100 Jahre „Rosenheimer Allzweckwaffe“

von Redaktion

Holztechnische Ausbildung am Inn bedeutet Exzellenz mit Familiengeist

Rosenheim – Was Exzellenz in der akademischen Aus- und beruflichen Fortbildung bedeutet, lässt sich möglicherweise so beschreiben: Absolventen bekommen gleich bei ihrer ersten Anstellung anspruchsvolle Aufgaben mit den Worten übertragen: „Du kommst aus Rosenheim. Du kannst das!“

Solche und ähnliche Erlebnisse waren von vielen der rund 800 „Holzern“ zu hören, die sich zur Jubiläumsfeier „100 Jahre holztechnische Ausbildung in Rosenheim“ versammelt hatten. In diesen hundert Jahren steckt eine im Grunde atemberaubende Erfolgsgeschichte: der „Rosenheimer Weg“ von einem privaten Holztechnikum im Jahr 1925 mit einer Handvoll Auszubildender bis zur heutigen Hochschule mit zehn Fakultäten und rund 7500 Studenten, die seit Kurzem im Bereich der Holztechnik bis zur Promotion geführt werden können.

„Lehre und Forschung
mit Weitblick“

Die sogenannte holztechnische Ausbildung kann dabei für sich in Anspruch nehmen, dass aus ihr das entsprang, was heute die gesamte Hochschule kennzeichnet, wie Klaus Stöttner, der Vorsitzende des Hochschulrates, betonte: „Lehre und Forschung mit Weitblick, wissenschaftlichem Ehrgeiz und doch auch mit Lösungsorientierung und Bodenhaftung“. Wobei Bodenhaftung unter anderem bedeutet, dass man die sich verändernden Ansprüche des Marktes und aller darin Agierenden immer im Blick hat.

Das war schon nach dem Krieg so, als man sich der gesamten Thematik „Spanholz“ anzunehmen begann, da während des Wiederaufbaus die Möbelindustrie florierte, die durch Vollholz allein nicht ausreichend versorgt werden konnte. Es galt weiter, als dann im Bau Holzfenster zusehends durch Kunststofffenster ersetzt wurden, weshalb man die Kunststoffsparte sozusagen mit ins Repertoire aufnahm. Und es gilt heute, da, wie Hochschulpräsident Professor Heinrich Köster bei der Feier ausführte, man immer mehr Alltagsartikel „biobasiert“, also aufbauend auch auf Holzfasern, herzustellen beginnt – Joghurtbecher und „Kaffee-to-go-Gefäße“ also nicht mehr rein aus Kunststoff, sondern, salopp gesagt, aus Holz und damit biologisch abbaubar.

Diese „Nähe zur Realität“ beim Produktwandel findet sich im Bereich Holztechnik, aber auch in der Entwicklung des Ausbildungsspektrums. Hatte man sich einst auf die Holzherstellung, also die Sägewerke und die damit verbundene Holzvermarktung beschränkt, so orientieren sich heute die Schwerpunkte an der Weiterentwicklung der Holzeinsatzbereiche: etwa am Holzbau, auch dem Innenausbau, und deren Chancen für eine nachhaltige Bauzukunft. Die Zukunft liege eben überall, so Präsident Heinrich Köster, in einer zunehmenden Spezialisierung. Dennoch gilt auch heute noch das, was er als das frühere Markenzeichen der Rosenheimer Absolventen bezeichnete: Die Tatsache, dass diese in der Wirtschaft als „Rosenheimer Allzweckwaffe“ höchst willkommen seien, dank „ihres großen generalistischen Rucksacks“. Diese breite Aufstellung ist dabei für alle drei Bereiche der holztechnischen Ausbildung in Rosenheim kennzeichnend, wie Klaus Stöttner hervorhob: der Hochschule, der Fachschule für Holz und Bautechnik sowie dem Lehrinstitut. Und dem Hochschulpräsidenten, das wurde bei der Jubiläumsfeier deutlich, ist es deshalb ein Anliegen, die drei Einrichtungen in Zukunft wieder mehr als die drei Beine eines einzigen Stuhles darzustellen: Die Trennung der Ausbildungsbereiche, einst von der Politik forciert, finde in der Praxis, bei der einstellenden Wirtschaft, keine wirkliche Resonanz, meinte Professor Köster: Dort sei man eben einfach ein Rosenheimer Absolvent.

Kollegiale Beziehung
bis zur Freundschaft

Bei all der Betonung der Exzellenz in Aus- und Fortbildung darf ein wesentlicher Punkt nicht vergessen werden: Das, was die Rosenheimer Holzer ausmacht, ist auch, dass hier noch viel von dem zu spüren ist, was man als „Familiengeist“ bezeichnen könnte. Eine enge kollegiale, oft freundschaftliche Beziehung untereinander. Das wurde in einer Videoeinspielung zur Festveranstaltung, bei der Ehemalige ihre Rosenheimer Erfahrungen schilderten, immer wieder hervorgehoben. Und hautnah zu erleben war es auch beim großen Festabend, bei dem sich der Campus in eine südländisch wirkende Partymeile verwandelte. Weshalb an diesem Abend sofort zu verstehen war, warum ein Ehemaliger seine Erinnerungen an Rosenheim so zusammenfasste: „Ich hab dort studiert, wo andere Urlaub machen.“

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