Die Teufelin kapituliert vor dem Glauben

von Redaktion

Neubeuern – Die Physiotherapeutin und Schreinerin Johanna Krinninger spielt beim „Neubeurer Jedermann“ zum ersten Mal die Teufelin. Nur einen Auftritt hat der Teufel in der Geschichte von „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal, die dieses Jahr nach längerer Spielpause wieder von der Theatergemeinschaft Neubeuern in der bayerischen Fassung auf dem Marktplatz inszeniert wird. Aber einen Auftritt, der es in sich hat: Kurz bevor der Jedermann, ein Prasser und Weiberheld wie er im Buche steht, in die Himmelspforte eintritt, versucht der Teufel noch sein Glück. Er ist der Meinung, dass er ihm gehöre, mit Haut und Haar und bezeichnet ihn als Wuchergesell. Doch „Glaube“ und „Werke“ halten ihn auf.

Das Talent des
Mädchens erkannt

Der Teufel, so Johanna Krinninger, 49, die dieses Jahr zum ersten Mal in die Rolle des weiblichen Teufels schlüpft, sei der Einzige, der im Spiel die Wahrheit sage: „Es war immer schon meine Lieblingsrolle und ich wollte sie unbedingt spielen.“ Johanna Krinninger war bei den letzten Aufführungen die „Buhlschaft“, die Freundin Jedermanns, die es aber letztendlich nur auf sein Geld und sein Ansehen abgesehen hat. „Die Buhlschaft ist eine sehr anstrengende Rolle, dieses andauernde überkandidelte Betütteln, das Aufpassen, was rundherum geschieht, dass dem Jedermann ja keine andere zu nahe kommt. Eigentlich wie im richtigen Leben,“ meint die vierfache Mutter. „Der Jedermann ist ein typischer Mann, er will – wie alle Männer – immer im Mittelpunkt stehen. Wer es schafft, ihm dieses Gefühl zu vermitteln, ist sein Liebling.“ Das sei physischer und psychischer Hochleistungssport. „Das soll eine Jüngere machen!“

Mit dem Betütteln ist jetzt Schluss, sie kann ihre Lieblingsrolle spielen: den Teufel, oder besser gesagt Frau Teufel oder Teufelin. Eine Parallele haben die beiden Rollen: Am Ende bekommen sie nicht, was sie wollen. Die Buhlschaft kapituliert vor dem Tod und der Teufel vor dem Glauben.

Johanna Krinninger kam schon zu Schulzeiten zur Schauspielerei. Ihre Lehrerin an der Realschule Rosenheim, Renate Pröbstl aus Nußdorf, erkannte das Talent des Mädchens und förderte es. Später besuchte sie die Artemis-Schauspielschule in München, um sich profundes Schauspielwissen anzueignen. Nach der Schule machte sie zunächst eine Ausbildung zur Schreinerin. Doch es stellte sich heraus, dass sie unter einer Holzstaub-Allergie leide, so machte sie eine Ausbildung zur Physiotherapeutin. „Egal ob Schreinerin, Physiotherapeutin oder Schauspielerin: Man muss sein Handwerk können,“ sagt Johanna Krinninger. Und nicht nur das! Man müsse sich hineinfühlen, in das Material als Schreinerin, in den Patienten als Physiotherapeutin und in seine Rolle als Schauspielerin. Man müsse förmlich in die Gedankenwelt des Schauspielpartners auf der Bühne hineinschlüpfen, hundertprozentig textsicher und keinerlei Probleme bezüglich der Rolle haben. Wenn die Teufelin sagt: „Ich wollt, dass er im Feuer läg“, dann dürfe sie daran nicht den geringsten Zweifel haben und dies in der der Grausamkeit hinausschreien, so wie es auch gemeint sei. „Das ist das Tolle an der Teufels-Rolle, man kann so richtig verrücktspielen. Grausam und blutrünstig sein und nicht berechnend wie die Buhlschaft. Dem Jedermann die Seele aus dem Leib rausbeuteln, das Genick umdrehen, kurz gesagt umbringen für seine Protzerei und Prasserei, für sein Verführen und Ehebrechen, für sein Betrügen und Spielen.“

So viel Grausamkeit schreibt man wohl eher einem männlichen Teufel zu. Einem Mephisto, einem Höhlentier, einem archaischen Geschöpf, das keinerlei Skrupel hat. Doch auch teuflische Weiber hätten sämtliche Möglichkeiten der lustvollen Grausamkeit, als Furie oder Walküre, so Johanna Krinninger. „Die Teufelin beinhaltet alle Facetten der Spielmöglichkeiten.“ Sei das nicht der totale Gegensatz zu ihrem Beruf als Physiotherapeutin, in dem sie mit viel Gefühl auf ihre Patienten eingehen sollte? Johanna Krinninger arbeitet nach der Methode „Presence in Stillness“ nach Mike Boxhall, für die als wesentliches Kriterium das Herausnehmen der eigenen Person während der Behandlung ist. „Wir werden den Körper mit einem so tiefen und gegenwärtigen Gefühl des Bewusstseins berühren, dass seine Geschichte erzählt und gehört wird, bis hin zu seiner ursprünglichen Absicht,“ lautet die Aussage von Mike Boxhall. Johanna Krinninger sieht ihre Rolle als Teufelin auf der Bühne nicht als Gegensatz, ganz im Gegenteil. „Egal, was man macht, es geht immer um das Hineinfühlen.“

„Oft habe ich Patienten mit Sinn- oder Lebensfragen oder Angstpatienten, sowohl in der Klinik in Seebruck als auch in meiner eigenen kleinen Praxis. „Ich fühle den Patienten, was kann ich spüren oder sehen, was zu ihm kommen soll.“ Am Ende sei das, was sie tue, Handarbeit oder Handwerk, die Biomechanik in der Bewegung. Mit den Händen arbeiten sei ihr schon immer wichtig gewesen, egal ob Schreinerin oder Physiotherapeutin. „Wenn man ein guter Handwerker ist, kommt immer etwas dazu.“

In ihrem Fall sei das die Schauspielerei. „Es gehört extrem viel Bewegung und handwerkliches Können dazu, um eine Rolle gut zu spielen.“ Eine andere wichtige Theater-Rolle in ihrem Leben sei Karl Valentin, der sie mit seiner ironischen Logik fasziniere. Jahrelang habe sie diese Rolle zum Originalton als Schattenspiel aufgeführt. „Ich kann sehr krumm dastehen.“

Ihre neue Herausforderung als Teufelin im Neubeurer Jedermann sehe sie auch als eine Rolle, die sich sehr stark in der Bewegung ausdrücken lässt. „Da ich ein sehr bewegungssüchtiger Mensch bin, kommt mir das sehr entgegen.“

Das Kostüm
bleibt geheim

Ob nun auf die Bühne oder in den Behandlungsraum: alles mitnehmen, lautet die Devise von Johanna Krinninger. Die aktuelle Empfindung, die Unsicherheit, die Aufregung. Gepaart mit handwerklichem Können wird es ein guter Auftritt werden, da ist sie sich ganz sicher. In welchem Kostüm sie auftreten wird, verrät Johanna Krinninger nicht. Schließlich könne sich hinter jeder Frau eine Teufelin verbergen. Das ist vielleicht das einzige Geheimnisvolle an ihrer Rolle: Eine Teufelin erkennt man nicht auf den ersten Blick. Ob sie auch im richtigen Leben Teuflisches in sich trage? „Wohl jeder von uns in irgendeiner Form. Im richtigen Leben bin ich eher sanft und einfühlsam.“

Aufführungen

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