„Wasserangst dominiert alles“

von Redaktion

Gemeinderat Bergen blockiert Adelholzener – Streit spitzt sich zu

Bergen – „Unterstellungen, Unwahrheiten, Horrorszenarien, Grenzen des anständigen Umgangs“ erreicht – die Vorwürfe des Getränkeriesen Adelholzener gegen Mitglieder des Bergener Gemeinderats waren harsch. Und für die PR-Abteilung eines großen Unternehmens höchst unüblich. „Menschlich“ sei die Reaktion gewesen, kommentiert Bergens Bürgermeister Stefan Schneider: „Man erwartet das natürlich nicht in dieser Strenge.“ Der Ortschef ist im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen sichtlich bemüht, die Wogen nach dem sensationellen Nein des Bergener Gemeinderats zur Änderung des Flächennutzungsplans im Bereich der Adelholzener Quellen zu glätten. Obwohl Adelholzener-Geschäftsführer Peter Lachenmeir auch ihn persönlich attackiert hatte: „Noch Anfang Juli hat Bergens Bürgermeister Schneider die Zusammenarbeit gelobt und uns als Vorzeigeunternehmen bezeichnet. Ich verstehe den Sinneswandel nicht.“

„Jeder Gemeinderat
ist sich und den
Wählern verpflichtet“

Ortschef Schneider gibt zu, dass ihn die Ablehnung der Gemeinderäte – von 16 Anwesenden stimmten neun gegen den nächsten Schritt im Adelholzener Bebauungsplan – „überrascht hat“. Aber er äußert auch Verständnis für die gewählten Volksvertreter der Gemeinde. „Jeder Gemeinderat ist sich selbst und natürlich den Wählern verpflichtet“, so Schneider und sendet nach den heftigen Verbalattacken von Adelholzener-Chef Lachenmeir ein klares Signal der Unabhängigkeit: „Ich glaube, dass ein Geschäftsführer einer Firma ein anderes hierarchisches Denken hat als ein Bürgermeister. Der Gemeinderat ist ein demokratisches Instrument, hier muss man überzeugen.“

Genau das ist die Mehrzahl der Gemeinderäte nicht von den Adelholzener-Plänen, und das hat nicht in erster Linie mit den abgelehnten Bauideen zu tun, sondern vielmehr mit dem Reizthema Wasserrechte. „Die Angst um das Trinkwasser dominiert in Bergen alles. Die Menschen befürchten, dass die Natur über Gebühr ausgenutzt wird. Das ist eine der Urängste des Menschen, dass irgendwann nicht mehr genug Wasser für jeden da ist“, sagt Schneider.

Nunmehr seit über drei Jahren warten die Gemeinde und das für die Genehmigung zuständige Landratsamt Traunstein/Wasserwirtschaftsamt auf den Wasserrechtsantrag von Adelholzener. In drei der fünf Brunnen im Bergener Moos ist die ursprüngliche Genehmigung für die Wasserförderung bereits ausgelaufen. Es gilt eine auf ein Jahr befristete Übergangsgenehmigung. In den zwei anderen Brunnen läuft die Genehmigung Ende des Jahres aus.

Warum also dauert es bei dem Getränkeunternehmen, für den ja Wasser die Grundlage des gesamten Geschäfts ist, so lange mit dem Wasserrechtsantrag? Die Bürokratie sei auch in diesem Bereich gewachsen, räumt Schneider ein, der selbst 27 Jahre in der Branche gearbeitet hat. Eine komplette Erklärung ist das jedoch nicht. Soll möglicherweise mit Blick auf die auslaufenden Wasserrechte Druck auf die Genehmigungsbehörden aufgebaut werden?

Einer der größten
Arbeitgeber in
der Region

Schließlich ist Adelholzener mit derzeit etwa 700 Stellen – in Zukunft sollen es sogar 900 werden – einer der größten Arbeitgeber der Region. „Zuletzt hatten wir Mitte Mai den Gemeinderat ausführlich über den Stand des Wasserrechtsantrags unterrichtet“, sagt Adelholzener zum Thema. Der Antrag werde noch im Sommer beim Landratsamt Traunstein abgegeben. Zudem verweist der Getränkeriese darauf, dass „die Gemeinde Bergen zuständig für die Bauleitplanung ist“, aber „nicht zuständig für ein wasserrechtliches Genehmigungsverfahren.“

Tatsächlich ist dafür das Wasserwirtschaftsamt im Landkreis zuständig, aber die Gemeinde darf und wird eine Stellungnahme dazu abgeben. „Wir warten auf den Wasserrechtsantrag. Es wird die Kunst sein, ihn so zu analysieren, dass man mögliche Probleme findet“, erklärt Schneider: „Wir haben sogar ein eigenes Budget in der Gemeinde für Gutachter. Das Problem ist der Zeitdruck. Schließlich reden wir da nicht über 20 Powerpoint-Seiten, sondern einen möglicherweise über 100-seitigen Antrag.“ Die lange Hinhaltetaktik der Firma hat das Vertrauen bei der Mehrzahl der Gemeinderäte zumindest erschüttert.

Die Angst, die Wasserversorgung der Zukunft für die Gemeinde aufs Spiel zu setzen, ist bei den Volksvertretern groß. Auch deshalb, weil es Gerüchte gibt, dass Adelholzener an ein multinationales Großunternehmen wie Nestlé verkauft werden könnte. Geschäftsführer Lachenmeir hat das für das 1907 gegründete Unternehmen mit den Worten „Adelholzener steht nicht zum Verkauf. An niemanden“ deutlich dementiert. Das Unternehmen bleibe dauerhaft im Eigentum der Barmherzigen Schwestern des hl. Vinzenz von Paul.

Aber was würde passieren, wenn es in Zukunft einmal keine Schwestern mehr geben sollte und doch ein Verkauf Thema wird? Welche Folgen das haben könnte, zeigt das Beispiel des Nachbarorts Siegsdorf, dessen Gemeinderat die Änderung des jüngsten Adelholzener-Flächennutzungsplans übrigens durchgewunken hat. Die Petrusquelle wurde an eine Edeka-Tochter verkauft, danach wurde von Mehrweg auf PET umgestellt und es wird „auf Teufel komm raus“ (Schneider) abgefüllt. Ein weiteres Beispiel für den Verkauf an einen Großkonzern ist die Übernahme der Urstromquelle Baruth durch Red Bull.

Dass Ängste bei den Bergener Gemeinderäten vorhanden sind, ist also durchaus verständlich – egal, ob es um die Folgen des Wasserrechtsantrags oder die Erteilung von Baurechten geht. „Wenn man Baurecht erteilt, muss man als Gemeinderat oder Bürgermeister immer an die Zukunft denken. Baurecht verfällt auch bei einem möglichen Verkauf nicht und es erhöht den Wert eines Grundstücks erheblich“, so Schneider.

„Wir sind im Dialog.
Sie sollen halt alles
auf den Tisch legen“

Trotz all der Zweifel hofft Schneider, dass „es richtig ausgeht“. Damit meint der Bürgermeister, dass die Interessen von Bergens Bürgern und vom großen Arbeitgeber Adelholzener sinnvoll ausgewogen berücksichtigt werden. Seit dem negativen Gemeinderatsvotum war der Bürgermeister schon bei zwei Terminen mit Adelholzener: „Wir sind im Dialog. Sie sollen halt alles auf den Tisch legen.“

Die nächste Chance, die Ängste der Bürger und Gemeinderäte auszuräumen, besteht am kommenden Montag ab 19 Uhr in der Gaststätte Mühlwinkler Hof in Bergen. Dann will sich Adelholzener-Geschäftsführer Lachenmeir auf Einladung der SPD den Bürgern stellen.

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