Rosenheim – Vor einem Jahr schockierte die Nachricht die Region: Die Staatsanwaltschaft Traunstein bestätigte, dass sie ein Ermittlungsverfahren gegen eine ehemalige Ärztin „in der gynäkologischen Abteilung“ einer Romed-Klinik führe. „Derzeit besteht ein Anfangsverdacht hinsichtlich einer fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung in 11 Fällen“, teilte die Pressestelle damals auf Anfrage mit.
Grund sei eine anonyme Anzeige bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg, welche zuständigkeitshalber nach Traunstein weitergeleitet worden sei. „Gegenstand der anonymen Anzeige waren Vorwürfe hinsichtlich Behandlungsfehlern im Zusammenhang mit Entbindungen. In der Anzeige benannte der anonyme Verfasser weder Verantwortliche noch namentlich Betroffene.“
Die Staatsanwaltschaft beantragte zur Abklärung der Vorwürfe ein Vorermittlungsverfahren. Es ging zuerst darum, „die Identität von etwaigen Zeugen, Geschädigten und Beschuldigten zu ermitteln“. Nach den Zeugenvernehmungen sprach die Staatsanwaltschaft von einem Anfangsverdacht und leitete ein Ermittlungsverfahren ein.
Die Folge waren im August 2024 Durchsuchungen im Romed-Klinik-Verbund. Und auch ein politisches Beben, bei dem der Aufsichtsrat des Romed-Klinik-Verbundes in den Fokus rückte. Die zentrale Frage: Hat das Gremium angemessen auf bekannte Vorwürfe gegenüber medizinischen Entscheidungen reagiert? Der Aufsichtsrat, der selber einen Gutachter einschaltete, wies Kritik an seiner Vorgehensweise zurück.
Schon im Frühherbst 2024 hatte die Staatsanwaltschaft betont, es sei nicht absehbar, wann mit dem Abschluss der Ermittlungen gerechnet werden könne. Grund sei der „Umfang der gesicherten Unterlagen“. Jetzt ist es fast ein Jahr her und ein Ergebnis steht nach wie vor aus.
Dr. Rainer Vietze, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Traunstein, teilt auf Anfrage mit, derzeit werde „ein geeigneter Sachverständiger oder eine geeignete Sachverständige zur Erstellung des erforderlichen Fachgutachtens ausgewählt“. Aktuell habe die Verteidigung Gelegenheit zur Stellungnahme.
Anschließend werde das Fachgutachten in Auftrag gegeben. „Die Erstellung dieses Gutachtens wird schon aufgrund des Umfangs der sichergestellten Unterlagen voraussichtlich erhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Deshalb ist es nicht möglich, eine Aussage zu treffen, wie lange die Ermittlungen noch andauern werden“, so Vietze. Als Grund nennt der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, dass „eine Vielzahl an Patientenakten sorgfältig gesichert, geprüft und gutachterlich bewertet werden müssen; insgesamt handelt es sich um über 200 Patientenakten (Mutter/Kind)“.
Vietze bestätigt auf OVB-Nachfrage, dass nach der ersten Durchsuchung im August 2024 wenige Monate später, Anfang März 2025, bei Romed erneut ein gerichtlicher Durchsuchungsbeschluss vollzogen worden sei. „Dabei wurden weitere Unterlagen als Beweismittel sichergestellt“, so der Sprecher. Zur Art und Weise des Vollzugs des Durchsuchungsbeschlusses werde aus ermittlungstaktischen Gründen keine Auskunft erteilt.
Der Romed-Verbund nimmt zu diesem Vorgang wie folgt Stellung: „Im Zuge eines komplexen Ermittlungsverfahrens ist es ein völlig normales Vorgehen, dass ein weiterer inhaltlicher Austausch erfolgt und gegebenenfalls noch Unterlagen angefordert werden. Auf Nachfrage in der Zentralverwaltung in Rosenheim wurden im März weitere Akten übergeben. Von einer Hausdurchsuchung kann daher in diesem Sinne nicht die Rede sein.“ Was den aktuellen Stand anbelangt, erklärt die Staatsanwaltschaft auf OVB-Anfrage: „Aktuell ist das Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen.“ Und weiter: „Zu Gunsten der Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.“
Wie es nun weitergeht
„Es kommt darauf an, welche Art von Abschlussverfügung die Staatsanwaltschaft nach Bewertung der gesamten Ermittlungen und insbesondere des Gutachtens treffen wird“, so Vietze. Im Falle einer Einstellung des Verfahrens gebe es unterschiedliche Einstellungsarten, die das Ermittlungsverfahren gegebenenfalls beenden könnten. „Sollte Anklage erhoben werden, so würde das zuständige Gericht entscheiden, ob die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen wird. Falls ja, würde es am Landgericht Traunstein zu einer Hauptverhandlung kommen.“
Doch bisher kann laut Vietze nicht einmal der Ermittlungsabschluss vorhergesagt werden. Als nächster Schritt folge die gutachterliche Überprüfung.
Die Anwaltskanzlei, die die beschuldigte Ärztin vertritt, nimmt auf OVB-Anfrage nicht Stellung zu Fragen der Redaktion.