Rosenheim – Seit rund 25 Jahren ist Ralph Denk an der Spitze eines der mittlerweile größten Radsportteams der Welt. Was heute mit Red Bull-BORA-hansgrohe ein Millionengeschäft geworden ist, begann in Rosenheim mit einer einfachen Vision. Im exklusiven Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen spricht der erfahrene Teammanager über seine Anfänge, warum Fahrer derweil wie Aktien gehandelt werden und was es braucht, um irgendwann die legendäre Tour de France gewinnen zu können.
Was braucht es, um ein Team wie Red BullBORA-hansgrohe zu gründen und zu führen?
Eigentlich wie bei jedem neuen Unternehmen: Eine Vision und das nötige Startkapital. Als ich im Jahr 2000 begonnen habe, ein Team zu führen, war für mich klar: Ich will irgendwann im Radsport zu den größten und finanzstärksten Teams der Welt gehören.
Es geht darum, erstmal eine Vision und ein Konzept zu entwickeln. Erst dann spricht man die Sponsoren an und wenn die im besten Fall zusagen, dann hat man ein gewisses Startkapital. Dieses muss man dann möglichst effizient einsetzen. Ein Stück weit geht es in den Sportbetrieb, aber nicht alles. Es geht auch darum, Rücklagen für die Akquise weiterer Sponsoren aufzubauen oder Marketing zu betreiben.
Wie schwer ist es am Anfang, das Kapital zusammenzubringen, wenn einen noch niemand kennt?
Ich kann mich noch gut erinnern. Mein erster Sponsorenvertrag war über 10000 Mark von der Firma Werndl aus Rosenheim. Aus heutiger Sicht stellen wir für den Betrag wahrscheinlich nicht mal eine Spendenquittung aus. Aber aus damaliger Sicht war es für mich sehr, sehr viel Geld. Ich bin Klaus Werndl bis heute dankbar, dass er mir das Vertrauen geschenkt hat.
Mittlerweile reden wir bei dem Team von Millionen Euro. Können Sie eine Größenordnung nennen, was zum Beispiel der Einstieg von Red Bull ermöglicht?
Ich werde jetzt nicht über unser genaues Budget sprechen. Zumal ein Budget und Sponsoreneinnahmen auch nicht das Gleiche sind. Das durchschnittliche Budget in der Ersten Liga des Radsports, also in der Worldtour, beträgt 27 Millionen Euro. Und wir sind eines der Top-Teams.
Also deutlich über diesem Durchschnitt?
Wenn du – und das ist unsere Mission – eines der attraktivsten Teams werden willst, dann brauchst du natürlich auch eine entsprechende Finanzkraft. Auf der anderen Seite haben wir speziell in der Vergangenheit bewiesen, mit relativ schlanken Budgets trotzdem sehr viel zu erreichen. Und jetzt haben wir eben mit der Kooperation von Red Bull ein Stück weit andere Voraussetzungen.
Aber man muss auch dazu sagen, Geld alleine schießt keine Tore. Es geht auch darum, dieses Geld sinnvoll einzusetzen.
Was genau erachten Sie als sinnvoll?
Wenn man ein Radsportteam aus der wirtschaftlichen Brille anschaut, gibt es vier entscheidende Bereiche. Das ist einmal der Bereich Sport. Da geht am meisten der Budgets rein. Denn das durchschnittliche Gehalt der Fahrer in der Worldtour liegt bei knapp 400000 Euro. Das ist schon eine ordentliche Summe. Dann gibt es noch den Bereich Marketing. Weil die Partner natürlich eine gewisse Erwartungshaltung haben, dass über die Erfolge, die hoffentlich eintreten, auch berichtet wird. Dann gibt es noch den Bereich Commercial. Das heißt, neue Einnahmequellen entdecken, bestehende Partnerschaften pflegen, ausbauen oder neue akquirieren. Und der vierte Bereich ist Operations. Das betrifft die Logistik, die Materialverwaltung oder auch die IT.
Auf welchen Bereich konzentrieren Sie sich am meisten?
Wir haben für alle Bereiche die jeweiligen Experten. Für mich als CEO ist es wichtig, dass ich überall ein relativ gutes Basiswissen habe, um gewisse Entscheidungen zu treffen. Dafür ist es wichtig, dass man den Sport und das Business dahinter versteht.
Wie sehen Sie dieses Business mit den Fahrern an sich? Sind Sie aus geschäftlicher Sicht eine Art menschliche Ware?
Im Endeffekt kann man es schon ein Stück weit so sehen. Wir als Team haben natürlich immer den Anspruch, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bei einem Rennfahrer zu haben. Das heißt, ihn zum richtigen Zeitpunkt einzukaufen, zu entwickeln, vielleicht auch irgendwann zu verkaufen. Ein Stück weit kann man es auch mit der Börse vergleichen. Natürlich sind es immer noch Menschen und das Menschliche spielt im Sport eine große Rolle. Aber im Endeffekt ist es auch ein knallharter Markt, bei dem eigentlich jeder Profi auf höchstem Level von einem Management vertreten ist und dementsprechend verhandelt wird.
Wie schwer oder auch emotional sind solche Verhandlungen?
Das Business ist knallhart. Deswegen ist es entscheidend, dass wir ein attraktives Team haben und ein gutes Projekt für die Rennfahrer anbieten können. Dann ist es immer leichter, Fahrer zu akquirieren. Wenn du nicht so attraktiv bist, dann ist es natürlich schwer, vor allem sehr gute Fahrer zu verpflichten. Ich glaube, mit unseren Partnern sind wir da auf einem guten Weg.
Das Gehalt für die Fahrer der Worldtour haben sie angesprochen. Wie sieht es mit der Finanzierung darunter aus?
Es gibt für jede Liga ein Minimumgehalt. Bei der Worldtour liegt das bei 60000 Euro. In der Zweiten Liga, der sogenannten Pro-Liga, sind es 40000 Euro. Für weniger dürfen wir gar keine Fahrer verpflichten. Darunter liegen zum Beispiel die Nachwuchsteams. Das sind bei uns die Red Bull-BORA-hansgrohe Rookies. Sie sind registriert in der dritten Weltliga und hier liegen die Gehälter ungefähr auf FacharbeiterNiveau.
Ein weiterer Kostenfaktor sind die Rundfahrten wie die anstehende Tour de France. Wie viel gilt es denn dafür zu investieren?
Um ein automatisches Startrecht bei der Tour de France zu haben, muss man in einem Worldtour-Team sein. Um das zu betreiben, brauchst du finanzielle und organisatorische Minimalanforderungen, die von einer Lizenzierung Kommission geprüft werden.
Mit der Worldtour-Lizenz haben wir dann aber auch das automatische Startrecht. Das heißt, da ist kein extra Geld mehr nötig. Für die Rundfahrt selbst bekommen wir unsere Kosten größtenteils erstattet. Also Reisekosten, Hotelkosten und so weiter. Plus minus gehen wir mit einer schwarzen Null aus dem Rennen.
Zumindest was die Rundfahrt selbst angeht…
Stimmt. Das ist die Rohkalkulation ohne Werbewert. Mit Werbewert schaut es natürlich ganz anders aus. Läuft es sehr gut bei der Tour, generieren wir 80 Prozent des jährlichen Werbewerts. Läuft es nicht so gut, vielleicht 60 Prozent. Aber die Tour de France hat schon einen massiven Einfluss. Und deswegen ist das Rennen auch so wichtig für uns.
Was für eine Rolle spielt der Veranstalter der Tour, hinter dem die Amaurys – eine der reichsten Familien Frankreichs – stehen?
Der Vorteil als WorldtourTeam ist, dass sie uns mit dem automatischen Startrecht nicht ausladen können, egal wie gut oder schlecht wir im Vorfeld der Tour de France fahren.
Das war in der Vergangenheit anders, weil neben den 18 Worldtour-Teams auch fünf Wildcards für Zweitliga-Mannschaften verteilt werden. Wir sind aber auch als Zweitliga-Team schon dreimal die Tour de France gefahren. Und deswegen sind meine Beziehungen zur Amaury Sport Organisation und dem Renndirektor Christian Prudhomme recht gut.
Gut müssen Sie aber auch sein, oder?
Ja, das habe ich mir über die Jahre erarbeitet.
Wie sieht Ihre Vision für Ihr Team aktuell und langfristig aus?
Für die aktuelle Tour ist das leicht zu beantworten. Wir waren noch nie auf dem Podium in Paris. Das wäre schon mal der nächste Schritt. Langfristig wäre es natürlich mega cool, wenn wir irgendwann mal einen Tour de France-Sieger in unseren Reihen haben, der bei uns das Radfahren gelernt hat. Das wäre eine schöne Geschichte.
Ist das in naher Zukunft realistisch?
Das ist nicht so einfach. Dazu muss man zunächst das außergewöhnliche Talent finden und fördern. Wir wissen es selbst nicht, vielleicht haben wir ihn ja schon in unseren Nachwuchsklassen. Aber das ist alles Kaffeesatzleserei.
Irgendwann, glaube ich, haben wir auch einen Lucky Shot, eine Art Supertalent wie Tadej Pogacar. Dann dürfen wir ihn aber auch nicht gehen lassen.
Interview: Korbinian Sautter