Rosenheim/München/Tirol/Salzburg – Die Sperren der Strecken Salzburg–Übersee und Rosenheim–Kiefersfelden– Kufstein werden erst ein Vorgeschmack sein auf zahlreiche Vollsperrungen, die dann jeweils sechs Monate dauern, unter anderem 2027 Freilassing–Rosenheim und 2028 Rosenheim–München. Die ÖBB sprechen von einer „Herausforderung“ und streichen gemeinsam mit der Westbahn Fernzüge, damit für die S-Bahn überhaupt noch Platz bleibt.
ÖBB-Chef: „Enormer
Sanierungsbedarf“
ÖBB-Chef Andreas Matthä kam eigens nach Salzburg, um über die Folgen der Vollsperren für den Bahnverkehr zu berichten, sowohl für den Fern- und Nahverkehr als auch für den Güterverkehr. „Das deutsche Schienennetz hat einen enormen Sanierungsbedarf“, so Matthä, um gleich hinzuzufügen: „Nicht nur das“. Selbst die Deutsche Bahn spricht von einer „aktuell teilweise überalterten Infrastruktur“.
Das deutsche Schienennetz ist für die ÖBB nicht nur wegen der Korridorstrecke Salzburg–Rosenheim– Kufstein wichtig, „sondern zwei Drittel unserer Züge beginnen oder enden im Ausland“. Derzeit kommen 50 Prozent der Verspätungen im deutschen Netz zustande. Die Ansage „Grund ist eine Verspätung im Nachbarland“ kennen Bahnfahrer nur zu gut.
„Generalsanierung“
bis ins Jahr 2036
Deutschland habe sich deshalb entschieden, sein Bahnnetz bis 2036 komplett zu sanieren – unter dem Titel „Generalsanierung Hochleistungsnetz“, GSH. „Dazu gibt es keine Alternative“, so Matthä. Auch im Güterverkehr gebe es im deutschen Streckennetz Ärger, milde ausgedrückt, denn hier gilt: „Kein einziger Zug fährt wie geplant“, berichtet der ÖBB-Chef.
Österreich wird von 2026 bis 2028 von den deutschen Baustellen stark betroffen sein, die Strecke Salzburg– Rosenheim–Kufstein ist ja fast eine österreichische Strecke. Ab 2026 wird die Strecke Passau–Nürnberg saniert, 2027 folgt dann Freilassing–Rosenheim und 2028 schließlich Rosenheim–München. Diese Strecken sind dann jeweils sechs Monate komplett gesperrt.
Diese Sperren haben aber nicht nur Folgen für den Fernverkehr, der zum Teil über Bischofshofen und Zell am See umgeleitet, zum Teil mit Bussen abgewickelt wird, sondern auch für den Nahverkehr. Wenn im zweiten Halbjahr 2026 die Strecke Passau–Nürnberg saniert wird, müssen auch Güterzüge über Salzburg–München fahren. Das heißt, auf der ohnehin ausgelasteten Strecke wird es noch enger, und die schnelleren Fernzüge müssen sich dem langsameren Tempo der Güterzüge anpassen. Darauf hatte auch schon Westbahn-Chef Thomas Posch vor Wochen hingewiesen.
ÖBB und Westbahn
streichen 18 Züge
Damit für die S-Bahn in diesem Zeitraum überhaupt noch Platz ist, verzichten ÖBB und Westbahn auf insgesamt 18 Tagesverbindungen zwischen Salzburg und Linz. Der Salzburger Verkehrslandesrat Stefan Schnöll hatte darauf gedrängt, dass auch der Nahverkehr noch Platz bekommt. „Dass ÖBB und Westbahn auf Verbindungen zugunsten des Nahverkehrs verzichtet haben, ist nicht selbstverständlich“.
Die Baustellen im deutschen Netz würden „knackig“, aber wie im Straßenverkehr würden angekündigte Katastrophen in der Regel nicht stattfinden, so Schnöll, der anscheinend die zweijährige Sanierung der fünf Tunnel auf der Tauernautobahn schon verdrängt hat.
Noch spannender scheinen die Umleitungen für den Güterverkehr zu sein. „Güter in Richtung Hamburger Hafen werden wir über Tschechien und Polen umleiten können“, verrät Matthä. Bei Frankfurt an der Oder würden die Züge dann wieder ins deutsche Netz kommen. Wann wer auf welcher Trasse fährt, bestimmen nicht die Bahnunternehmen selbst, sondern eigene Regierungsbehörden, in Österreich die „Schienen-Control“.
Mitte August wird die Trassenzuweisung für 2025 fertig, dann erst wissen ÖBB und Westbahn sowie die unzähligen privaten Güterbahnen, wann sie wo fahren dürfen.
Komplettsperre im
ersten Halbjahr 2026
Die erste Komplettsperre im ersten Halbjahr 2026 betrifft die Strecke Regensburg–Nürnberg, im zweiten Halbjahr 2026 dann Passau– Regensburg. Für die Verbindungen Wien–Salzburg bedeutet das mehr Güterzüge, insgesamt 50 am Tag, die normalerweise über Passau fahren würden.
„Deutlich schmerzhafter“ wird die Komplettsperre der Strecke Passau–Obertraubling (vor Regensburg) im zweiten Halbjahr 2026, dann werden noch mehr Züge über Salzburg und das Deutsche Eck (Rosenheim) ausweichen müssen. „Hier wird dann die Geschwindigkeit insgesamt reduziert, damit mehr Züge Platz haben“, sagt Matthä. Die Reisezeit nach München wird dann 15 Minuten länger sein, in Richtung Innsbruck plus 30 Minuten. „Für den Güterverkehr können wir nur 80 Prozent des üblichen Verkehrs anbieten, mehr ist einfach nicht unterzubringen“.
Im ersten Halbjahr 2027 ist dann die Strecke Freilassing–Rosenheim gesperrt, der Fernverkehr nach München wird über Passau umgeleitet, die Fahrzeit wird sich um bis zu 45 Minuten verlängern. Die Strecke Freilassing–Mühldorf–München kann wegen Eingleisigkeit nicht wirklich viele Züge übernehmen. Auch der S-Bahn-Verkehr Richtung Freilassing wird vermutlich eingeschränkt sein, „wir werden aber darauf drängen, dass die Arbeiten im Bahnhof Freilassing vielleicht ein bisschen flotter gehen“, verspricht Matthä am Mittwoch. „Wichtig ist, dass die S-Bahn-Haltestelle Taxham-Europark immer gut angeschlossen ist“.
Von 2027 bis 2028 ist
die Region richtig dran
Die Generalsanierung Richtung München wird dann im ersten Halbjahr 2028 mit dem Abschnitt Rosenheim–München abgeschlossen. Auch hier werden Fernzüge der ÖBB über Passau umgeleitet.
In Österreich selbst ist das Sanierungs- und Ausbautempo wegen der aktuellen Sparpläne der Bundesregierung reduziert worden. Dass Bahnbaufirmen deshalb Zeitkontingente für die Deutsche Bahn frei haben, glaubt Matthä nicht. „Wir verbauen aktuell 3,2 Milliarden Euro, also gleich viel wie 2024, und die österreichische Bauwirtschaft ist gut ausgelastet“, eine gewisse Sogwirkung in Richtung Deutschland sei aber durchaus zu beobachten. Dem Wunsch des Tiroler Verkehrslandesrates René Zumtobel, dass die ÖBB die Betriebsführung für das Deutsche Eck übernehme, kann Matthä nicht wirklich etwas abgewinnen.
Salzburg widerspricht
dem Tiroler Kollegen
„Wir sind zwar Hauptnutzer der Strecke, sie ist eine zentrale Lebensader für Österreich, aber man unterliegt einfach dem deutschen Verkehrsrecht. Das würde sich auch unter einer ÖBB-Betriebsführung nicht ändern. Ein positiver Effekt wäre also überschaubar“.