Betroffene wütend über „Skandal“

von Redaktion

FlexiCamper-Pleitiers haben Großteil ihrer Strafe bereits abgesessen

Rosenheim – Die Verteidiger marschieren durch den Flur ab, Siegfried H. und Jessica K. werden gerade zurück in U-Haft in Stadelheim gebracht. Draußen, vorm Saal 266 im Landgericht II in München, stehen immer noch Annett Liedke und Jürgen Deinhart aus Siegsdorf. Sie sind extra nach München gefahren, „stellvertretend für die vielen anderen Betroffenen“. Kein leichter Gang, schließlich schmerzt der Verlust noch immer. Nun um so mehr: Die beiden sind sauer über das Urteil – über die vier Jahre Haft für Siegfried H. und die drei Jahre für Jessica K.

Kopfschütteln nach der Urteilsverkündung

Richter Martin Meixner hat die Strafen wenige Minuten zuvor verkündet. Und damit Kopfschütteln bei dem Pärchen ausgelöst. Einen „Skandal“ nennt Deinhart das Urteil. „Eine höhere Haftstrafe hätte uns schon Genugtuung bereitet“, sagt Liedke. Andererseits, so sagt es dann Deinhart nach kurzem Nachdenken, „auch zehn Jahre Haft bringen uns das Geld nicht zurück.“ 33000 Euro haben die beiden verloren, „davon werden wir nichts wiedersehen“, sagt Deinhart.

Auch innerhalb der Whatsapp-Gruppe von Betroffenen schlagen die Wogen hoch. „Unser Justizsystem ist so armselig“, schreibt einer. Dann könne H. „ja bald die nächste Insolvenzmasche planen. Unglaublich.“ Ein Betroffener aus Rosenheim sieht „die Justiz um den Finger gewickelt. So traurig!“ Anderen fehlen fast die Worte. „Das muss ich erstmal verdauen“, schreibt einer. Hauptsache hinter Gittern, meint ein weiterer Betroffener: „Ich wünsche Menschen nichts Böses. Aber die beiden sollen den Knast mal so richtig kennenlernen.“ Verständnis für die Entrüstung der beiden anwesenden Betroffenen über H. und K. äußert K.s Anwalt Peter Wagner. „Ich kann Ihre Position verstehen“, sagt er zu Liedke und Deinhart. Andererseits gehe es in einem Strafprozess nicht darum, die Forderungen von Gläubigern zu befriedigen. Ob er Rechtsmittel einlegen wird, weiß er noch nicht. Wie auch die Anwälte von Siegfried H. Man müsse das erst mit den Mandanten besprechen, sagen die Verteidiger unisono. Im Falle von Jessica K. lohne sich das eigentlich nicht, sagt Wagner. Sie könne nach absolvierten 20 Monaten U-Haft nunmehr innerhalb von drei oder vier Monaten freikommen.

In einem Punkt ist
die Strafe lebenslang

Bei H. dauert es entsprechend länger, nach der Zwei-Drittel-Regel zur Freilassung auf Bewährung hätte er noch gut ein Jahr vor sich. Ob er deswegen härter büßt? Kaum. Denn in einem Punkt hat seine vormalige Geschäftsführerin, die nach Meinung der Justiz große Mitschuld hatte am Lügengebäude des FlexiCamper-Konstrukts, eine lebenslängliche Strafe aufgebrummt bekommen. Sie hat im Zuge des Firmenuntergangs Bürgschaften in Höhe von vier Millionen Euro aufgenommen. Und zwar während der Begehung von Straftaten, weswegen die Flucht in die Privat-Insolvenz wohl ausgeschlossen ist. Sie kann arbeiten, was sie will – Geld wird sie nur bis zur Pfändungsgrenze erhalten.

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