Sebastian T.: „Ich hoffe, es klärt sich alles auf“

von Redaktion

Interview Der Angeklagte im Mordfall Hanna über seinen Alltag in Aschau nach der Haftentlassung

Aschau – 52 Tage ist es heute her, dass sich das Leben für Sebastian T. gedreht hat. Wieder einmal. Am 20. Juni wurde der 23-Jährige aus der Justizvollzugsanstalt Traunstein entlassen. Dort saß er ein Jahr lang als verurteilter Mörder, weil er 2022 die junge Studentin Hanna getötet haben soll, zuvor war er lange in Untersuchungshaft.

Doch seine Familie und seine Verteidigerin glauben nicht an seine Schuld, sondern an einen tragischen Unfall. Die Münchner Anwältin Regina Rick beauftragte weitere Gutachter – schließlich hob der Bundesgerichtshof das Urteil der Traunsteiner Richter auf. Im September muss der Fall neu verhandelt werden.

Seit seiner Entlassung ist der 23-Jährige, der vor seiner Festnahme eine Ausbildung zum Metallbauer gemacht hatte, wieder daheim in Aschau – das ist auch das Zuhause von Hanna, die hier in der Nacht auf den 3.Oktober 2022 gewaltsam den Tod fand.

Die Familien wohnen nicht weit voneinander entfernt, kannten sich vor Hannas Tod aber nur vom Sehen. Sebastian T., der vor Gericht keine Aussagen gemacht hatte, lebt zurückgezogen. Die Interviewfragen wurden ihm schriftlich gestellt.

Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie?

Wir erholen uns allmählich.

Wie haben Sie die ersten Tage in Freiheit verbracht?

Wir haben gemeinsam Weißwürste gegessen und am Abend sind wir zum Friedhof gefahren, da während der Haft meine Großmutter und meine Urgroßeltern verstorben sind. Kurz vor der U-Haft ist mein Großvater verstorben.

Was haben Sie seither gemacht?

Ich habe Tischtennis gespielt, Berge bestiegen, Karten gespielt. Ich bin Rad gefahren, gelaufen – und habe viel Eis und Spiegeleier gegessen.

Wie fühlt es sich an, durch Aschau zu gehen? Werden Sie angesprochen?

Ich war in Aschau noch nicht so wirklich unterwegs. Beim Laufen bin ich nur einmal komisch angeschaut worden.

Sind Sie seit Ihrer Freilassung Hannas Familie begegnet, die ja auch in Aschau lebt?

Nein.

Vor Gericht haben auch Freunde gegen Sie ausgesagt. Haben Sie die seither getroffen?

Ich habe im Moment keinen Kontakt zu jemandem, außer mit meiner Familie.

Was haben Sie in der Zeit, die Sie im Gefängnis verbringen mussten, am meisten vermisst?

Meine Familie, die Berge – und mich einfach wieder alleine bewegen zu können. Ohne Überwachung!

Was hat Ihnen im Knast Mut gemacht?

Meine Familie und meine Anwältin.

Haben Sie daran geglaubt, dass Sie so schnell raus dürfen?

Ich dachte, die Wahrheit würde schneller rauskommen. Unschuldig im Gefängnis ist jede Minute zu lang.

Haben Sie Angst vor einem neuen Prozess?

Ja, aber ich hoffe, es klärt sich alles auf. Für meine Familie und für die Familie von der Hanna.

Was wäre, wenn Sie erneut wegen Mordes verurteilt werden?

Dann würde ich an nichts mehr glauben.

Interview: Carina Zimniok

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