Traunstein/Marquartstein – Ein 29-jähriger Handwerker aus Marquartstein war bis November 2024 eine große Nummer im Betäubungsmittelgeschäft im Achental und weit darüber hinaus. Vor der Siebten Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Christina Braune legte der Angeklagte gestern ein volles Geständnis ab. Die Anklageschrift basiert auf seinen Angaben bei sechs Vernehmungen durch die Kripo Traunstein. Dafür erntete er unumwunden Anerkennung von Staatsanwältin Dr. Anna Reis. Der Prozess wird am 28. Juli und am 1. August, jeweils um 9.15 Uhr, fortgesetzt.
29-Jähriger verkauft
kiloweise Drogen –
gigantischer Gewinn
Die Staatsanwältin beziffert den Wertersatz, quasi den „Gewinn“ aus der enormen kriminellen Tätigkeit, mit knapp 1,7 Millionen Euro. Die zwölfseitige Anklage umfasst zwischen 2020 – frühere Vorwürfe sind schon verjährt – und 2024 zumindest elf große Einkäufe von Betäubungsmitteln.
So erwarb der 29-Jährige von einem gesondert verfolgten Vogtareuther in 24 Geschäften zu je zehn Kilogramm Marihuana insgesamt 240 Kilogramm Marihuana, die er – wie alle Betäubungsmittel – weiterveräußerte. Er selbst konsumierte ebenfalls Drogen, vor allem Cannabis. In Frankfurt kaufte er Mitte 2023 weitere fünf Kilogramm. Ein Einkauf, dieses Mal 700 Gramm MDMA und vier Kilogramm Marihuana, ging 2023 in Berlin über die Bühne.
Alles im Angebot:
Marihuana, MDMA,
Kokain und Ketamin
Wiederum aus Frankfurt stammten 30 Kilogramm Marihuana im Wert von 121250 Euro, die sich der Marquartsteiner im Herbst 2023 nach Hause liefern ließ. Gut 26 Kilogramm der gleichen Droge für 100000 Euro trafen bei ihm einen Monat später ein. Ein nicht näher bekannter Frankfurter namens „Abi“ brachte mehrmals Marihuana nach Marquartstein – insgesamt 50 Kilogramm für 465000 Euro. Im März 2024 vermittelte der 29-Jährige ein Geschäft zur Lieferung von zehn Kilogramm Ketamin von Frankfurt nach Vogtareuth. 600 Gramm davon behielt er für sich.
Um Kokain drehten sich 2023/24 vier Einzeldeals mit einem Frankfurter. Neun Kilogramm im Wert von 229500 Euro wechselten den Besitzer. Ein unbekannter Münchener brachte im Oktober 2024 mit Wissen des Angeklagten 479 Gramm Kokain für 17500 Euro zu jemand in der Nähe der Realschule Marquartstein. Den „Erlös“ verwahrte der Angeklagte bei sich in der Wohnung.
Dort trudelten im November 2024 von „Abi“ aus Frankfurt 33 Kilogramm Marihuana im Wert von 102300 Euro ein. Bei einer Durchsuchung am 27. Dezember 2024 stießen Traunsteiner Kriminalbeamte auf Verpackungsutensilien, auf 174370 Euro in bar, eine Geldzählmaschine, dazu auf 118 Gramm Kokain, 454 Gramm Ketamin, 379 Gramm MDMA und 1,3 Kilogramm Marihuana. Weiter standen 16 Cannabispflanzen in einer Aufzuchtanlage. In einer Küchenschublade fanden sich ein Einhandmesser, vier Teppichmesser und ein Hilti-Messer.
In der Anklageschrift sind außerdem 43 Drogenverkäufe des 29-Jährigen aufgelistet. Im Hinblick auf noch immer laufende polizeiliche Ermittlungen verlas die Staatsanwältin diesen Teil gestern nicht.
Auf die Spur der kriminellen Aktivitäten des 29-Jährigen kam die Polizei bei einer Zufallskontrolle im November 2023 nahe Wasserburg. Dem Pkw entströmte der typische Geruch nach Marihuana. Zudem hatte der Fahrer 35000 Euro Bargeld bei sich. Ab der Zeit stand der Mann unter polizeilicher Observation. Die Handschellen klickten am 27. Dezember 2024. Seither saß er in Untersuchungshaft.
„Mengen, die in
unserer Gegend
beispiellos sind“
Staatsanwältin Dr. Anna Reis sprach gestern von „Mengen, die in unserer Gegend beispiellos sind“. Zu dem vollen Geständnis des Angeklagten meinte sie: „Ich bin überrascht von seinen mutigen und umfangreichen Angaben. Da haben selbst wir von der Staatsanwaltschaft Traunstein gestaunt.“ Dieser Mut könnte sich auszahlen.
Die Vorsitzende Richterin stellte eine Freiheitsstrafe im Bereich von viereinhalb bis sechs Jahren in den Raum. Ohne Geständnis wären zwölf bis 13 Jahre eine angemessene Ahndung für derartige Taten. Eine konkrete Strafvereinbarung gibt es allerdings bisher nicht. Der Sachbearbeiter der Kripo Traunstein lieferte gestern einen umfangreichen Bericht über die Ermittlungen. Das Geständnis habe zu 60 Folgeverfahren geführt. 25 Verfahren davon habe man abgegeben an Polizeidienststellen in ganz Deutschland.
46 mutmaßliche Abnehmer seien namentlich bekannt, von elf wisse man nichts. 748 Einzelgeschäfte hätten ermittelt werden können. Erst kürzlich seien zwei Händler von Cannabis und Kokain in Haft gegangen. Der Angeklagte habe akribisch Buch geführt über seine Geschäfte. Der Polizeizeuge wörtlich: „Er hat genau notiert, was er an wen, in welcher Menge, wie oft verkauft hat.“ Viele Speichergeräte seien sichergestellt worden. Alles belege ein „reges Handeltreiben – im Achental, in der Region Südostbayern und in München“.
Übergabe mittels
Pkw, Taxi oder
Packstation
Die Übergabe der Drogen sei mittels Pkw, Taxi oder über Packstationen geschehen. Viele Deals liefen nach Worten des Ermittlers über das Internet, teils über verschlüsselte Seiten. Der Beamte weiter: „Der Angeklagte ist seit zehn Jahren im Rauschgiftbusiness. Eingeführt wurde er durch einen zwischenzeitlich verstorbenen Mann.“ Der 29-Jährige sei „aufgestiegen zur Bezugsquelle Nummer 1“ und habe monatlich hohe Summen eingenommen.