Zwei-Klassen-Medizin in der Region?

von Redaktion

Wie lange dauert es wirklich, bis man einen Facharzttermin bekommt? Werden Privatpatienten bevorzugt? Wir haben in der OVB-Region intensiv recherchiert und sind der Frage auf den Grund gegangen, ob wir in einer Zwei-Klassen-Gesellschaft leben.

Rosenheim/Mühldorf/Traunstein/Berchtesgadener Land – Die Prognose ist schlecht: Alles spricht dafür, dass sich der Ärztemangel in den nächsten Jahren weiter vergrößern wird. Besonders im ländlichen Raum und bei Hausärzten ist die Lage schwierig, wie das Deutsche Ärzteblatt mitteilt.

Doch auch bei Fachärzten wie Hals-Nasen-Ohren- und Augenärzten, Gynäkologen, Urologen, Chirurgen, Orthopäden, Radiologen sowie Kinder- und Jugendärzten sind Termine schwer zu bekommen, heißt es immer wieder. Wie ist die Lage in der Stadt Rosenheim sowie in den Landkreisen Rosenheim, Mühldorf, Altötting, Traunstein und Berchtesgadener Land? Wie lange warten Interessenten im Schnitt auf eine Sprechstunde beim Facharzt? Und werden Privatpatienten bevorzugt behandelt, hinsichtlich der Terminvergabe? In einer umfangreichen Recherche hat sich die Redaktion von OVB und OVB24 diesen Fragen gewidmet. Zu Rate gezogen wurde dabei die Gesundheitsplattform „Doctolib“ (Stand 23. Juli). Das Portal ermöglicht es Patienten, Arzttermine online zu buchen, zu verwalten und mit Medizinern zu kommunizieren. Es wird nicht von allen Niedergelassenen genutzt, immerhin sind hier jedoch 250 Ärztinnen und Ärzte sowie über 800 Gesundheitsfachkräfte aus den Landkreisen Rosenheim, Traunstein, Mühldorf, Altötting sowie dem Berchtesgadener Land registriert, teilt Dominik Kratzberg von „Doctolib“ auf Anfrage mit. Auf der Patientenseite seien mehr als 150000 Nutzer aller Altersgruppen aus den jeweiligen Städten und Landkreisen angemeldet. Die zehn häufigsten vertretenen Fachrichtungen auf dieser Plattform sind Hausärzte/Allgemeinmediziner (zehn Prozent), Orthopäden und Unfallchirurgen (neun Prozent), Zahnärzte (neun Prozent), Frauenärzte/Gynäkologen (acht Prozent), HNO-Ärzte (sechs Prozent), Augenärzte/Ophthalmologen (sechs Prozent), Hautärzte/Dermatologen (fünf Prozent), Kinderärzte (fünf Prozent), Neurochirurgen (vier Prozent) sowie Orthopäden (vier Prozent), so Kratzberg.

Bekommen Privatpatienten schneller einen Termin als gesetzlich Versicherte? Pauschal lässt sich dies nicht beantworten. Studien belegen zwar, dass Privatpatienten bei der Terminvergabe bevorzugt behandelt werden, aber zumindest in der Umfrage der Redaktion für die OVB-Region scheint das nicht durchgehend der Fall zu sein. Zunächst sei aber klargestellt: Es geht hier um normale Arztbesuche, nicht um Notfälle. Viele Praxen betonen auf ihren Webseiten, dass man sich in akuten Situationen immer telefonisch melden kann.

In einigen Fachbereichen halten sich die Unterschiede in Grenzen. In der Praxisklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie in Mühldorf warten Patienten beispielsweise rund zwei Tage auf einen Termin. Anders bei der Orthopädie von Dr. Artur Bergmann in Traunstein: Etwa drei Wochen müssen Patienten ausharren, bei seinem Kollegen Christoph Knie aber nur sechs Tage. Das gilt für alle, egal ob privat oder gesetzlich versichert. In der Neurochirurgie gibt es ebenfalls keine Unterschiede bei den Wartezeiten zwischen Privat- und Kassenpatienten. In der Schön Klinik Bad Aibling bekommt man bei André Mück einen Termin in rund zwei Wochen, bei seinem Kollegen Dr. Gábor Madarassy in circa fünf Wochen.

Dem schließt sich die Urologie an: eine Woche Wartezeit bei Dr. Jürgen Schenk in Rosenheim und zwei Wochen bei seiner Kollegin Ariane Hartmann. Bei Urologe Klaus Bernhardt in Waldkraiburg warten Patienten rund drei Wochen, bei Dr. Suzan Oruc aus Burghausen sogar zehn Wochen – hier wird ebenfalls kein Unterschied nach Versicherungsstatus gemacht. Schneller geht es in der Hals-Nasen-Ohren-Praxis in Rosenheim: Bei Dr. Alexander Zwickl dauert es zwei bis sechs Tage, bei seinem Kollegen Dr. Rudolf Hohenthanner sind es fünf Tage. Das gilt ebenfalls für alle Patienten.

Die ersten Ergebnisse unserer Recherche deuten auf scheinbare Entspannung hin: In manchen Fachbereichen wie der Orthopädie oder der Neurochirurgie sind die Wartezeiten für alle Patienten überschaubar und die Unterschiede gering. Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Im zweiten Teil unserer Recherche beleuchten wir die Fachrichtungen, in denen die Geduld der Patienten wirklich auf die Probe gestellt wird und die Frage nach einer Zwei-Klassen-Medizin eine ganz neue Dringlichkeit bekommt. Wir zeigen, wo Kassenpatienten für einen Hautarzttermin bis zu zehn Monate warten müssen, während Privatpatienten bevorzugt behandelt werden, wie sich die Situation bei Radiologen, Gastroenterologen und Augenärzten darstellt und warum die Terminsuche bei Kinderärzten für Eltern einen regelrechten Kraftakt darstellt.

Artikel 2 von 11