Übergriff macht fassungslos

von Redaktion

Nach dem Einsatz in Bad Feilnbach, bei dem zwei Sanitäter angegriffen und verletzt wurden, ist die Fassungslosigkeit bei ihren Kollegen groß: „Diese Gewalttat hat für uns eine ganz neue Tragweite“, sagt Matthias Fischer von der Ambulanz Rosenheim. Dort versucht man, das Geschehen aufzuarbeiten.

Bad Feilnbach – Matthias Fischer von der Stabsstelle Unternehmenskommunikation der Ambulanz Rosenheim ist selbst Rettungssanitäter. Er kennt heikle Einsätze. „Aber das, was am Mittwoch passiert ist, hat für uns eine ganz neue Tragweite“, sagt er im Gespräch mit dem OVB. Ein vermeintlicher Routine-Einsatz, wie man ihn am Tag circa zehnmal habe, sei für die Rettungswagen-Besatzung aus Bad Feilnbach zu einem Albtraum geworden.

Die Situation eskalierte unvermittelt

Die Kollegen seien am vergangenen Mittwochnachmittag zu einem Notfalleinsatz im Ortsgebiet von Bad Feilnbach gerufen worden, „zur Unterstützung von Rettungskräften, weil der Zustand des Patienten so schlecht war.“ Doch völlig unvermittelt sei die Situation eskaliert. Laut Polizei Brannenburg kam es zunächst zu einer verbalen Auseinandersetzung mit der Mutter des Behandlungsbedürftigen. Dann habe der Freund der Mutter die Einsatzkräfte urplötzlich körperlich angegriffen.

Laut Polizei stieß der in Spanien wohnhafte Kubaner einen der Rettungssanitäter vor Ort mit einem Tritt die mehrstufige Treppe hinunter, während er den anderen mit einem Tritt und einigen Schlägen behandelte. Der genaue Hergang werde aktuell noch ermittelt, so die Polizei.

„Dieser brutale Übergriff geschah ohne Vorwarnung“, sagt Matthias Fischer. Mit den Tritten und Faustschlägen sei das Team regelrecht krankenhausreif geschlagen worden. Der Besatzung des Rettungswagens sei es gelungen, sich in ein Fahrzeug zu retten und den Notruf abzusetzen. Beide seien umgehend von weiteren Rettungswagen versorgt und mit Verletzungen zur stationären Behandlung in Kliniken in Bad Aibling und Rosenheim gebracht worden. Währenddessen konnten die alarmierten Kräfte der Polizei die Einsatzstelle sichern und den flüchtigen Täter festnehmen.

Aber auch bei den anderen am Rettungseinsatz Beteiligten hinterließen dieser unvermittelte Übergriff und vor allem dessen Brutalität Spuren. „Das macht natürlich etwas mit den Rettungskräften, wenn sie völlig unvermittelt auf einmal die eigenen Kollegen auf der Trage haben und sie in den Schockraum einer Klinik einliefern müssen. Sie wurden aus dem Dienst entlassen und werden weiterhin durch die Psychosoziale Notfallversorgung, die PSNV-E, betreut,“ schildert Matthias Fischer das Ausmaß der Folgen dieser Gewalttat. Man sei froh um dieses Angebot, das von den Kollegen dankbar angenommen werde.

Aktuell versuche man, das Geschehene aufzuarbeiten und zu rekonstruieren. „Mit den beiden Kollegen im Krankenhaus konnte ich bis jetzt noch nicht sprechen, aber sie brauchen auch erst einmal Ruhe“, so Fischer am gestrigen Freitag gegenüber dem OVB. Er hebt den extrem guten Zusammenhalt untereinander hervor, der die Ambulanz Rosenheim auszeichne. „Da springen auch sofort Kollegen ein, wenn Schichten ausfallen.“

Was ihn und die Kollegen noch umtreibt: „Wenn man morgens um 3 Uhr am Münchner Hauptbahnhof zu einem Einsatz gerufen wird, rechnet man vielleicht eher mit so etwas. Die Kollegen dort erleben häufiger solche Übergriffe, mit steigender Tendenz. Aber dass so etwas in einem Ort wie Bad Feilnbach möglich sein könnte, mitten am Tag und bei einem Einsatz, bei dem die Familie aktiv unter der Nummer 112 Hilfe herbeigerufen hatte – damit hat niemand gerechnet. Mir ist hier in der Region kein vergleichbarer Fall mit solch einem Ausmaß bekannt.“

Personalnot macht
zu schaffen

Zwar komme es bei Rettungseinsätzen durchaus manchmal zu Handgreiflichkeiten durch jene, denen man eigentlich helfen wolle, vor allem, wenn Alkohol im Spiel sei. Dieses Level jedoch habe man noch nie erlebt. Auch auf dem Rettungssektor habe man mit Personalnot zu kämpfen. Da bestehe schon die Gefahr, dass angesichts der sich mehrenden Übergriffe auf Helfer manch einer zu dem Schluss komme, sich derartigen Risiken nicht aussetzen zu wollen. „Jeder möchte doch am Ende des Tages wieder gut nach Hause kommen.“

Auf einen guten Ausgang setzt auch Ambulanz-Geschäftsführer Robert Schmitt, den die Brutalität dieses Angriffs ebenfalls fassungslos und betroffen macht: „Unsere Einsatzkräfte setzen sich tagtäglich für das Wohl anderer ein und werden immer häufiger selbst zur Zielscheibe.“ Schmitt lässt seine Mitarbeiter seit Jahren in Deeskalation und Selbstschutz ausbilden, damit sich die Einsatzkräfte im Ernstfall bestmöglich schützen können. Mit hunderten Mitarbeitenden ist die Ambulanz Rosenheim ein Teil der MKT-Firmengruppe und gehört zum öffentlichen Rettungsdienst im Freistaat Bayern.

Haftantrag gegen 38-Jährigen

Schmitt geht nun „von einem konsequenten Handeln der Justiz im Sinne unserer Rettungs- und Sicherheitskräfte aus“. Der Kubaner wurde durch die eingesetzten Beamten vorläufig festgenommen, vor allem, da er keinen festen Wohnsitz in Deutschland hatte, wie die Polizei Brannenburg mitteilte. Nach umfangreicher vorläufiger Ermittlung stellte die Staatsanwaltschaft Traunstein Haftantrag gegen den 38-Jährigen.

Im Beisein seines Anwalts und unter Hinzunahme eines Dolmetschers wurde der Beschuldigte am Donnerstag dem Ermittlungsrichter beim Amtsgericht Rosenheim vorgeführt. Dieser erließ einen Untersuchungshaftbefehl. Demzufolge wurde der Mann nach den Vorwürfen der gefährlichen Körperverletzung und des „tätlichen Angriffs auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen“, in die Justizvollzugsanstalt Traunstein eingeliefert.

Freundin erhebt Vorwürfe

Die abschließenden Ermittlungen werden durch die Polizeiinspektion Brannenburg geführt. Wie diese des Weiteren mitteilte, erhob die Freundin des Verhafteten indes Vorwürfe gegen einen der Rettungssanitäter und gab an, dieser sei sie körperlich angegangen. Auch dieses Ermittlungsverfahren ist bei der Polizeiinspektion Brannenburg in Bearbeitung.

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