Hinweis

Mordprozess gegen Eva F. beginnt

von Redaktion

Ihre Tat löste Entsetzen weit über die Region hinaus aus. Seit gestern muss sich eine Rosenheimerin (39) wegen des Doppelmordes an ihren Kindern am Landgericht in Traunstein verantworten. Groß ist die Belastung auch für die Zeugen im Gerichtssaal.

Traunstein – Ein Arbeitskollege der Beschuldigten war der Erste am Tatort. Weil er helfen wollte. Und ihm brach die Stimme, als er im Landgericht Traunstein den Moment schilderte. Den Moment früh morgens am 25. Dezember 2024, als er das Schlafzimmer von Eva F. betrat. Als er die Mutter zusammengesackt auf der Bettkante sitzen sah. Dahinter etwas, was er zunächst für einen Scherz hielt, wie er sagte. Wohl, weil sich sein Kopf weigerte zu akzeptieren, was die Augen vermittelten: das Blut, die beiden leblosen Körper hinter der Mutter. „Ich hab erst gedacht, da liegen zwei Puppen im Bett“, sagt er.

Zustand der
Schuldunfähigkeit

Der Zeuge sagte am ersten Tag des Mordprozesses gegen Eva F. am Landgericht in Traunstein aus. Der 39-Jährigen wird vorgeworfen, zwei ihrer drei Kinder erschlagen zu haben. Im Zustand der Schuldunfähigkeit. Es gibt daher eine Antrags-, keine Anklageschrift. Und es ist davon auszugehen, dass sie nach einem Schuldspruch in einer forensischen Klinik untergebracht wird.

Eva F. sei seine Kollegin, sagte der Zeuge. Er habe mit ihr ein freundschaftliches Verhältnis. Sie sei „psychisch nicht stabil gewesen, zerstreut, nervös, ängstlich“. Dann, nach einem letzten Telefonat, schrillten bei ihm die Alarmglocken. Er habe Verzweiflung herausgehört. Und er habe nach den Kindern gefragt. „Die sind gut aufgehoben“, habe Eva F. gesagt. Da stieg er ins Auto. Rief unterm Fahren zweimal an. Ohne Erfolg. Er klopfte an der Tür von Eva F.s Wohnung. Nichts. Er ging ums Haus herum, zur Terrasse. Dort habe ein Radio Musik gespielt. Die Terrassentür war nicht abgesperrt. So betrat er die Wohnung. Er sei immer noch in psychologischer Betreuung, sagt er.

Sechs Jahre war der Sohn alt, sieben die Tochter, als Eva F. sie in der Nacht auf den 25. Dezember mit einer Axt erschlug. Über 70-mal soll sie zugeschlagen haben. Eine Tat, die vielen Menschen bis heute zu schaffen macht. Ein Dienstgruppenleiter beschrieb, wie seine Leute erst die blutverschmierte Mutter erblickten, dann die Wohnung routiniert auf Gefahr checkten. Und dann erst die Kinder entdeckten – mit Verletzungen, „die mit Leben nicht mehr vereinbar waren“. Wiederbeleben konnten sie dagegen die Mutter, die offenbar versucht hatte, sich das Leben zu nehmen.

Die Kollegen verfolgten seitdem die Bilder, sagt der Dienstgruppenleiter. Ein Kollege halte das Lied nicht mehr aus, das aus dem Radio klang, als er den Tatort betrat. Er habe die Polizisten, die zuerst am Tatort waren, wie „versteinert“ gesehen, sie seien nicht mehr handlungsfähig gewesen. „Der entsetzlichste Einsatz, den ich jemals gesehen habe“, sagt einer der Polizisten. Eine Polizistin ist bis heute arbeitsunfähig.

Auch der Ex-Partner von Eva F. sagte aus. Er ist Nebenkläger. Er schonte sie in seiner Aussage nicht, berichtete, dass seine Partnerin „exzessive Verhaltensweisen“, gezeigt habe. Es habe „viele, viele Konflikte auf allen Ebenen“ gegeben, im Freundeskreis ebenso in der Arbeit. Im Dezember 2023 habe er sich von ihr getrennt.

Ex-Partner schildert
dramatische Szenen

Was warf Eva F. aus der Bahn? Auch er kann es nicht klären. Vielleicht sei sie über den Tod des Vaters nicht hinweggekommen, der sich das Leben genommen habe. Es habe schwierige Nachbarschaftsverhältnisse gegeben, und dann sei auch noch Corona gekommen. „All das war nicht ideal.“ Zeitweise habe Eva F. schwer getrunken. Wie andere Zeugen auch berichtet er, dass Eva F. geradezu wahnhaft von angeblichem Missbrauch an ihrem Sohn sprach.

Er habe das länger ertragen, als es gesund sei. „Es war schon so, dass Eva die Kinder geliebt hat“, aber Streitigkeiten seien schnell eskaliert, und dann habe es bei ihr „kein Links und kein Rechts mehr gegeben“, dann seien auch Gläser und Tassen geflogen. Seine Ex habe „Gott und die Welt mit Nachrichten zugebombt“, brachte nichts mehr zustande. Daher habe er seine Gefährdungsmitteilung ans Jugendamt abgegeben: aus Sorge um Verwahrlosung der Kinder.

Der Mann trägt das abgeklärt, ja fast gelassen vor. Bis er zum Morgen des 25. Dezember kommt. Ein Freund habe ihm mitgeteilt, dass in der Umgebung der Wohnung überall Blaulicht zu sehen sei. Er habe dann einen Nachbarn angerufen, der das Telefon dann an einen Polizisten weitergegeben habe, erzählt er mit brechender Stimme. Ob es den Kindern gut gehe, habe er gefragt. Der Polizist habe nur geantwortet, dass bereits eine Streife zu ihm unterwegs sei.

Schwer zu ertragen war die Aussage der Mutter von Eva F. Sie berichtete vom Weihnachtsfest zusammen mit ihrer Tochter und den Enkelkindern. „Bleibts doch da“, habe sie gesagt, aber der Sechsjährige habe zu Hause schlafen wollen. So auch seine Schwester. Der andere Bruder dagegen sei bei der Oma geblieben. Dort, wo dann um 4.30 Uhr morgens Polizisten klingelten.

Die ältere Frau brach immer wieder in Tränen aus, auch wenn Richter Volker Ziegler so mitfühlend nachhakte wie nur möglich. „Meine Tochter war eine gute Mutter“, sagt sie. „Was da passiert ist, kann ich mir nicht vorstellen.“

Die psychiatrische Sachverständige Martha Hoyos hat in der Forensischen Psychiatrie in Taufkirchen regelmäßig mit Eva F. zu tun. Sie berichtete von Wahnzuständen, von Alkoholmissbrauch und Selbstmordgedanken der 39-Jährigen. Im persönlichen Umgang sei sie „dankbar und respektvoll“. Sie wisse, warum sie Medikamente nehmen müsse. Sie schäme sich und sei traurig. Als danach ein Polizeibeamter die Tatwaffe präsentierte, senkte sie den Kopf. Danach wandte sie sich an die hinter ihr sitzenden Mitarbeiter der Psychiatrie. Die händigten ihr eine Tablette aus.

Nächste Verhandlung
am 8. September

Hat die 39-Jährige erfasst, was sie getan hat? Die meiste Zeit über folgte sie der Verhandlung mit unbewegtem, traurigem Gesicht. Manchmal flüsterte sie mit ihren Verteidigern Harald Baumgärtl und Alexander Kohut. Eine ehemalige Kollegin, die eben als Zeugin ausgesagt hat, grüßte sie mit einer scheuen Bewegung der Hand.

Mit einem Urteil ist am 8. September zu rechnen. Zum Abschluss des Verhandlungstages sprach sich ein Gutachter für die Unterbringung in der Psychiatrie aus. Auch wenn die 39-Jährige keine ausgeprägte psychotische Störung habe.

Schnelle Hilfe bei psychischen Krisen

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