In vielen Bereichen ist große Geduld gefragt

von Redaktion

Nachdem Teil 1 der großen OVB-Recherche gezeigt hat, dass die Wartezeiten bei einigen Fachärzten für alle Patientengruppen ähnlich sind, beleuchtet Teil 2 die Fachrichtungen, in denen Geduld gefragt ist. Hier zeigen sich teils erhebliche Unterschiede zwischen Kassen- und Privatpatienten – und Wartezeiten von vielen Monaten.

Rosenheim/Traunstein/Mühldorf/Berchtesgadener Land – Im ersten Teil unseres großen OVB/OVB24-Checks zur Terminsituation bei Fachärzten in der Region hat sich ein differenziertes Bild ergeben. Es wurde deutlich, dass in Fachbereichen wie der Orthopädie, Neurochirurgie oder bei HNO-Ärzten die Unterschiede bei der Wartezeit zwischen gesetzlich und privat Versicherten oft gering oder gar nicht vorhanden sind.

Auf eine harte
Probe gestellt

Doch dieser erste Eindruck täuscht über die teils dramatische Lage in anderen Spezialgebieten hinweg. Nun widmen wir uns den Fachrichtungen, in denen die Geduld der Patienten auf eine besonders harte Probe gestellt wird und die Zwei-Klassen-Medizin am deutlichsten spürbar ist.

In einer umfangreichen Recherche hat sich die Redaktion von OVB und OVB24 diesem Thema gewidmet. Zurate gezogen wurde dabei die digitale Gesundheitsplattform „Doctolib“ (Stand 23. Juli). Das Portal ermöglicht es Patienten, Arzttermine online zu buchen, zu verwalten und mit Medizinern zu kommunizieren. Es wird nicht von allen Niedergelassenen genutzt, immerhin sind hier jedoch 250 Ärztinnen und Ärzte sowie über 800 Gesundheitsfachkräfte aus den Landkreisen Rosenheim, Traunstein, Mühldorf, Altötting sowie dem Berchtesgadener Land registriert, teilt Dominik Kratzberg von „Doctolib“ auf Anfrage mit. Auf der Patientenseite seien mehr als 150000 Nutzerinnen und Nutzer aller Altersgruppen aus den jeweiligen Städten und Landkreisen angemeldet. Zunächst sei aber klargestellt: Es geht hier um normale Arztbesuche, nicht um Notfälle. Viele Praxen betonen auf ihren Webseiten, dass man sich in akuten Situationen immer telefonisch melden kann.

Eins wird bei der Recherche deutlich: Spitzenreiter bei den Wartezeiten im „Doctolib“-Portal sind die Hautärzte im Berchtesgadener Land. In der Hautarztpraxis von Dr. Borivoj Werner in Freilassing dauert es für Kassenpatienten, die sich über das Portal Doctolib neu vorstellen, etwa neun Monate, um einen Termin zu bekommen, für ein Hautkrebs-Screening sogar zehn Monate. Das geht bei den Privatpatienten deutlich schneller: Drei bis zehn Wochen warten neue Patienten auf einen Termin, auf ein Hautkrebs-Screening etwa 13 Wochen.

In Mühldorf ergibt sich ein ähnliches Bild. In der Dermatologie von Dr. Attila Stephan Antal gibt es für neue Kassenpatienten nur die Möglichkeit, einen Ästhetik-Beratungstermin online zu buchen. Darauf müssen sie circa sieben Wochen warten. Für Privatpatienten steht online deutlich mehr Auswahl zur Verfügung, unter anderem „Erstvorstellung Neupatient“, „Hautkrebs-Screening“ sowie „Sprechstunde“. Gedulden müssen sich aber alle Patienten. Rund fünf Monate dauert es für privat Versicherte, wenn sie zur Hautkrebsvorsorge oder in die Sprechstunde kommen wollen. Recht schnell geht es vergleichsweise im Haut- und Laserzentrum am Salinplatz in Rosenheim – zumindest für Privatpatienten. Innerhalb von wenigen Tagen – maximal acht – bekommen sie hier einen Termin für die Sprechstunde oder ein Hautkrebs-Screening. Kassenpatienten können nur eine Hautverjüngungs- oder Botox-Beratung sowie eine Beratung zur Laser-Haarentfernung auf „Doctolib“ vereinbaren. Die Wartezeit beträgt drei Tage. Andere Terminarten sind auf diesem Portal für gesetzlich Versicherte nicht freigeschaltet.

Auch in der Gynäkologie dauert es – sowohl für Privat- als auch für Kassenpatienten. Im Gyn-Zentrum Mühldorf warten gesetzlich Versicherte circa sechs Wochen auf einen Termin zur Krebsvorsorge, dreizehn Wochen als Neupatient. Das ist bei den Privatpatienten ähnlich, allerdings bietet das Gyn-Zentrum eine Privatsprechstunde an. Wer sie nutzen möchte, muss sich ungefähr eine Woche gedulden.

Bei den Augenärzten sind Dr. Mete Bengisu und Dr. Oana Bucur von den Inn-Salzach Augenzentren in Mühldorf beziehungsweise Altötting mit fünf Monaten Wartezeit und mit knapp drei Monaten Spitzenreiter. Den frühesten Termin bekommt man bei deren Kollegin Dominika Pohlmann binnen sechs Tagen. Unterschieden wird bei der Terminvergabe zwischen privat und gesetzlich Versicherten in dieser Praxis nicht.

Schneller geht es in der HNO-Praxis in Rosenheim: Bei Dr. Alexander Zwickl dauert es zwei bis sechs Tage, bei seinem Kollegen Dr. Rudolf Hohenthanner sind es fünf Tage, genauso wie bei Dr. Bernhard Heinrich in Kolbermoor. Im HNO-Zentrum in Prien müssen Patienten bis zu fünf Wochen ausharren, in der Außenstelle in Wasserburg sieben Tage. Das gilt ebenfalls für alle Patienten.

Speziell wird es bei den Radiologen. Hier wird zunächst unterschieden zwischen Magnetresonanztomografie (MRT) und Computertomografie (CT). Beim MRT können Patienten unter verschiedenen Terminarten, unter anderem für Kopf, Halswirbelsäule, Schulter, Hüfte, Fuß oder Kniegelenk, auswählen. Für die unterschiedlichen Körperteile gibt es verschiedene Wartezeiten von einem Tag, über acht und zwölf Tage bis zu eineinhalb Monaten – für Kassenpatienten. Bei privat Versicherten klappt es innerhalb eines Tages.

Beim CT ist es ähnlich. Hier müssen sich die Privatpatienten von einem bis zu sechs Tage gedulden, gesetzlich Versicherte sechs Tage. Ähnlich ist es beim MVZ InnMed in Oberaudorf. Hier dauert es zwischen zwei Wochen und einem Monat für Kassenpatienten, privat Versicherte bekommen innerhalb von neun Tagen einen Termin bei „Doctolib“.

Ähnlich komplex ist es bei den Kinderärzten: Von U3 bis zur U11 gibt es verschiedene Wartezeiten, von einem Tag bis zu drei Monaten in der Traunsteiner Kinderarztpraxis von Dr. Oliver Viethen. In der Kinder- und Jugendarztpraxis von Dr. Jürgen Geuder in Freilassing gibt es für die U3 binnen 14 Tagen einen Termin, bei seiner Kollegin Vera Diepold dauert es für die U3 rund sechs Wochen. Vergleichbar ist die Lage in Prien, dort warten die kleinen Patienten rund 14 Tage auf einen Termin für die U3 bei Kinderarzt Dr. Reinhard Hopfner.

Am längsten dauert es bei Dr. Cathrin Jell mit rund sechs Monaten – diese Angaben gelten für alle Patienten. Hier stellt sich definitiv die Frage, ob sich Eltern schon während der Schwangerschaft um einen Termin für die U3 kümmern müssen, da diese von der dritten Lebenswoche des Säuglings bis spätestens zur achten Lebenswoche nötig ist.

Lange Wartezeiten gibt es auch in der Gastroenterologie. Für eine Magen- und Darmspiegelung warten Kassenpatienten rund acht Monate bei Dr. Kilian Fach in Rosenheim. Für privat Versicherte dauert es circa einen Monat. In der Endokrinologie-Praxis von Dr. Stefan Pörtl & Kollegen bekommen Privatpatienten (auch neue) innerhalb von zwei Tagen einen Termin, für Kassenpatienten ist diese Buchungsmöglichkeit bei „Doctolib“ nicht freigeschaltet. Auch in der Gemeinschaftspraxis der Kardio- und Angiologie in Rosenheim gibt es nicht alle Buchungsmöglichkeiten für Kassenpatienten. Privat Versicherte bekommen innerhalb von zwei Tagen einen Termin, bei gesetzlich Versicherten dauert es – beispielsweise zur Herzschrittmacherkontrolle – rund sieben Wochen.

Festzustellen bleibt: Es dauert – und zwar für alle. Tendenziell scheinen Privatversicherte aber dennoch bevorzugt zu werden, allein schon im Hinblick auf die zahlreichen Optionen, die bei „Doctolib“ angeboten werden, die den Kassenpatienten aber zum Teil verwehrt bleiben. Oftmals werden gesetzlich Versicherte als neue Patienten über das Gesundheitsportal gar nicht zugelassen – Privatpatienten steht diese Möglichkeit offen.

Tendenziell
angespanntes Bild

Im Schnitt warten neue Kassenpatienten rund 43 Tage auf einen Facharzt-Termin, die längste Wartezeit beträgt circa 74 Tage. Zum Vergleich: Neue Privatpatienten warten im Schnitt 30 Tage – also 13 Tage weniger. Die längste Wartezeit für neue Privatpatienten liegt bei 57 Tagen – also 17 Tage weniger.*

Die Übersicht zur ärztlichen Terminvergabe in den Landkreisen Rosenheim, Mühldorf, Altötting, Traunstein und Berchtesgadener Land zeichnet ein gemischtes, aber tendenziell angespanntes Bild. Die Recherche mittels der Plattform „Doctolib“ bietet einen Einblick in die realen Wartezeiten und die Verfügbarkeit von Terminen in der Region. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede je nach Fachrichtung und teilweise auch nach Versicherungsstatus. Für viele Facharzttermine, insbesondere bei Haut- und Augenärzten sowie Gastroenterologen, müssen Patienten mit Wartezeiten von einigen Wochen bis hin zu mehreren Monaten rechnen. Das kann in manchen Fällen natürlich einen großen Unterschied bedeuten, insbesondere wenn ein wichtiger Termin ansteht. Insgesamt zeigt sich, dass Patienten oft auf eine harte Geduldsprobe gestellt werden, wenn sie einen Facharzttermin benötigen.

* Bei der Berechnung sind ausschließlich vergleichbare Daten berücksichtigt. Ärzte, die bei „Doctolib“ beispielsweise keine Terminbuchungen für Neupatienten anbieten, sind daher in dieser Analyse nicht enthalten.

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