Rosenheim – Am gestrigen Montag wurde es an der Nymphenburgerstraße in München gefühlvoll. Es flossen Tränen. Siegfried H. bestätigte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft in der Angelegenheit um die FlexiCamper-Pleite im Großen und Ganzen. Mit brechender Stimme sprach er von seinem Bedauern, „dass Menschen durch mein falsches Verhalten zu Schaden gekommen sind, vor allem die Wohnwagenkäufer“.
Der kräftige Mann wurde von Schluchzern geschüttelt, seine abschließenden Worte waren kaum zu verstehen. „Ich möchte mich bei allen Geschädigten und auch bei dir, Jessica, entschuldigen“, sagte er, zu seiner Partnerin gewandt.
Geständnis hilft
den Angeklagten
Auch Jessica K., formal Geschäftsführerin des Pleite gegangenen Unternehmens mit Sitz in Rosenheim, zeigte sich vor Gericht zerknirscht. Bei Siegfried H.s Geständnis hatte sie immer wieder die Augen mit einem Papiertaschentuch abgetupft. Nun beichtete sie selbst, merklich angefasst. Sie bereue zutiefst, was geschehen sei, sagte sie. Sie übernehme Verantwortung dafür, dass sie den Banken Lügen aufgetischt hatte, um Kredite für das abstürzende Campingmobil-Unternehmen zu erlangen. Ebenso wie Siegfried H. sei sie der Hoffnung gewesen, dass erst Corona die Krise herbeigeführt habe, eine Besserung der Lage also möglich sei. Siegfried H. brach nochmals eine Lanze für sie und versuchte die Mitangeklagte zu entlasten. Er habe in Wahrheit alle Entscheidungen getroffen, sagte er, „ich saß im Fahrersessel.“
Ihre Geständigkeit, auch H.s Wille, den Schaden zumindest teilweise zu milden – so geschehen in zwei Fällen – dürfte sich für Siegfried H. und Jessica K. auszahlen. In einem Rechtsgespräch über Mittag einigten sich die Prozessparteien darauf, eine Verständigung anzustreben. Damit könnte der Prozess wesentlich kürzer ausfallen als gedacht. Und auch aufs Strafmaß wirken sich die Geständnisse der beiden FlexiCamper-Unternehmer möglicherweise aus: Nach ersten Annäherungen im Rechtsgespräch dürfte Siegfried H. eine Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten bis zu viereinhalb Jahren und Jessica K. eine Strafe von zweieinhalb bis dreieinhalb Jahren erhalten.
Gestern Vormittag schwirrten zunächst Zahlen durch den Saal B266 an der Nymphenburger Straße in München. Jahreszahlen, Summen getunter Bilanzen, Kredite, Schulden, Verluste, Paragrafen und Auto-Kennzeichen, dazwischen knappe Tatvorwürfe, in der Hauptsache mutmaßlicher Betrug in vielen Fällen und auf viele Arten.
Mit fast schon monotoner, kühler Stimme trug Staatsanwalt Vogt die Anklage vor, vor allem aber in zungenbrecherischem Tempo. Trotz der hohen Geschwindigkeit benötigte der Ankläger 75 Minuten, bis er den Fall
FlexiCamper umrissen hatte. Im Wesentlichen handelte es sich darum, dass sich seit 2019 Siegfried H. und seine Partnerin Jessica K. immer tiefer in Schwierigkeiten ritten. FlexiCamper geriet schnell ins Trudeln, Löcher stopften die beiden, indem sie woanders noch größere Löcher aufrissen: mit dem dreimaligen Antrag auf Corona-Hilfen, mit Krediten bei Banken, aber auch mit Anzahlungen von Kunden für Wohnmobile, die sie nie erhalten sollten. Im Mai 2023 meldete FlexiCamper Insolvenz an. Viel zu spät, wie der Staatsanwalt den beiden Angeklagten vorwirft.
Was sich für Betroffene wie ein perfides Schneeball-System anhören mag, schilderte die Verteidigung sozusagen als unternehmerisches Scheitern aufgrund von Pech, Naivität und unzulässiger Rettungsaktionen. FlexiCamper sei mitnichten ein „Vollbetrugssystem“ gewesen, betonte Rechtsanwalt Dominic Reitner. Siegfried H. habe sich im Dezember 2024 bereit erklärt, volle Verantwortung übernommen, er helfe bei der Aufklärung, sei kooperativ und geständig. Es gebe kein Betrugskonstrukt zur persönlichen Bereicherung. FlexiCamper sei vielmehr am Anfang solide gelaufen, erst dann in Schieflage geraten. „Und dann wurden mehrere rote Linien überschritten beim Versuch, das Unternehmen doch noch zu retten.“ H. habe selbst Privatvermögen eingebracht, auch sein Haus, er habe alles verloren.
Angeklagte
bleiben in U-Haft
Das Gericht gab den Prozessbeteiligten Akten wie Vernehmungsprotokolle der Polizei zum sogenannten Selbstleseverfahren mit. Auch das ist gängige Praxis, um einen Prozess zu beschleunigen. Eine Aussetzung der U-Haft kommt wohl nicht in Frage. Dies sei nicht Bestandteil einer Verständigung, sagte Richter Manfred Meixner.
Ausschlaggebend für die Zurückhaltung des Gerichts in diesem Punkt: offenbar das vorangegangene Verhalten der beiden Angeklagten. Siegfried H. war zur Tarnung öfter unter anderem Namen aufgetreten – auch unter dem seiner Ex-Frau. Seine guten Beziehungen in osteuropäische Länder sprechen ebenfalls gegen eine Aussetzung der Haft. Jessica K. wiederum hatte Unterlagen geschreddert und E-Mail-Verläufe gelöscht.
Einigung auf
eine Verständigung
Dennoch scheint man bereits am ersten Tag einen Schritt weiter zu sein. Man habe sich darauf geeinigt, eine Verständigung anzustreben: So könnte man das gut zusammenfassen, meint Rechtsanwalt Peter Wagner, der Jessica K. vertritt. Aus Sicht der Verteidigung ist der erste Tag offenbar gut verlaufen. Man könne nicht exakt sagen, dass ein Geständnis so viele oder so viele Jahre Strafnachlass ergebe, sagte Wagner. Aber: „Es wirkt sich im Rahmen der Strafzumessung sicherlich aus.“