen gestalteten sich schwierig, denn die Buchführung bei FlexiCamper war chaotisch, das Geschäftsgebaren absurd. H.s Rolle musste auch erstmal geklärt werden. Er muss sich nun verantworten, obwohl er keinen offiziellen Posten bei FlexiCamper hatte.

Denn die Ermittler sind überzeugt, dass Siegfried H. faktisch die Geschäfte führte, obwohl laut Handelsregister Jessica K. als Geschäftsführerin und Eigentümerin eingetragen war – quasi als Strohfrau.

Dass H. gleich eine Reihe von Banken anlog, um Kredite zu erlangen, dass er im großen Umfang Anzahlungen von Kunden einsammelte, für Wohnmobile, die FlexiCamper nie übergab: Was diese Vorwürfe angeht, hat H. laut einem Sprecher des Landgerichts seine Verantwortung eingeräumt. Doch wo sind all die Millionen hin? Insolvenzverwalter Klaus Martin Lutz aus Rosenheim geht bei 380 Betroffenen von über 13 Millionen Euro Schaden aus.

Wohin all das Geld versickert ist: Auch das gilt es in den kommenden Wochen herauszufinden.

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