Rosenheim – Fast schon ein wenig verloren, steht Gianna Nannini am Ende auf der riesigen Bühne des Rosenheimer Sommerfestivals. Sie blickt in die Masse, greift sich an die Brust. Die 71-jährige italienische Sängerin ist sichtlich gerührt. Von diesem Abend, der besser nicht hätte laufen können.
Von der ersten Sekunde an zieht die Sängerin die Zuschauer in ihren Bann. Sie hüpft, tanzt, sprintet, ballt die Fäuste. Es sind die typischen Nannini-Gesten, die ihre Fans so lieben.
Sie trägt einen roten Glitzer-Zweiteiler, die Fans in der ersten Reihe kreischen immer wieder ihren Namen. Sie tragen T-Shirts mit dem Gesicht der Italienerin, auf ihren Haarbändern steht in dicken Buchstaben „Gianna Nannini“. Die Stimmung ist gut – und sie soll im Laufe des Abends noch besser werden.
Denn die Königin des Italo-Rocks hat ihre Hits aus den vergangenen fünf Jahrzehnten dabei. Bei jedem Klassiker werden die Handys gezückt, Aufnahmen gemacht und laut mitgesungen. Beispielsweise dann, als Nannini die ersten Takte von „America“ anstimmt.
Es folgen „Scandalo“ und „Ragazzo dell’Europa“. Bei dem Lied „Profumo“ lässt sie ihren Blazer fallen, grinst verschmitzt in die Menge und schmettert die nächsten Töne ins Mikrofon. Dass diese Frau auf die Bühne gehört, ist spätestens dann wohl jedem Zuhörer klar, der das Glück hatte, eine Karte für das ausverkaufte Konzert zu ergattern.
Nannini verzichtet während des gesamten Abends auf lange Ansprachen und Zwischenkommentare. Kurz grüßt sie die Rosenheimer, dann macht sie weiter mit dem, was sie am besten kann: Einen Song nach dem anderen schmettern. Nicht, ohne hin und wieder intensiven Augenkontakt zu ihren Fans aufzunehmen.
Sie singt über Liebe, Sehnsucht, Sinnlichkeit und die Herausforderungen des Älterwerdens. Ihre Musik verbindet Leidenschaft und Melancholie, in ihren Texten schreckt sie auch nicht davor zurück, den Finger in die Wunde zu legen.
Nach der ersten Hälfte der Show gibt es eine kurze Pause. Während sich Nannini ein weißes T-Shirt überzieht, sorgt die exzellente Band der Italienerin dafür, dass die Stimmung keine Sekunde lang nachlässt.
Zurück auf der Bühne stimmt die 71-Jährige das Lied „Un‘Estate Italiana“ – die Hymne der Fußball-Weltmeisterschaft 1990 in Italien. Es folgen „I Maschi“, „Meravigliosa creatura“ und „Primadonna“. Als man schon nicht mehr daran glaubt, dass es noch besser werden kann, singt sie „Bello e impossibile“ und sorgt im Mangfallpark erneut für Gänsehaut-Momente.
Und irgendwie wollte auch Gianna Nannini nicht, dass dieser Abend zu Ende geht. Minutenlang steht sie auf der Bühne. Sie blickt in die Gesichter ihrer Band, in die des Publikums. Sie genießt jede einzelne Sekunde. Noch einmal holt sie Luft, geht ein paar Schritte zurück und sprintet in Richtung der Zuschauer. Dann verbeugt sie sich und verlässt die Bühne. Nicht ohne vorher noch einmal die Faust in die Luft zu strecken. Eben in gewohnter Nannini-Manier.