Traunstein/Rosenheim/Bologna – Überglücklich wird in diesen Tagen in Bologna eine Dame von um die 50 sein. Sie erhält lange schmerzlich vermisste Kunstgegenstände wie Skulpturen und Gemälde sowie zum Beispiel teure Designer-Handtaschen und verloren geglaubten Familienschmuck im Wert von insgesamt circa 50000 Euro aus einem Einbruch in ihr Haus zurück.
Vertreter der Staatsanwaltschaft Traunstein und der Kripo Rosenheim übergaben Angehörigen einer Spezialeinheit der italienischen Polizei für den Schutz von Kunst- und Kulturgegenständen am vergangenen Freitag am Grenzübergang Kiefersfelden mehrere Hunderte Einzelteile.
Gestohlene Kunst bis unters Autodach
Aufmerksamen Beamten der Bundespolizei Rosenheim war am 27. Juli 2023 am Autobahnübergang Kiefersfelden ein Renault Captur bei der versuchten illegalen Einreise aus Österreich/Italien aufgefallen. Bei der Kontrolle staunten die Grenzbeamten, war doch der Kleinwagen bis unters Dach mit Gepäck gefüllt. Die Insassen, zwei russische Staatsangehörige, gaben an, nach Berlin fahren zu wollen. Ihre Reisepläne endeten jedoch für längere Zeit in bayerischen Gefängnissen.
In den Gepäckstücken tauchten bei genauerer Untersuchung Hunderte von Einzelteilen auf. Offenbar grob aus Rahmen herausgeschnittene, alte Gemälde, unfachmännisch gefaltet, altes Silber, feine Porzellanfiguren, edler Erbschmuck, eine Kiste voller Silberbesteck, historische Münzen, hochwertige Damenhandtaschen, beispielsweise von Louis Vuitton und Prada, Pelzmäntel und -hüte sowie vieles mehr füllten letztlich eine 52-seitige Liste.
Die Männer wurden vorläufig festgenommen. Die Staatsanwaltschaft Traunstein mit ihrer Spezialabteilung zur Bekämpfung grenzbezogener Kriminalität nach dem „Traunsteiner Modell“ und das Kommissariat 10 der Kriminalpolizei Rosenheim wurden umgehend aktiv. Die mutmaßliche Diebesbeute wurde sofort sichergestellt.
Man hatte zunächst nur zwei tatverdächtige Männer und eine Unmenge mutmaßlich gestohlener Gegenstände. Die grenzübergreifenden Ermittlungen in Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaft Traunstein mit Oberstaatsanwalt Dr. Martin Freudling an der Spitze mit Kollegen in den Nachbarländern liefen an. Letztlich konnte der Fall in Rekordzeit aufgeklärt werden. Harald Wunderlich vom in Kiefersfelden stationierten „Kommissariat 10“ der Kripo Rosenheim berichtet: „Wir fanden in einer der Designertaschen die Quittung einer Bäckerei in Bologna, darauf die Telefonnummer einer Dame.“ Als die Fahnder dort anriefen, hatten sie die Geschädigte am Handy. Sie hatte den Diebstahl in ihrem repräsentativen privaten Stadthaus noch gar nicht bemerkt – da sie gerade in Urlaub weilte. Die Frau reiste sofort nach Bologna zurück. Glücklicherweise verfügte sie über zahlreiche Fotos der entwendeten Gegenstände und schickte sie an Harald Wunderlich.
Der Verdacht des Diebstahls gegen die unter falschen Namen nach Bayern eingereisten Russen bestätigte sich anhand der Bilder. Der Ermittlungsrichter am Amtsgericht Rosenheim erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft am 28. Juli 2023 Untersuchungshaftbefehle gegen die Fahrzeuginsassen. Die weiteren Ermittlungen der beteiligten Dienststellen in beiden Ländern gestalteten sich sehr schwierig, etwa wegen der Herkunft manch weiterer Gegenstände. Doch das bewährte Netzwerk funktionierte bestens. Das Ergebnis war: Die Stücke stammten aus Diebstählen und Wohnungseinbrüchen der beiden Männer vor Ende Juli 2023 in mehreren Orten Italiens, insbesondere in Bologna.
„Herausragende Arbeit“ der Polizei
Die Angeklagten landeten erst vor dem Schöffengericht Rosenheim, danach im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Traunstein. Rechtskräftig wurde das Urteil im Oktober 2024. Einer der Täter, ein vorbestrafter 43-Jähriger, erhielt unter anderem wegen Diebstahls, gefälschter Papiere, einem Drogendelikt und wegen Geldwäsche eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zwei Monaten. Sein gleichaltriger Mittäter kam mit einer zur Bewährung ausgesetzten Strafe von 20 Monaten davon.
Bei dem Übergabetermin im „Kommissariat 10“ herrschte nun beste Stimmung. Leitender Oberstaatsanwalt Dr. Wolfgang Beckstein betonte, die Bundespolizei, die Kollegen von der Polizei beider Länder als auch seine eigenen Mitarbeiter hätten „herausragende Arbeit“ geleistet. Die guten Kontakte zu den italienischen Strafverfolgungsbehörden hätten sich bezahlt gemacht. Zum ersten Mal könne man Kunstgegenstände in derartigem Umfang nach Italien zurückführen, hob Wunderlich heraus.
Ideeller Wert lässt
sich nicht beziffern
Oberstaatsanwalt Dr. Freudling fungierte bei dem Treffen als perfekter Dolmetscher. Major Carmelo Carraffa, Leiter der „Nucleo Carabinieri Tutela Patrimonio Culturale“ in Bologna, dem wichtigen, für die ganze Region zuständigen Kommissariat zum Schutz von Kunst- und Kulturgütern, war persönlich mit zwei Mitarbeitern angereist, um die wertvollen Dinge wohlbehalten zurückzubringen. Die Geschädigte freue sich schon sehr. Major Carraffa dazu: „Der ideelle Wert ihres Eigentums ist – unabhängig vom finanziellen Wert – nicht zu beziffern.“ Er informierte, im Ausland beschlagnahmte italienische Kulturgüter würden regelmäßig zurückerstattet. Man sichte regelmäßig ausländische Auktionskataloge.
Als Dankeschön überreichte der Major Leitendem Oberstaatsanwalt Dr. Wolfgang Beckstein, Oberstaatsanwalt Dr. Martin Freudling und Harald Wunderlich Wappen und Abzeichen seiner Spezialabteilung „Nucleo Carabinieri Tutela Patrimonio Culturale“. Danach verstaute die Delegation das gesamte Diebesgut in einen Diensttransporter und machte sich auf den Rückweg nach Bologna.