Bayrischzell/Sudelfeld – Seit über drei Monaten ist Ruhe am Sudelfeld – zumindest beschreiben es so einige Anwohner. Die bei Motorradfahrern beliebte Strecke ist seit dem 30. April einseitig für Biker gesperrt. Und was die einen freut, sorgt bei den anderen für Frust. Denn eine Art „Sippenhaft“ für alle Motorradfahrer, nur weil sich manche nicht zu benehmen wissen, stößt an mancher Stelle auf Unverständnis. So auch beim Bundesverband der Motorradfahrer, der am 20. September zu einer Demonstration gegen die Sperrung aufruft.
„Wir lassen uns das nicht gefallen, wir sind ungehalten“, macht Rainald Mohr, Vorstandsmitglied im Motorradfahrer-Verband und Referent zum Thema Streckensperrung, deutlich. Und das wolle man mit der Demo auch den Politikern in der Region zeigen. Losgehen soll es am 20. September, ab etwa 12 Uhr, auf der Loretowiese in Rosenheim. Dort sind verschiedene Reden geplant. Zum Abschluss soll ein Demo-Zug in Richtung Sudelfeld, die gesperrte Strecke hinauf bis zum Schnauferlwirt führen. Die Veranstalter rechnen – je nach Wetter – mit bis zu 1000 Teilnehmern.
Fahrt über die
verbotene Strecke
Die Demo-Fahrt soll das Sudelfeld nach oben führen. Also genau über die Strecke, die die Biker unter normalen Umständen nicht mehr befahren dürften. „Normalerweise kann man eine Demonstration auch über eine gesperrte Strecke nicht verbieten“, sagt Mohr. „Nur wenn ganz schwerwiegende Gründe, also schwere Gefahr oder schwere Gewalt, drohen. Das ist aber bei uns nicht der Fall.“ Bei der Demo stehe das Demonstrationsrecht über dem Straßenverkehrsrecht. Beim Kooperationsgespräch mit den entsprechenden Behörden sei es dann wohl zunächst zu einer Meinungsverschiedenheit gekommen, wie Mohr, der in Rosenheim vor Ort war, berichtet.
„Haben versucht,
uns zu blockieren“
„Sie haben versucht, uns komplett zu blockieren“, beklagt sich Mohr über das Landratsamt. „Es fing damit an, dass sie gesagt haben, eine Motorradfahrt sei keine Demonstration.“ Für Mohr unverständlich. Schließlich habe der Verein bereits in etlichen Bundesländern Demos dieser Art durchgeführt. Zudem seien noch weitere Kritikpunkte auf den Tisch gekommen. „Wir wollen hier keinen Ärger machen, aber blockieren lassen wir uns nicht.“ Dementsprechend habe Mohr das Gespräch letztlich beendet und angekündigt, die Sache vom Juristen des Verbandes klären zu lassen.
Die OVB-Redaktion hakte beim Landratsamt nach, was an den Blockade-Vorwürfen dran sei. Kurz darauf erhielt Mohr seiner Schilderung zufolge einen Anruf, dass die Demo nun doch wie angemeldet durchgeführt werden könne. Vonseiten des Landratsamts (LRA) folgte dann im Laufe des Tages eine Stellungnahme. Darin heißt es unter anderem: „Das Gespräch verlief aus Sicht der Versammlungsbehörde sehr offen und sachlich. Allerdings konnten dabei verschiedene sachliche und rechtliche Fragen noch nicht abschließend geklärt werden.“ So unter anderem die Fläche für die Auftaktkundgebung oder die Möglichkeit des Befahrens der für Motorradfahrer gesperrten Strecke am Sudelfeld. Es sei zwischen allen Beteiligten vereinbart worden, dass diese Fragen noch geklärt werden und dann eine weitere Abstimmung stattfinde. „Der Vorwurf, dass das LRA ‚die Demo blockiere‘ kann von unserer Seite aus nicht nachvollzogen werden.“ Weitere Aussagen, ob die Demo nun so wie vom Verband angemeldet, stattfinden kann, könne man „bis zum endgültigen Abschluss des Verwaltungsverfahrens“ nicht treffen.
Zudem ergänzt das Landratsamt, dass Kooperationsgespräche immer dann stattfinden, „wenn nicht auszuschließen ist, dass die Durchführung einer Versammlung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen kann.“ Dem Verband ist es wichtig, zu betonen, dass er die Missachtung von Verkehrsregeln, die Manipulation von Fahrzeugen, Raserei und Posen ebenso ablehnt, wie einseitig gegen Motorradfahrer gerichtete Maßnahmen. Man wolle die Kundgebung auch nutzen, um Motorradfahrer zu rücksichtsvollerem Verhalten im Straßenverkehr aufzufordern. Zur Demo eingeladen sind nicht nur Motorradfahrer und -freunde. Auch an einige Politiker gingen Einladungen raus, wie Mohr erklärt. So unter anderem an Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). „Der hat abgesagt, das war zu erwarten“, sagt Mohr. Zudem wurden Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) eingeladen. Beide haben noch nicht auf die Einladung reagiert. Bereits abgesagt hat hingegen die Rosenheimer Bundestagsabgeordnete und Innen-Staatssekretärin Daniela Ludwig (CSU) – zur großen Enttäuschung der Demo-Organisatoren.
Daniela Ludwig attackiert Verband
„Daniela Ludwig behauptet auf ihrer Webseite, sie habe sich massiv für diese Sperrung eingesetzt“, sagt Mohr gegenüber dem OVB. „Ich hatte sie angeschrieben, wir haben ihr ein Gespräch angeboten, das hat sie aber nicht angenommen.“ Ludwig hingegen dementiert diese Behauptung. „Der Bundesverband der Motorradfahrer hat sich im April bei mir gemeldet, mit der Bitte um eine Stellungnahme zur Sperrung der Sudelfeldstrecke. Dieser Bitte bin ich wenige Tage später selbstverständlich nachgekommen. Ich habe dem Verband meine Haltung und die Hintergründe für die Teilsperrung ausführlich erläutert“, erklärt Ludwig auf OVB-Anfrage.
Auch die Anfrage zur Demo-Teilnahme habe sie zeitnah beantwortet. „Aufgrund bereits bestehender Verpflichtungen konnte ich leider nicht zusagen und habe gebeten, mein Fehlen zu entschuldigen“, ergänzt sie weiter. Zudem betont die Bundestagsabgeordnete, dass es in der Sache nicht darum gehe, leichtfertig Verbote auszusprechen oder den Motorradfahrern die Freude am Fahren zu nehmen. „Aber wenn sich allein zwischen 2018 und 2024 auf dieser Strecke 97 Unfälle mit Motorrad-Beteiligung ereignet haben, darunter zwei Todesfälle, 40 Schwer- und 58 Leichtverletzte, dann muss im Zweifel auch mit unpopulären Maßnahmen reagiert werden.“ Zumal andere, mildere Maßnahmen zuvor keine Verbesserung gezeigt hätten. „Hier hätte der Verband durchaus auf seine Mitglieder intern einwirken können, sich regelkonform zu verhalten. Das hätte vielleicht allen die Anwendung des letzten härtesten Mittels erspart“, merkt Ludwig an. Insofern bliebe ihr nichts anderes, als um Verständnis für diesen zeitlich begrenzten Verkehrsversuch zu werben.
Demo soll „politischen Druck erzeugen“
Weiterhin offen ist auch noch die Einladung von Rosenheims Landrat Otto Lederer (CSU). Auch dieser habe dem Verbandssprecher zufolge eine Einladung zu einem Gespräch nicht angenommen. Ob er zur Demonstration erscheinen wird, ist noch nicht klar. Dem Verband liegt noch keine Antwort vor. Und auch bei der Pressestelle des Landratsamts könne man darüber derzeit keine Auskunft geben, da sich Lederer derzeit im Urlaub befinde.
Der Motivation der Demo-Organisatoren tut das allerdings keinen Abbruch. „Die Demo hat die Aufgabe, politischen Druck zu erzeugen“, macht Mohr deutlich. Und er kündigt auch direkt weitere Demos an, sofern das Verbot – wie bisher geplant – auch im kommenden Jahr noch bestehe. Parallel hat der Verein auch eine Klage gegen die Sperrung beim Verwaltungsgericht München eingereicht. Da solche Gerichtsverfahren allerdings erfahrungsgemäß immer über eine längere Zeit laufen, werde man das Thema weiterhin „mit massiven Demonstrationen begleiten.“