Priener Café als Geburtsstätte der UNESCO-Idee

von Redaktion

Klaus Stöttner freut sich als Chef des Bayerischen Tourismusverbands auf Millionen für die Region

Prien – Klaus Stöttner ist am Montag nach der historischen UNESCO-Weltkulturerbe-Entscheidung für Bayerns Märchenschlösser ein vielgefragter Mann. Seine Telefone klingeln im Büro in Prien, nur ein paar Kilometer entfernt vom Schloss Herrenchiemsee, permanent. Das hängt damit zusammen, dass er als Präsident des Tourismusverbandes Oberbayern und München sowie neuerdings auch Chef des Bayerischen Tourismusverbandes der perfekte Ansprechpartner für die weitreichenden Folgen dieses Beschlusses ist. Vor allem aber kann er die ganze Geschichte hinter der UNESCO-Story erzählen – schließlich hat Stöttner vor 18 Jahren den Stein ganz entscheidend mit ins Rollen gebracht.

Ein Trio macht sich
schon früh Gedanken

„Alles hat in einem Café in Prien – ich glaube, es war das Neuer am See – angefangen. Ich war damals noch ein jüngerer Landtagsabgeordneter und saß mit dem damaligen Priener Bürgermeister Lorenz Kollmannsberger und Dr. Werner Schnappauf – er war damals bayerischer Umweltminister – zusammen“, erzählt Stöttner im Gespräch mit dem OVB. Das Trio trank einen Kaffee und war sich einig, dass die bayerischen Königsschlösser von Märchenkönig Ludwig II. doch eigentlich zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören müssten. Schnappauf als Umwelt-Experte habe das damals als „Weltnaturerbe“ bezeichnet, erinnert sich Stöttner an eine Anekdote.

Es blieb nicht bei der zusammen am Chiemsee geschmiedeten Idee – der damalige bayerische Landtags-Abgeordnete für Rosenheim war schon immer ein Mann der Tat. Am 10. Mai 2007 stellte Stöttner federführend gemeinsam mit dem Traunsteiner Stimmkreisabgeordneten Alois Glück, dem heutigen bayerischen Innenminister Joachim Herrmann, Ludwig Spaenle und zwei Vertreterinnen aus dem Allgäu im bayerischen Landtag den Antrag, Ludwigs Schlösser als UNESCO-Weltkulturerbe vorzuschlagen.  „Damals haben wir gedacht, dass es in zwei, drei Jahren ein Ergebnis gibt“, berichtet Stöttner und lacht auf: „Aber wir haben gelernt, geduldig zu sein.“ Ungefähr ein Jahrzehnt nach dem ersten Landtagsbeschluss schafften es die bayerischen Königsschlösser auf die sogenannte „Tentativliste“, die nationale Vorschlagsliste für die UNESCO. Danach dauerte es wegen umfassender Prüfprozesse der UNESCO fast ein weiteres Jahrzehnt bis zum finalen Erfolg, der am vergangenen Samstag verkündet wurde.

So wurde zum Beispiel geklärt, ob das Erlebnisbad Prienavera in der Sichtachse zum Schloss auf der Herreninsel stört. Stöttner lobt den Verein der Vereinigung der Freunde von Herrenchiemsee mit seinem Vorsitzenden Friedrich von Daumiller ausdrücklich für all die Arbeit und das diplomatische Geschick in den vergangenen Jahren. Nur so sei der Erfolg möglich geworden.

Weitere Hürden auf dem Weg waren Abstimmungen in den Gemeinden – vor allem wegen Massentourismus-Bedenken. Das größte Fragezeichen war 2023 ein Bürgerentscheid in Schwangau im Allgäu, ob sich das weltweit berühmte Märchenschloss Neuschwanstein für die Aufnahme in die UNESCO-Weltkulturerbe-Liste bewerben sollte. Etwa 56 Prozent der abgegebenen Stimmen unterstützten das Projekt – so war der Weg final frei. „In Neuschwanstein ist jetzt von all den Schlössern am meisten zu tun, dort braucht es eine neue Konzeption. Es muss ein Infozentrum gebaut werden, genügend Parkplätze und ein Shuttleservice sind auch nötig“, fordert Stöttner. Weitere Millionen zu den über 100 Millionen Euro, die der Freistaat in Ludwigs Schlösser investiert hat, werden also nötig sein. Auch in Herrenchiemsee, das die Pracht des berühmten Schlosses Versailles des französischen Sonnenkönigs nachempfinden soll, wurden über die Jahre viele Millionen Euro in die Unterhaltung investiert.

Und was bringt nun das UNESCO-Weltkulturerbe-Siegel finanziell für die Region? Internationale Erfahrungen an legendären Sehenswürdigkeiten wie der Chinesischen Mauer, Machu Picchu oder dem Taj Mahal zeigen, dass Gäste, die gezielt UNESCO-Weltkulturerbestätten besuchen,  durchschnittlich 2,2 Tage länger bleiben.

Ein Siegel mit
großer Wirkung

Das erwartet Klaus Stöttner auch bei den Märchenschlössern in Bayern. Schon jetzt sei es so, dass normale Touristen durchschnittlich 2,4 Tage in Bayern urlauben, Kulturreisende jedoch über vier Tage. Das UNESCO-Weltkulturerbe-Siegel werde diese Entwicklung noch einmal verstärken. „Die Touristen werden auch aus hochpreisigeren Hotels wie dem Chiemgauhof oder neuen Gasthäusern wie zum Beispiel dem geplanten im Malerwinkel anreisen, um sich die Sehenswürdigkeiten mit UNESCO-Status anzuschauen. Hotels und Gastronomie werden profitieren“, glaubt Stöttner.

Der Tourismus-Experte erwartet nicht, dass viel mehr Gäste kommen – aber mehr zahlungskräftige. Erfahrungen zeigen, dass Kulturreisende zu UNESCO-Weltkulturerbestätten 36 Prozent mehr Geld zum Beispiel für Restaurants, Hotels und Dienstleistungen ausgeben. Dann rechnet Klaus Stöttner hoch, was das für die Region bedeuten könnte. „Wir haben im Landkreis Rosenheim durch den Tourismus einen Jahresumsatz von etwa 800 Millionen Euro. Etwa 20 Prozent davon kommen von Kulturreisenden, das macht 160 Millionen Euro. Wenn die künftig ein reichliches Drittel mehr ausgeben, könnten das Pi mal Daumen 60 Millionen Euro mehr für die Region sein. Jährlich.“ 18 Jahre Arbeit und Warten könnten sich also auch finanziell mehr als gelohnt haben.

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