Rosenheim – Wie kann das sein? Im Versorgungsatlas der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) ist eine Region als überversorgt klassifiziert, weitere Kassenarzt-Sitze können also nicht ausgewiesen werden. Und gleichzeitig sind die Wartezimmer rappelvoll, auf neue Termine müssen Patienten oft Wochen und Monate warten. Leser aus der Gesundheitsbranche vermuten, dass dies an der Bedarfsplanung der Kassenarzt-Sitze liegen könnte, die auf veralteten Zahlen aus den 1990er-Jahren basiere. Seitdem habe sich viel verändert: Die Niedergelassenen seien älter geworden, die Behandlungen umfangreicher. Die Verhältniszahl zwischen Arzt und Bevölkerung sei veraltet.
Einheitlichkeit
mit Abweichungen
Stimmt das? Wir haben beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nachgefragt. Dieser ist vom Gesetzgeber, dem Bundesgesundheitsministerium, beauftragt, einen bundesweit einheitlichen Planungsrahmen für die medizinische Versorgung zu definieren. Auf Landesebene werden daraus Bedarfspläne erstellt, die regionale Bedürfnisse berücksichtigen und bei Bedarf vom Bundesrahmen abweichen können, teilt der Ausschuss mit. Die 17 Kassenärztlichen Vereinigungen hätten den gesetzlichen Auftrag, die ambulante medizinische Versorgung sicherzustellen. Ziel sei ein bundesweit gleichmäßiger und bedarfsgerechter Zugang zur Versorgung für gesetzlich Versicherte.
Die Verhältniszahlen von Einwohnern pro Praxis stammen laut Pressestelle des Bundesausschusses nicht aus den 90er-Jahren. Der G-BA passe sie alle zwei Jahre über einen sogenannten Morbiditätsfaktor an. Dieser berücksichtige die Bevölkerungsstruktur (Alter, Geschlecht) und den allgemeinen Versorgungsbedarf. Auf Landesebene würden diese Zahlen weiter verfeinert, um auch den regionalen Morbiditätsgrad (Krankheitslast) abzubilden. So könnten in Regionen mit kränkerer Bevölkerung mehr Ärzte tätig sein. Die Bedarfsplanung berücksichtige auch angestellte und in Teilzeit arbeitende Ärzte. Ein Vertragsarzt mit vollem Versorgungsauftrag darf laut G-BA bis zu drei Ärzte in Vollzeit anstellen, in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) ist die Zahl nicht begrenzt. Für Anstellungen sei eine Genehmigung erforderlich, die unter bestimmten Voraussetzungen auch in gesperrten Planungsbereichen erteilt werden könne.
Bedarfsplanung
mit Aktualisierungen
Auf die Überalterung der Ärzteschaft und anstehende Ruhestandswellen reagieren die Kassenärztlichen Vereinigungen laut Bundesausschuss auf Landesebene. Sie könnten im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrags zeitnah auf regionale Veränderungen eingehen, da die Bedarfspläne in der Regel alle sechs Monate fortgeschrieben würden.
Die bundeseinheitlichen Richtlinien würden im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beschlossen. Stimmberechtigt seien hier der GKV-Spitzenverband, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft sowie drei unparteiische Mitglieder. Patientenorganisationen und Bundesländer hätten ein umfassendes Mitberatungs- und Antragsrecht, aber per Gesetz kein Stimmrecht. Die Beschlüsse des G-BA treten erst nach einer Prüfung durch das Bundesministerium für Gesundheit in Kraft. Heike Duczek