Unterreit – Die Idee ist ebenso simpel wie genial: Wo man unter gasdichten Ton-Deckschichten Erdgasblasen entdeckt und das Gas entnommen hat, kann man später durch entsprechende Bohrungen auch wieder Erdgas hineinpressen und dort im porösen Sandstein speichern, bis es wieder gebraucht wird. Damit ist aber auch klar, dass ein solcher unterirdischer Erdgasspeicher nicht, wie etwa ein Gaskraftwerk, irgendwo an einer Gaspipeline errichtet werden kann, sondern nur dort, wo entsprechende geologischen Voraussetzungen gegeben sind, wie zum Beispiel an den sehr ländlich gelegenen bayerischen Ortschaften Ober- und Unterbierwang in Unterreit im Landkreis Mühldorf.
Über 50 Jahre ist es nun her, dass die Ruhrgas AG die ausgeförderte Erdgaslagerstätte kaufte, um dort einen Gasspeicher zu errichten. Er nahm 1975 seinen Betrieb auf und entwickelte sich nach vier großen Ausbaumaßnahmen inzwischen zu einem der größten Porenspeicher Europas.
Halbes Jahrhundert
Erfahrung gefeiert
Dieses halbe Jahrhundert wurde nun groß gefeiert, und zwar auf bemerkenswerte Weise: Am Vormittag hatte man Ehrengäste, ehemalige und aktuelle Mitarbeitende und deren Familien eingeladen, am Nachmittag die Öffentlichkeit. Schon bei der morgendlichen Begrüßung, zunächst durch Doug Waters, dem Managing Director der „Uniper Energy Storage GmbH“, wie der Betreiber der Anlage nach einigen Umfirmierungen inzwischen offiziell heißt, wurde deutlich, wo der Konzern den Schwerpunkt seiner Jubiläumsfeier gelegt hat: „Im Mittelpunkt stehen die Menschen, die diesen Standort geprägt haben. Sie sind das Fundament unseres Erfolgs.“ Und wie sein Vorredner hob auch der örtliche Leiter der Anlage, Alexander Gez, in seinem Dank „die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit“ aller in jeglicher Form Beteiligten hervor und die „gute Nachbarschaft“ mit den Anwohnern in der Umgebung.
Dass dies nicht nur Höflichkeiten in einer Festrede sind, bestätigte der Unterreiter Bürgermeister Christian Seidl in seinem Grußwort und der ebenfalls anwesende Bürgermeister Alfons Mittermaier der Nachbargemeinde Taufkirchen, unter deren Gebiet übrigens der größte, allerdings unterirdische Teil des Gasspeichers liegt. Seidl berichtet im Gespräch beispielhaft von der engen Zusammenarbeit mit den gemeindlichen Feuerwehren bei Sicherheitsübungen, die auch durch personelle Verschränkungen gefördert wird, und von der sehr großzügigen finanziellen Unterstützung durch den Trägerkonzern bei der Anschaffung von Fahrzeugen – eine echte „Win-Win-Situation“ also.
Das sehr umfangreiche Rahmenprogramm für Groß und Klein und die umfassende Bewirtung zeigten darüber hinaus, dass die wiederholt verwendeten Worte „nachbarschaftlich“ und hinsichtlich des Betriebsklimas „geradezu familiär“ keine leeren Phrasen sind. Ein sehr guter Arbeitgeber ist Uniper sicherlich, wie nicht zuletzt viele Ehemalige bestätigen, ein großer eher nicht: Nur 37 Mitarbeitende sind in der hoch technisierten Anlage tätig, das allerdings zum Teil im Schichtbetrieb rund um die Uhr und an jedem Tag im Jahr.
Nach der Auftaktveranstaltung hatten die Gäste bei Betriebsführungen in Schutzkleidung die besondere Gelegenheit, die Anlage, die sonst Dritten nicht zugänglich, sondern in besonderem Maße geschützt ist, fachkundig und ausgesprochen freundlich und geduldig erklärt zu bekommen.
Der eigentliche Speicher ist zwar unterirdisch, was man aber an der Erdoberfläche sieht, sind die komplexen Ventile auf den bis zu anderthalb Kilometer tiefen Bohrlöchern, über die das Gas nach unten gepresst und bei Bedarf wieder entnommen wird, und die großen Hallen, in denen die gewaltigen Verdichter stehen: einmal die bewährten Kolbenkompressoren, die in ihren Zylindern das Gas komprimieren, dann die moderneren Turbinen.
Bei den Hallen stehen große Kamine, über die bei einem Störfall Gas abgefackelt werden könnte. Dann gibt es noch die Wasserabscheider, die dem Gas aus dem Erdspeicher die Feuchtigkeit entziehen, und die Gas-Erwärmer, denn wenn das unter sehr hohem Druck stehende Gas wieder dekomprimiert wird, kühlt es sich physikalisch bedingt sehr stark ab. Und das Ganze natürlich verbunden durch ein Labyrinth meist ziemlich dicker Rohre.
„Wir sind nur
eine Art Garage“
Gesteuert wird die Anlage von einer rund um die Uhr besetzten Leitstelle mit zahlreichen Bildschirmen, auf denen man die lokalen Daten und neben dem deutschen sogar das gesamteuropäische Gasnetz sehen kann. Von hier wird die Einspeicherung und die Gasentnahme gesteuert, um dieses Netz stabil zu halten. „Wir sind nur eine Art Garage!“, sagt Alexander Gez dazu scherzhaft.
Vor allem in den Sommermonaten wird von den Gasanbietern Erdgas eingelagert, das dann im Winter wieder bedarfsgerecht abgerufen werden kann. 800 Millionen Kubikmeter Erdgas können vor Ort unter einem extremen Druck von bis zu 145 bar gespeichert werden. „Damit könnte man eine Million Haushalte 1000 Jahre lang versorgen!“, erklärt der stellvertretende Leiter Frank Holschumacher vom Stammsitz in Düsseldorf, um dem Laien die Dimensionen der Anlage verständlich zu machen.
Erst die Ölkrise, dann
der Ukraine-Krieg
Und noch ein Blick in die Zukunft: Wurde der Speicher damals im Zuge der Ölkrise erbaut und 1975 in Betrieb genommen, um bei der Energie unabhängiger zu werden, so hat die Anlage durch den Krieg in der Ukraine und den damit verbundenen Boykott von russischem Erdgas für die nächsten Jahre erneut deutlich an Relevanz gewonnen. Das hatte auch bereits Landrat Max Heimerl in seinem Grußwort betont, in dem er sich bei seiner Gratulation zum Jubiläum im Sinne der Energiesicherheit klar zum Standort bekannte und auch ein noch zukunftsträchtigeres Thema anschnitt: die mögliche Verwendung als Wasserstoffspeicher.
Mögliche Nutzung als
Wasserstoff-Speicher?
„Technisch ist das ein sicherlich lösbares Problem“, erfuhr man bei der Führung, und die ersten Ergebnisse des „HyStorage“-Projekts, mit dem vor Ort die Nutzung als Wasserstoffspeicher erforscht wird, gelten als durchaus ermutigend. Aus Wasserstoff lässt sich zum Beispiel unter Verwendung des Treibhausgases CO2 wieder Methan, also „Erd“gas herstellen.
„Was wir aber fürchten“, hieß es weiter, „sind Aufwand und Kosten des Genehmigungsverfahrens, falls die Anlage für den Betrieb als Wasserstoffspeicher wieder komplett neu abgenommen werden muss.“ Letztlich wird also nicht nur die technologische Entwicklung, sondern auch der Bedarf an nachhaltigen Energieträgern und damit der Markt darüber entscheiden, ob solche Investitionen in Bierwang möglich und finanziell sinnvoll sind.