Rosenheim – Nach kühlen, regnerischen Tagen in Juli und Anfang August feiert der Sommer ein Comeback. Doch nicht jeder Rosenheimer feiert mit: Zu belastend ist für manche Menschen die Hitze. Wie man sich wappnen kann, was man vermeiden sollte, und ob der schnelle Sprung in den Chiemsee wirklich eine gute Idee ist – Dr. med. Julian Essmann von Romed in Rosenheim erklärt es im Gespräch.
Erst heiß, dann kalt, nun wieder heiß: So ist der Sommer 2025. Was macht das mit dem Körper?
Der menschliche Körper hält stets eine Körpertemperatur von ungefähr 36 oder 37 Grad aufrecht. Wird der Körper von außen aufgewärmt, stößt er Mechanismen an, um Wärme an die Umgebung abzugeben. Bei kalter Umgebung wiederum versucht er, Wärme einzusparen. Ein rascher Wechsel kann den Körper unter Stress setzen. Dann kann es zu Beschwerden kommen, man nennt das „Biotropie“. Der Deutsche Wetterdienst gibt aus diesem Grund sogar eine tägliche Meldung der Wettersituation für wetterfühlige Menschen heraus.
Sind derlei Wechselbäder ab einem bestimmten Alter schlechter zu packen?
Im Alter kommt es zu vielen Veränderungen. Und die können die Regulation der Temperatur beeinträchtigen. Das Herz wird schwächer, die Blutgefäße weniger flexibel, das Trinkbedürfnis ist geringer, man schwitzt weniger. Krankheiten können die Belastbarkeit des Körpers reduzieren, etwa Krankheiten der Lunge, des Herzens oder der Nieren. Es gibt Medikamente, die ebenfalls die Fähigkeit des Körpers zur Temperaturregulation hemmen. Etwa, indem sie Blutdruck und Herzfrequenz reduzieren oder die Wasserausscheidung steigern. Das kann ja sogar der gewünschte Effekt einer Tablette sein. Bei Hitze kann das aber Probleme machen.
Das betrifft nur ältere Menschen?
Nicht nur. Auch Schwangere und Kinder reagieren empfindlicher auf Hitze. Gefährdet sind aber auch Menschen, die sich wegen des Jobs oft draußen aufhalten.
Wie kann ich dem Körper bei der Hitze-Abwehr helfen?
Die effektivste Maßnahme des Körpers gegen starke Hitze ist das Schwitzen. Das auf der Haut verdunstende Wasser entzieht dem Körper Wärme. Das können wir unterstützen, indem wir Hautpartien befeuchten, zum Beispiel mit einem nassen Lappen auf der Stirn oder unter den Achseln. Auch ein kaltes Fußbad hilft, Wärme abzugeben. Und – genügend trinken: Das ist wichtig, um die Verluste an Flüssigkeit durchs Schwitzen auszugleichen. Dabei helfen auch Lebensmittel mit hohem Wassergehalt wie Obst oder Salat. Auch die Farbe des Urins kann helfen, den Flüssigkeitsstand des Körpers einzuschätzen. Wenn es geht, sollte man sich um die Mittagszeit in einer kühlen Umgebung aufhalten. Erledigungen wie Einkäufe und Arztbesuche sollte man entweder früh am Tag oder abends erledigen.
Welche Rolle spielt körperliche Fitness?
Körperliche Fitness ist auch gut gegen Hitze. Verliert man durch Schwitzen Flüssigkeit, kann das Herz durch eine Steigerung der Herzfrequenz den Blutdruck stabil halten. Ein anderer Mechanismus ist die Dehnbarkeit der Blutgefäße. Einerseits können sie sich an der Hautoberfläche erweitern, um Wärme abzugeben, andererseits im Körperinneren zusammenziehen, um den Blutdruck aufrechtzuerhalten. Beide Fähigkeiten werden durch körperliche Aktivität verbessert. Tasten Sie einmal ihren Herzschlag, während Sie in der Sauna sitzen. Sie werden feststellen, dass die Herzfrequenz ansteigt, ähnlich wie beim Sport. Das liegt daran, dass die Durchblutung der Haut gesteigert wird, da das Blut dort die Wärme abgeben kann. Wir sehen also, dass das Herz-Kreislauf-System eine wichtige Rolle bei der Wärme-Regulation spielt. Deshalb sind Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch durch Hitze besonders gefährdet.
In oberbayerischen Seen sind in den vergangenen Wochen ungewöhnlich viele Menschen gestorben. Darunter viele Ältere. Was hat die doch manchmal enorme Hitze damit zu tun?
Wir haben gesehen, dass an heißen Tagen die Hautdurchblutung gesteigert wird. Die Wärmeabgabe im Wasser erfolgt deutlich stärker als in der Luft. Springt man abrupt ins Wasser, muss der Körper also die Hautdurchblutung rasch normalisieren, damit es nicht zu einer Unterkühlung kommt. Der rasche Wechsel von Wärmeabgabe zu Wärmespeicherung erfordert eine schnelle Anpassung. Im Alter kann das möglicherweise schwierig werden. Und so kann im kalten Wasser der Blutdruck abfallen oder das Herz schwächer durchblutet werden. Es gelten daher altbekannte Regeln: kein Alkohol vor dem Schwimmen, kein Schwimmen mit vollem Magen und am besten in Begleitung. Geben Sie dem Körper Zeit, um sich an die Kühle zu gewöhnen. Und wenn eine Herz-Kreislauf-Erkrankung bekannt ist, sollten Sie sich vorm Schwimmen vom Hausarzt beraten lassen.
Viele Leute haben den Eindruck, sie schlafen in tropischen Nächten schlecht. Helfen da ein Gläschen Wein oder Tabletten?
Einschlafstörungen bei erhöhten Temperaturen sind häufig. Entscheidend ist, die Temperatur in der Wohnung niedrig zu halten, indem Sie nur frühmorgens und spätabends lüften und tagsüber die Fenster abdunkeln. Die Temperaturempfehlung des Umweltbundesamtes für das Schlafzimmer liegt bei 17 Grad. Es kann helfen, den Körper mit einer lauwarmen Dusche vor dem Zubettgehen abzukühlen. Weitere schlaffördernde Verhaltensweisen kennen wir unter dem Begriff „Schlafhygiene“. Also keine schweren Mahlzeiten vor dem Schlafengehen, keine körperliche Aktivität mit weniger als drei Stunden Abstand zum Schlafengehen. Und vermeiden Sie Stimulantien wie Alkohol, Koffein oder Nikotin vor dem Schlafengehen.
Was sollte man noch unbedingt vermeiden?
Herausfordernde sportliche Aktivitäten in praller Sonne können auch für gesunde Menschen gefährlich werden. Überlastet man die Hitzeabwehr, kommt es zum Anstieg der Körpertemperatur über 38 Grad. Das kann lebensbedrohlich sein. Wir nennen dies einen Hitzschlag. Sollten Sie in der Hitze draußen jemanden antreffen, der starke Kopfschmerzen hat, verwirrt ist oder sich erbricht: Zögern Sie nicht, den Rettungsdienst zu verständigen und den Menschen in eine kühle Umgebung zu bringen.
Interview: Michael Weiser