Wenn Aktivisten am Hof mit anpacken

von Redaktion

Zwei Tage Stall- und Feldarbeit und ein Austausch auf Augenhöhe: Bio-Landwirt Andreas Gruber aus Kiefersfelden gibt Klima- und Tierwohlaktivisten im Rahmen einer Aktion Einblick in seinen Betrieb – und baut so Brücken zwischen Landwirtschaft und Menschen, die diese sonst oft kritisch sehen.

Kiefersfelden – Keine spektakulär neuen, aber andere Wege begeht der Bio-Bauernhof Gruber in Kiefersfelden, der jüngst an der bundesweiten Aktion „Hof mit Zukunft – Aktivismus trifft Landwirtschaft“ teilgenommen hat. Mit seinen Ideen und Überzeugungen zu landwirtschaftlicher Arbeit und deren Darstellung hatte sich Bio-Landwirt Andreas Gruber vorab für die Aktion qualifiziert und konnte so kürzlich zwei sogenannte Aktivistinnen auf seinem Betrieb willkommen heißen, die zwei Tage lang auf seinem Hof, Acker und Stall mit anpackten.

Mit der Aktion soll gegenseitiges Verständnis zwischen Landwirten und Aktivisten, die sich für eine tierwohl-orientierte und nachhaltige Landwirtschaft einsetzen, aufgebaut werden. „Auch ich sehe darin eine Herausforderung und habe schon seit geraumer Zeit in verschiedenen Verbänden Werbung für meine Art der Bio-Landwirtschaft gemacht“, erklärt Gruber.

Einblicke in das
Leben auf dem Land

An der, wie er sagt, „sicher nicht ganz einfachen Aktion“ mit den Aktivistinnen beteiligte er sich, weil er und seine Lebensgefährtin Charlotte Klein sich seit Jahren darum bemühen, den Menschen die Landwirtschaft wieder näher zu bringen. „Doch die Menschen in den Städten und Ballungszentren haben wir nicht so richtig erreicht – und daher dieser Weg. Jetzt haben wir mit den beiden Aktivistinnen, die für zwei Tage auf dem Hof mit anpacken, eine Zielgruppe gefunden, die in diesem Sinne als Multiplikator arbeitet.“

Die Landwirtschaft sei ein „komplexes Gebilde“, betont auch Grubers Lebensgefährtin Charlotte Klein. „Wir wollen, dass das auch begriffen wird. Wir arbeiten mit Öko-Systemen und wir wollen den Menschen Einblick in das Leben auf einem Hof geben.“ Die Landwirtschaft müsse den Menschen wieder nähergebracht werden. „Wir müssen weg von der werbewirksamen Anonymität“, so Klein.

Der Biohof Gruber kann auf eine lange Geschichte zurückblicken, auf dessen Fundament sich das Biohof-Konzept von Stefan Gruber erst entwickeln musste. „Unser Hof ist bereits seit mehreren Generationen im Besitz unserer Familie“, erzählt Gruber. 1985 wurde die Hofstelle im Dorfzentrum von Kiefersfelden aufgegeben und ein Aussiedlerhof am Ortsrand direkt am Kieferer See gebaut. „Der Neubau sollte auch der Start für eine neue Produktionsrichtung sein“, erklärt der Landwirt. So wurden von diesem Zeitpunkt an Milchziegen gehalten. Im Jahr 2000 trat der Hof dem „Biokreis Erzeugerring“ bei und wurde auf eine ökologische Bewirtschaftung umgestellt.

Heute bewirtschaftet Andreas Gruber im Tal Grünland sowie eine kleine Ackerfläche, mit deren Anbauprodukten die Tiere des Hofes gefüttert werden. „Außerdem treiben wir im Sommer unsere Rinder auf die Oberaudorfer Alm, wo sie den ganzen Sommer frische Almkräuter genießen können“, erklärt Gruber. Ziel ist es ihm zufolge, den Betrieb nachhaltig und tierwohlorientiert mit einem Hauptaugenmerk auf Direktvermarktung in die Zukunft zu führen.

Einblick in dieses Konzept konnten nun auch die beiden Aktivistinnen Natascha Niewiadomski, die Wirtschaftspsychologie studiert und beim Naturschutzbund Deutschland (NABU) aktiv ist, sowie Linda Rust, Studentin im Bereich Umwelt und Ökologie, während ihres zweitägigen Aufenthalts auf dem Hof gewinnen. Die beiden jungen Frauen reisten mit dem Zug aus Berlin und Dachau an.

Um 7 Uhr geht‘s
los mit Stallarbeit

Die Thematik ihres Praktikums war grob vorgegeben und nach einer kurzen Hofführung ging es am ersten Tag morgens um 7 Uhr auch schon los mit Stallarbeit. Danach führten die beiden Aktivistinnen auf der Oberaudorfer Alm zusammen mit der dortigen Gemeinschaft Pflegemaßnahmen auf Wiesen und Feldern durch. „Dabei haben wir auch das für die Tiere giftige Kreuzkraut ausgestochen, dazu eine kranke Kuh eingefangen und diese auch sofort behandelt“, erzählen die beiden. Sie halfen bei der Reparatur eines Radladers und bei der gezielten Erweiterung der Weideflächen, um den Tieren bessere und vor allem frische Weideflächen anbieten zu können.

Zurück auf dem Hof ging es dann ans Thema „Direktvermarktung“. „Da haben wir Fleisch mariniert, etikettiert und im eigenen Hofladen ausgestellt“, berichten die Aktivistinnen. Nach zwölf Stunden endete der erste Arbeitstag für die beiden – nicht jedoch für die Hof-Betreiber Andreas Gruber und Charlotte Klein.

Auch am zweiten Tag war frühmorgens um 7 Uhr die Nachtruhe rum und es war erst mal wieder Stallarbeit angesagt. Danach ging es auf die Weide, wo noch einige junge Schafe und Ziegen geschert werden mussten. Nach der „Neusteckung“ der Weide für die Kühe stand zudem eine umfangreiche Tierkontrolle auf dem Programm, um Aufschluss über den Zustand der Rinder zu bekommen.

Nicht nur für die beiden Aktivistinnen verging die Zeit wie im Fluge. Rückblickend bilanziert Linda Rust: „Wir haben einen Einblick in den praktischen Arbeitsalltag gewonnen und damit auch die andere Seite der Landwirtschaft kennengelernt. So konnten wir viele Vorurteile abbauen.“

Auch Natascha Niewiadomski zieht das Fazit, dass „der Abgleich der Konsumentensicht mit der Erzeugersicht sehr aufschlussreich“ war. Das Eintauchen in den Arbeitsalltag auf einem landwirtschaftlichen Betrieb habe gut geklappt. Und eines habe der direkte Austausch auch gezeigt: „Wir liegen nicht so weit auseinander in den Werten bei tierwohl-orientierter Haltung, Klimaschutz und nachhaltigem Wirtschaften. Da sehen wir viele Schnittmengen und gemeinsame Ziele.“

„Wir sollten mehr miteinander reden“

Die jungen Frauen konnten sich auch davon überzeugen, wie komplex Landwirtschaft ist: „Wir haben viel erfahren über Boden und Grünflächen.“ Für die Aktivistinnen war es wichtig, sich vor Ort eine Meinung zu bilden, „und nicht nur über Medien und Werbung“. Ihr Ziel ist es, dass wir alle Verantwortung übernehmen und die Landwirtschaft der breiten Bevölkerung näherbringen, auch über Hoffeste, mehr Offenheit beim Dialog zwischen Erzeugern und Verbrauchern und konstruktiven Austausch. Das Resümee der beiden Aktivistinnen: „Wir sollten mehr miteinander und nicht übereinander reden.“

Auch Biobauer Andreas Gruber zeigt sich begeistert von der Aktion und dem mit ihr einhergehenden Wissenstransfer: „Das hat uns zusätzlich motiviert. Denn je mehr Input des Einzelnen, umso besser der Umgang mit Andersdenkenden – und so manche Blockaden werden dadurch entfernt.“

Die Aktion „Hof mit Zukunft“

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