Rosenheim – Die Region Rosenheim ist Risikogebiet, was die Infektionsgefahr für Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) durch Zeckenstiche angeht. Hinzu kommt die regionunabhängige Gefahr, an Borreliose zu erkranken, wenn der Blutsauger sticht. Muss man sich jetzt auch noch vor einer Infektion mit dem Hasenpest-Erreger fürchten? Im Norden Münchens wurde jüngst bei zwei Menschen eine durch Zecken verursachte Tularämie-Infektion nachgewiesen.
Zwölf Fälle seit Meldepflicht-Einführung
Dem Gesundheitsamt Rosenheim wurden nach Mitteilung von Landratsamtssprecherin Sibylle Gaßner-Nickl seit Einführung der Meldepflicht am 1. Januar 2010 insgesamt zwölf Tularämie-Fälle gemeldet: neun Fälle aus dem Landkreis Rosenheim und drei Fälle aus dem Stadtgebiet Rosenheim. Mit einer Inzidenz von circa null bis einem Fall je 100000 Einwohnern handle es sich um eine sehr seltene Erkrankung. Auch habe es in den vergangenen Jahren „keine signifikante Zunahme der Fallzahl“ gegeben.
In den Romed-Kliniken sind einzelne Fälle aus der Vergangenheit bekannt. So berichtet Dr. Birgitt Mergen, Ärztliche Leitung Krankenhaushygiene und Klinische Infektiologie der Romed-Kliniken, auf OVB-Anfrage vom Fall einer Person, die sich vermutlich über die Hasen der Kinder infiziert hatte. „Eintrittspforte war eine offene Stelle im Bereich des Nagelbetts. Die Hasen selbst waren nicht erkrankt.“
Frühe Diagnose für Behandlung wichtig
Der Spezialistin zufolge ist die frühzeitige Diagnosestellung und Therapieeinleitung bei Tularämie elementar, um das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf und Komplikationen zu verringern. „Die Behandlung beinhaltet vor allem die Gabe von wirksamen Antibiotika über – in der Regel – 14 bis 21 Tage. Die meisten Erkrankungen verlaufen bei rechtzeitiger Therapie milde. Auch eine spontane Ausheilung ist möglich.“ In Einzelfällen könne es aber zu schweren Verläufen bis hin zu Todesfällen kommen. „Ein Risiko besteht beispielsweise bei spätem Therapiebeginn, Befall der Lunge und bei bereits vorher geschwächtem Immunsystem“, so Dr. Mergen.
Das Gesundheitsamt Rosenheim bestätigt: „Tödliche Verläufe treten sehr selten auf.“ Am meisten gefährdet seien ältere Menschen und Menschen mit einer Immunschwäche. Eine Lungenentzündung mit dem Subtyp F. tularensis ssp. tularensis könne unbehandelt in 30 bis 60 Prozent der Fälle zum Tod führen. Bei Infektionen mit dem in Europa auftretenden Subtyp F. tularensis ssp. holarctica komme es hingegen oft – auch ohne spezifische Therapie – zur erwähnten Spontanheilung.
Dem Robert-Koch-Institut (RKI) wurde in Deutschland im Jahr 2022 ein Todesfall übermittelt – „bei 68 Erkrankungen“, so eine Sprecherin des Institutes gegenüber dem OVB. 2021 seien bei 113 Erkrankungen zwei gemeldete Todesfälle als Folge einer Tularämie gemeldet worden. Da die Tularämie in Deutschland als selten auftretende Krankheit gelte, müsse die Quelle umfassend aufgeklärt werden, wenn mehrere möglicherweise zusammenhängende Fälle auftreten. Als natürliche Ursache für ein gehäuftes Auftreten der Tularämie können dem RKI zufolge infizierte Wildtiere (wie Hasen und Kaninchen), kontaminierte Gewässer oder Trinkwasserbrunnen, aber auch das gehäufte Auftreten von infizierten Spinnentieren sein, zu denen eben auch die Zecken zählen.
Winzige Mengen reichen für Infektion
„Da bereits die Inhalation von zehn Erregern ausreicht, kann eine Ansteckung auch durch Inhalation von kontaminierten Stäuben, beispielsweise beim Rasenmähen oder bei Heuarbeiten erfolgen“, warnt das Gesundheitsamt Rosenheim und weist darauf hin, dass es aufgrund der vielen Ansteckungsmöglichkeiten oft schwierig sei, eine eindeutige Infektionsquelle zu identifizieren.
In der Region keine Zunahme erwartet
Auch wenn die beiden jüngsten bekannt gewordenen Fälle in der Landeshauptstadt aufgetreten sind, so rechnet das Gesundheitsamt Rosenheim nicht mit einer Zunahme von Tularämie-Fällen in der Region: „Aktuell liegen uns keine Hinweise vor, die auf ein überregionales Ausbruchsgeschehen hindeuten.“
Kontakte mit Wildhasen kommen bei den meisten Menschen eher selten vor. Ob auch beim Umgang mit Stallhasen ein Infektionsrisiko besteht oder mit steigenden Zahlen gerechnet werden muss, dazu können laut Gesundheitsamt keine gesicherten Aussagen getroffen werden. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung konnte der Behörde zufolge bislang nicht nachgewiesen werden. Definitiv ausgeschlossen werden könne dies allerdings auch nicht.
Deutlicher Anstieg in vergangenen Jahren
Auch wenn die Tularämie beim Menschen trotz des Vorkommens des Erregers in der deutschen Feldhasenpopulation eher selten sei, weist das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit darauf hin, dass die Erkrankungsfälle zunehmen. Und nimmt Bezug auf die RKI-Daten, laut denen im vergangenen Jahr in Bayern 71 (in Deutschland 200) humane Tularämie-Infektionen gemeldet worden seien.
Heuer seien es der Tabelle zufolge bayernweit bis 23. Juni 14 (Deutschland: 44) gewesen. Zuletzt war die Zahl im Freistaat 2015 mit vier (Deutschland: 34) gemeldeten Fällen im einstelligen Bereich gewesen.