Neumarkt-St. Veit – Im Wald nördlich von Piesenkofen/ Egglkofen endete am 21. April 1945 der letzte Flug der Lufthansa, eine viermotorige Condor-Hessen FW 200 B-2, D-ASHH. Der Flug sollte von Berlin über München nach Spanien/Barcelona gehen. Circa 25 Tote wurden später gezählt.
Immer noch beschäftigt der Absturz Heimatforscher. Das Ominöse damals: Bei der abgestürzten Condor war der Reisepass des SS-Standartenführers Eugen Steimle als Geheimakte in einer Kuriertasche. Nach dem Krieg vermutete man, der Reichssicherheitshauptmann kam bei dem Absturz zu Tode. Steimle war jedoch in dem von den Russen eingenommenen Berlin untergetaucht.
SS-Reisepass
gibt Rätsel auf
In den Verhandlungsschriften zum Absturz der Condor wird im Januar 1953 noch davon ausgegangen, dass der SS-Sturmbannführer Eugen Steimle bei dem Flug dabei war, er kommt aber bei den aufgeführten Toten nicht vor. Steimle war in Berlin, legte sich den Pseudonamen Dr. Hermann Burbach zu. Er wurde am 1. Oktober 1945 entlarvt und von der US-Armee festgenommen.
Eugen Steimle war in der Zeit des Nationalsozialismus ranghoher Mitarbeiter, SS-Standartenführer des Sicherheitsdienstes (SD) und als Leiter zweier Sonderkommandos von Einsatzgruppen des SD für Massenmorde in der Sowjetunion verantwortlich.
Unmittelbar nach Kriegsende begannen die Alliierten mit der Verfolgung der Nazi-Kriegsverbrecher und hatten innerhalb von zwei Jahren, also bis 1947, bereits 20000 Personen als Verdächtige erfasst. Im Saal 600 des Nürnberger Justizpalastes wurden 21 Hauptkriegsverbrecher des Zweiten Weltkrieges vom 20. November 1945 bis zum 1. Oktober 1946 abgeurteilt. In zwölf Fällen fielen Todesurteile, zehn davon wurden vollstreckt. Im Nürnberger Einsatzgruppen-Prozess wurde Eugen Steimle zum Tode verurteilt. Seine Strafe wurde jedoch von einem Gnadengericht auf 20 Jahre Gefängnis reduziert. Am 28. Juni 1954 – nach sechs Jahren Gefängnis – wurde er aus dem Kriegsverbrechergefängnis Landsberg entlassen.
Kurz nach der Freilassung wurde er Lehrer für Deutsch und Geschichte der privaten Oberstufe am damals evangelischen Gymnasium der Zieglerschen Anstalten in Wilhelmsdorf.
1956 wurde Steimle als Informant für den Bundesnachrichtendienst angeworben. Unter den Decknamen „Wolf“ und „Tasso“ legte er für die Gegenspionage Dossiers über mögliche Hitler-Gegner und Ostagenten an, und berichtete über Treffen mit alten SD- und Gestapokameraden. Dafür erhielt Eugen Steimle eine monatliche Entschädigung von 300 D-Mark. Nach mehreren Vorgesprächen mit Peter Käser kommt im Oktober 2012 der Fernsehautor Dirk Pohlmann mit seinem Filmteam an die Absturzstelle im Wald bei Piesenkofen/Egglkofen, um Aufnahmen für den Dokumentarfilm „Dienstbereit – Nazis und Faschisten im Auftrag der CIA“ zu drehen.
Pohlmann war in den USA National Archives Trust Fund, Cashier (NAJC) Washington, um Unterlagen zum Absturz der Condor-Hessen zu finden.
In einer, der beiden beim Absturz gefundenen Attaché-Taschen, war der Reisepass von Eugen Steimle, damals Chef des Amtes VI B im Reichssicherheitshauptamt. Nun war der Ausweis von Steimle beim Absturz dabei, Steimle selbst aber nicht, er war in Berlin. Pohlmann schreibt: „Anhand jüngst freigegebener Akten skizziert der Dokumentarfilm zum ersten Mal ein weltumspannendes Netzwerk, das weit in die Machtstruktur der BRD reichte. Der Dokumentarfilm rekonstruiert eine bisher unbekannte Dimension des Bündnisses zwischen Nazis und der CIA im Kalten Krieg.“
Der Film von Dirk Pohlmann geht den Spuren nach, wie es dazu kommen konnte, dass von den Besatzern zum Tode verurteilte NS-Schwerverbrecher schon nach wenigen Jahren begnadigt und im öffentlichen Dienst angestellt werden konnten. Pohlmann schreibt weiter: „In den National Archives fand ich die Namen von weiteren Insassen (Sicherheitsdienst-Angehörige) die ebenfalls bisher unbekannt waren, sowie die Auflösung des Rätsels, warum der Ausweis von Eugen Steimle an Bord war – was damals das Hauptinteresse der Amerikaner und Grund für die Untersuchung war – und auch mein Hauptinteresse“.
Verbindungen
bis Südamerika
Die Aktenfunde beim Absturz der Condor enttarnten die Namen und Adressen einer ganzen Reihe von SD-Agenten in Spanien. Diese Angaben waren für die Alliierten von sehr hohem Wert, da nach dem Krieg in Spanien ein Netzwerk hochrangiger Nazis mit Verbindung vor allem nach Südamerika entstand.
Es ist von Anfang an von den westlichen Geheimdiensten unterwandert worden, und später haben dann auch wichtige Personen des angeblich geheimen Netzwerkes für die CIA gearbeitet.
Trotz des „braunen“ Vorlebens begann für so „Manchen“ nach dem Krieg die Karriere in Verstrickungen von Parteien und im Staatsdienst, schreibt der Filmautor Dirk Pohlmann.