Ausgezeichnet

„June“ – Ein neuer Stern am Chiemsee

von Redaktion

Der Chiemgau wird immer mehr zum Gourmet-Hotspot. Mit dem „June“ von Spitzenkoch Rico Birndt in Übersee gibt es seit Dienstagabend ein weiteres Sterne-Restaurant in der Region – und das gleich in zwei Michelin-Kategorien. Birndt erzählt dem OVB seine unglaubliche Geschichte der vergangenen Monate.

Frankfurt am Main/Übersee – Die Feiernacht der Michelin-Sterne war lang, trotzdem wirkt Rico Birndt am vergangenen Mittwochvormittag am Telefon schon hellwach. Das hängt auch damit zusammen, dass er mit seinem Team noch nach Nürnberg weiterfahren will. Die Party geht in eine kurze Verlängerung („Ab Donnerstag wird wieder brav gekocht“), aber das hat auch einen besonderen Grund. Birndts Restaurant „June“ am Chiemsee in Übersee ist bei der Michelin-Gala im Gesellschaftshaus Palmengarten in Frankfurt/Main gleich in zwei Kategorien erstmals ausgezeichnet worden – mit einem der begehrten Sterne für seine außergewöhnliche Küche plus einem grünen Stern für Nachhaltigkeit.

„Werden nicht elitär
und 50 Euro teurer“

„Natürlich ist das ganz was Besonderes. Aber wir werden deshalb nicht elitär. Es wird sich nichts verändern, wir werden wegen des Sterns nicht 50 Euro teurer oder so“, erzählt Birndt dem OVB: „Meine Mitarbeiter sollen weiter mit den Besuchern schäkern und das Besteck für alle Gänge bleibt auf dem Tisch liegen. Die Gäste sollen weiter glücklich aus dem Restaurant rausgehen und wir wollen als Team Spaß haben.“

Das ist nicht nur einfach so dahingesagt. Diese Sätze beschreiben perfekt, wie der im Jahr 1992 geborene, noch sehr junge Chefkoch tickt.

Es war auch finanziell ein großes Wagnis, als er das zwischen FKK-Strand und Campingplatz am Chiemsee gelegene Restaurant vor gut einem Jahr eröffnete. „Wir mussten von Anfang an wirtschaftlich arbeiten, ich hatte keinen großen Investor im Rücken. Das ist ein Statement dafür, dass es auch ohne das große Geld geht“, sprudelt es aus Birndt heraus.

Dabei sind seine Preise für Gourmet-Köche moderat. Es gibt saisonale à-la-carte-Angebote. Ein Acht-Gänge-Menü kostet 82 Euro, bei zwölf Gängen ist man mit 112 Euro dabei. „Natürlich ist das immer noch viel Geld – aber wir sind jetzt in der Region und rund um München mit Sicherheit der preiswerteste Sterneladen“, sagt Birndt.

Beim Restaurant-Bau
selbst Hand angelegt

Er möchte nicht nur Luxus-Kundschaft, sondern vor allem Leben in seinem Herzens-Restaurant. Natürlich hagelt es nach der Sterne-Krönung jetzt neue Bestellungen, aber laut Birndt werde auch in Zukunft immer mal Platz für spontane Gäste sein.

Schon vor dem Start hatte er im „June“ selbst Hand angelegt, schliff die vom Vorgänger übernommenen Tische ab, baute die Theke selbst und verlegte mit der Familie den Holzboden. Auch in der Küche ist er dafür berühmt, mit seinem Team fast alles selbst zu machen. Da wird Spargel fermentiert, Sojasauce oder Apfelessig selbst produziert, grüne Erdbeeren eingekocht und vom Baum vor der Tür Traubenkirsch-Sirup gezaubert.

Fast alles in der Küche kommt tatsächlich regional aus dem Chiemgau. „Bei mir ist alles extrem auf das Produkt reduziert, aber mit einem kreativen Überraschungsmoment. Zum Beispiel steht Romana-Salat in Eiswasser oder Lauch auf der Karte – und die Gäste sind immer überrascht, wie gut das schmecken kann“, berichtet Birndt.

„Ich verwende konsequenterweise auch keine Zitronen oder Orangen. Kumquats gibt es nur deshalb, weil ich zur Hochzeit einen Baum geschenkt bekommen habe und die Früchte verwende“, erzählt er mit einem Grinsen.

Die Liebe als
Basis für alles

Vor fünf Wochen hat Rico Birndt geheiratet. Seine große Liebe aus Übersee, die auch entscheidend dafür verantwortlich ist, dass er genau hier gelandet ist. Der Spitzenkoch stammt eigentlich aus Kirchanschöring im Rupertwinkel. Von dort machte er sich auf in die weite Welt des Gourmet-Kochens. Birndt lernte im Sheraton-Hotel in Salzburg, über Stationen in Top-Restaurants in Deutschlands landete er auf der dänischen Insel Bornholm und später sogar in Neuseeland.

Als er gerade dort in Auckland am anderen Ende der Welt war, gab es auch den ersten Versuch seiner Mama, ihn genau in sein heutiges Restaurant am Chiemsee zu locken. Damals hieß das Traditions-Gasthaus noch „Schwögler am See“. „Bub, das ist das richtige Lokal für Dich“, sagte sie.

Doch Birndt wollte zunächst nicht zurück in die Heimat. Erst Corona brachte ihn aus Übersee zurück nach Bayern – nach Übersee am Chiemsee, allerdings mit einer Zwischenstation. Im „Mural Farmhouse“ in München erkochte sich Birndt seinen ersten Michelin-Stern plus den grünen für Nachhaltigkeit.

„Ein unglaublicher
Gücksgriff“

Doch er wollte etwas ganz Eigenes aufbauen – deshalb traf er sich nach einem Hinweis seiner Frau irgendwann doch auf ein Bier mit dem Schwögler-Besitzer, seinem heutigen Verpächter. „Es war ein unglaublicher Glücksgriff, man bekommt ja sonst nix am Chiemsee. Wir beide verstehen und respektieren uns trotz unseres Altersunterschiedes blendend“, erzählt Birndt, der drei seiner einstigen Mitarbeiter aus München an den Chiemsee „entführt“ hat.

Die Eröffnung seines Restaurants „June“ war quasi der Startschuss der wirklich unglaublichsten Glücksphase seines abwechslungsreichen Lebens. Sieben Wochen nach der Eröffnung wurden seine Zwillinge geboren („Die Selbstständigkeit und mein tolles Team geben mir auch genug Freiheit, für meine Kinder da zu sein“), in diesem Jahr folgten die Hochzeit und der doppelte Michelin-Sterneregen. Es läuft einfach bei Rico Birndt, könnte man sagen.

Kein Schnitzel –
dafür aber Sterne

Aber warum heißt sein Restaurant eigentlich June – englisch für Juni? „Ich wollte, dass jeder versteht, dass es hier kein Schnitzel gibt. Und der Juni ist für mich der schönste Monat.“ Da ist es ja geradezu folgerichtig, dass das „June“ nun im Juni mit Sternen belohnt wurde.

Die Region ist ein Gourmet-Hotspot

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