Milde Strafe im FlexiCamper-Prozess?

von Redaktion

Haben sich zehn, 15 Millionen Euro einfach in Luft aufgelöst? An Tag vier des Prozesses um die FlexiCamper-Pleite in Rosenheim bleiben die Wege des Geldes rätselhaft. Es zeichnet sich ab, dass die vielen Geschädigten am Ende nicht nur deswegen enttäuscht sein könnten.

München/Rosenheim – Wenn doch nur alles so ordentlich abgelaufen wäre wie in den vergangenen Prozesstagen am Landgericht in München. Jessica K. sitzt wie immer links auf der Anklagebank, Siegfried H. rechts von ihr. Beide haben je einen Leitz-Ordner vor sich liegen, darin Unterlagen in einem dicken Stapel, sorgfältig abgeheftet. Beide machen immer wieder Notizen. Übersichtlich und genau – wäre so die Geschäftsführung von FlexiCamper gelaufen, würden sich solche Fragen wie die folgenden sicherlich nicht stellen: Wer war für was zuständig an den Firmensitzen in Rosenheim und Rohrdorf? Und wo genau floss das Geld hin? 20 Millionen Euro können doch nicht einfach versickern.

Ausmaß der Pleite
ist erschreckend

Auch der erste Zeuge des vierten Tages konnte (wollte?) kein Licht in dieses große schwarze Loch namens FlexiCamper werfen. Ingo P., nach seiner Aussage mitverantwortlich für die Finanzierung der Wohnmobile, sprach gewandt von seiner Ahnungslosigkeit.

Das Geschäft habe ja geboomt, Mahnungen habe er auch nie gesehen, für ihn sei also alles soweit in Ordnung gewesen. In dem Moment, da er von der Insolvenz des Wohnmobil-Verleihers und Verkäufers erfuhr, sei er aus allen Wolken gefallen. Auch der Umfang der Pleite habe ihn geschockt. „Das Ausmaß, dieses wahnsinnige Ausmaß“, sagte P. „Was sich da aufgetan hat, war ein Abgrund von schlimmsten Schicksalen.“

Weniger überraschend war die Reaktion der so Geschädigten. „Wir haben uns von Kunden beschimpfen lassen müssen“, sagte P. „Ich habe mir Dinge anhören müssen, die ich hier ehrlich gesagt nicht wiederholen möchte.“

Siegfried H. und
seine Versteckspiele

Was erneut deutlich wurde: Siegfried H. verwischte Spuren seiner vorangegangenen Pleite. Davon wusste auch Zeuge P.

Kennengelernt habe er ihn im Jahr 2011, als Siegfried H. seinen Agrarkonzern KTG aufbaute, sagte der Zeuge. 2016 ging KTG jedoch pleite. Mit einem Schaden von möglicherweise 600 Millionen Euro. „Ich habe ihn danach gefragt, es wurde mir versichert, alles sei abgeschlossen.“ Auch als ihm eine Kollegin berichtet habe, dass Siegfried H. unter dem Namen seiner Lebensgefährtin auftrete, habe er sich nicht viel gedacht. „Ich kenne das Privatleben der beiden nicht, vielleicht haben die ja geheiratet.“ Er habe sich auf die Finanzierung konzentriert, sei in vieles nicht involviert gewesen: „Ich habe nicht gewusst, wie flexibel die Zahlen bei FlexiCamper gehandhabt wurden.“

Im Saal sitzen auch Betroffene. Spricht man mit ihnen, wird einem bewusst, dass es sich nicht um Zahlenspielereien handelt. Siegfried H. und Jessica K. haben – so, wie sie selber es am ersten Prozesstag einräumten – offenbar Straftaten begangen. Sie haben Menschen geschädigt, an der Psyche wie an der Brieftasche. Sie haben das offenbar mit einer gewissen Energie unternommen, und vor allem planvoll. „Der scheint das berufsmäßig zu machen“, meint ein älterer Herr, der bereits beim KTG-Crash Geld verloren hat.

Wie anders soll man es bezeichnen, wenn man erfährt, dass Siegfried H. immer wieder unter dem Namen seiner Lebensgefährtin oder seines Sohnes aufgetreten ist, um davon abzulenken, dass es sich bei ihm in Wirklichkeit um einen gerichtsbekannten Pleitier handelt? Nun könnte er von drei Jahren zehn Monaten bis zu viereinhalb Jahren Haft bekommen.

Betroffene würden strenger bestrafen

„Die Strafe fällt auf jeden Fall zu niedrig aus“, sagt Jürgen Deinhardt. Der Siegsdorfer hat seine Anzahlung für ein Wohnmobil verloren, hält mit vielen anderen Betroffenen Kontakt. „Dieser Mann hat Existenzen vernichtet.“ Doch die Verteidigung macht offenbar einen guten Job. Siegfried H. und Jessica K. wirken bestens eingestellt. Die Geständigkeit, Entschuldigungsbriefe, Wiedergutmachungszahlungen, die von Tränen unterbrochenen Einlassungen der Angeklagten – am vierten Verhandlungstag entschuldigte sich K. mit gebrochener Stimme auch beim Zeugen P. –, das alles lässt die Angeklagten gut dastehen. Ebenso wie die Aussagen von Zeugen über die beiden in der U-Haft.

Im Fall Jessica K. wird Haft unwahrscheinlich

Zumindest für Jessica K. deutet sich ein Entgegenkommen an. Richter Martin Meixner informierte, dass in ihrem Fall eine Strafe von zweieinhalb bis drei Jahren in Frage komme. Gut eineinhalb Jahre sitzt sie bereits in U-Haft. Würde bedeuten, dass sie nach entsprechend mildem Urteil noch im Juli auf Bewährung frei kommen könnte. Am 23. Juli wird der Prozess fortgesetzt.

Artikel 2 von 11