„Haben unsere Sicherheit abgegeben“

von Redaktion

Interview Politikexperte Dr. Josef Braml erklärt Trumps Wirken bis in die Region

Rosenheim – Dr. Josef Braml ist Politikwissenschaftler und beschäftigt sich als USA-Experte seit Jahrzehnten mit der Weltmacht. Im Rahmen eines Vortrags im Rosenheimer Autohaus Unterberger warf er einen Blick auf die neuen Gefahren unter der Regierung von Donald Trump. Er erklärt im exklusiven OVB-Interview, warum der Präsident nur ein Symptom einer neuen Weltordnung ist, welche Rolle Russland spielt und welche Auswirkungen es für die Region geben kann. 

Donald Trump ist seit rund einem halben Jahr wieder der Präsident der USA. Wie sehen Sie die Folgen für Europa, Deutschland und die Region?

Trump beendet die alte regelbasierte Weltwirtschaftsordnung, die auf der Offenheit der Märkte beruhte. Jetzt gilt das Recht des militärisch Stärkeren. Militärmacht wird zunehmend genutzt, um wirtschaftliche Vorteile zu erzielen. Wirtschaft wird als Mittel zur Erreichung geostrategischer Ziele verwendet, insbesondere im Hinblick auf den Wettbewerb mit anderen globalen Akteuren wie China und Europa.

Was kann Europa dagegen tun?

Wir müssen und können dagegenhalten, im Handels- und auch im Finanzbereich. Weil, und das übersieht Trump, ein Haushaltsdefizit und ein Handelsdefizit nur zwei Seiten derselben Medaille sind. Das ist eine ökonomische Binsenweisheit. Solange Amerika über seine Verhältnisse lebt, wirtschaftet und rüstet, braucht es andere, die mehr exportieren, als sie importieren und die damit erwirtschafteten Mittel als Kredite geben. Wenn Trump die Handelsüberschüsse stoppt, erhält er auch keine Kredite mehr.

Und dieses Druckmittel reicht schon, um mit Trump auf Augenhöhe zu verhandeln?

Ja, denn Trump wird bemerken, dass die Waren in den USA teurer werden und die Zölle die Inflation befeuern. Zölle sind preistreibend, und da hat Trump einen Schwachpunkt, zumal er ja gewählt wurde, um die Inflation zu bekämpfen. Die Chinesen sitzen am längeren Hebel und wir tun es auch. Darum sollte Europa selbstbewusst in die Verhandlungen treten und seine Stärken zeigen, so was respektiert Trump. Es ist an der Zeit, sich von alten Abhängigkeiten zu lösen. 

Früher haben wir unsere Wirtschaftsinteressen geopfert, um im Gegenzug Sicherheit zu erhalten. Das war eine gängige Praxis. Heutzutage gibt es diese Sicherheitsgarantien jedoch nicht mehr. Wenn wir weiterhin so vorgehen, handeln wir uns selbst keinen Vorteil mehr aus.

Wofür sollten wir aus Ihrer Sicht diesen Vorteil nutzen?

Trump sieht, dass wir in den vergangenen Jahrzehnten unsere Sicherheit vernachlässigt und das Geld stattdessen für Sozialleistungen ausgegeben haben. Wir haben unsere Sicherheit in die Hände des jeweiligen Amtsinhabers im Weißen Haus delegiert. Doch auch Amerikas Mittel sind begrenzt. Die USA können sich einen Rüstungswettlauf mit China, das sich zusehends mit Russland verbündet, nur begrenzt leisten.

Und können deswegen auch keine Sicherheit mehr für Deutschland garantieren?

Trump versucht, Putin aus der Umarmung Chinas wieder herauszuholen. Und was ist der Preis? Unsere Sicherheit! Erst überlässt er Putin die Ukraine. Das reicht aber noch nicht für Putin. Als Nächstes wird auch unsere Sicherheit verhandelt. Deswegen, meine ich, brauchen wir unter anderem auch gemeinsame Schulden, um uns als Europäer selbst militärisch und wirtschaftlich zu ertüchtigen. Denn auch Putin respektiert nur Stärke. Militärische Stärke ist nötig, um mit ihm auf Augenhöhe verhandeln zu können.

Was würden Sie Unternehmern, speziell auch in der Region Rosenheim, raten?

In Hightech- und militärisch relevanten Bereichen ist es ratsam, den chinesischen Markt aufgrund der zunehmenden Spannungen mit den USA zu meiden. Denn dies könnte Geschäftsbeziehungen mit den USA dauerhaft stark beeinträchtigen. Die zukünftige amerikanische Außenpolitik bleibt schwer vorhersehbar, aber die Rivalität mit China besteht fort. Einschränkungen könnten daher Unternehmen betreffen, die aus China beziehen oder dort Beziehungen haben, einschließlich Lieferketten aus Taiwan, Korea und Japan. 

Wenn nicht USA oder China, welcher Markt sollte im Blick sein?

Europa, der europäische Binnenmarkt wird überlebenswichtig. Die alte Weltordnung ist vorbei. Trump ist nur ein Symptom, nicht die Ursache. Der liberale Konsens ist tot. Wir sind fast im Merkantilismus, wo Wirtschaft als geostrategische Waffe genutzt wird, anstatt als Ziel von freiem Handel. Eine vollständige Unabhängigkeit von China und den USA ist eine Illusion, aber Europa kann souveräner auftreten.

Interview: Korbinian Sautter

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