Rosenheim – Er soll Hetzbotschaften verfasst, Verschwörungstheorien verbreitet und ein großes Schwurbel-Forum auf Telegram unterhalten haben. Deswegen stürmte die Polizei in den frühen Morgenstunden eines Februartages 2022 die Wohnung eines damals 59-jährigen Rosenheimers.
Volksverhetzung und
Schwurbel-Forum
Nun, über drei Jahre nach der Razzia, kommt es zur Verhandlung vor dem Rosenheimer Amtsgericht: Bernd F. soll sich am heutigen Dienstag unter anderem wegen Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verantworten. Nach Ansicht des Staatsanwalts war er Gründer und Betreiber eines verfassungsfeindlichen Kanals auf der Plattform Telegram. Die Gruppe soll im Schnitt um die 1000 Mitglieder gehabt haben, aber auch für Besucher von außerhalb offen gewesen sein.
Lügen über
den Holocaust
Die Mitglieder dieses Forums tauschten offenbar fleißig Bilder, Verschwörungstheorien, Videos und Sprachnachrichten aus. Dass NS-Deutschland im Holocaust sechs Millionen Juden ermordete: Nach Ansicht der Hetz-Gemeinschaft ist das offenbar nichts anderes als Erfindung und Geschichtsfälschung. Monströse Verbrechen seien hingegen von den Alliierten an Deutschen verübt worden, hieß es in dem Forum. Vor allem F. soll sich nach den Ergebnissen der Ermittlungen mit Lügen und Hetze hervorgetan haben.
Von Dezember 2020 an soll sich der Rosenheimer in vielen Fällen geäußert haben. Und zwar auf kriminelle Art und Weise, indem er unter anderem die Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten verherrlichte. Vor allem soll der Rosenheimer seinem Hass auf Juden freie Bahn gelassen und die Gräueltaten in Konzentrationslagern geleugnet haben.
Die Anklageschrift schafft Einblicke in eine wirre Gedankenwelt. Bernd F. scheint demnach regelrecht besessen gewesen zu sein von Hakenkreuzen und anderen Nazi-Symbolen. Die Illustrationen des Reichsbürger-Kanals sind vielfach krude. So ist Hitler mit einem Außerirdischen abgebildet, ein Video soll sich mit fliegenden Untertassen in Nazi-Deutschland befassen.
Auch vor Drohungen schreckten der Rosenheimer und seine Gesinnungsfreunde nicht zurück. Der Mann, der sich vorm Amtsgericht verantworten muss, soll Mitarbeiterinnen der Stadt Rosenheim wegen eines Streits über die Zulassung seines Fahrzeugs mit Strafen bis hin zur Hinrichtung gedroht haben. Dabei soll sich der Mann Formulierungen bedient haben, wie sie für Reichsbürger typisch sind: Reichsbürger berufen sich oft auf die Theorie, dass Deutschland immer noch ein besetzter Staat sei, der unter alliierter Militärverwaltung und entsprechendem Kriegsrecht stehe.
Ebenso typisch für Reichsbürger ist die Gleichsetzung von Polizisten mit Söldnern, wie sie in einem vom Angeschuldigten verbreiteten Video vorkommt. Sie seien lediglich Angestellte von privaten Sicherheitsfirmen und als Freischärler zu behandeln. Für die öffentliche Verhandlung ist lediglich ein Tag vorgesehen, weitere Verhandlungstage sind allerdings damit nicht ausgeschlossen. Für den Prozess am Amtsgericht gelten auffallend strenge Vorschriften.
Gericht rechnet
heute mit Störern
Unter anderem werden die Ausweise von Besuchern nicht nur kontrolliert, von den amtlichen Dokumenten werden überdies Kopien angefertigt, um etwaige Störer zu ermitteln. Die strengeren Regeln seien nötig, weil davon auszugehen sei, dass der Angeschuldigte in Sozialen Medien zum Besuch der Sitzung aufrufe, heißt es vom Gericht.