Blick den Inn hinab

Inn-Hochwasser 2005 – Lehren und Folgen

von Redaktion

20 Jahre danach – Mehr Schutz, gestiegene Verantwortung – Wasserwirtschaftsamt zieht Bilanz

Rosenheim – Am 23. August 2005 erlebte der Inn bei Rosenheim das größte gemessene Hochwasserereignis seit über 200 Jahren. Dieses überregionale Ereignis verursachte Schäden in der Schweiz, Österreich und Süddeutschland. Allein in Bayern beliefen sich die Schäden des August-Hochwassers 2005 auf 172 Millionen Euro. Seitdem hat sich im Amtsgebiet des Wasserwirtschaftsamts Rosenheim viel getan. Der Freistaat, die Gemeinden und die Wasserkraftbetreiber am Inn (VERBUND) investierten rund 400 Millionen Euro in wasserbauliche Maßnahmen.

„Norbert“ war schuld
an der 200-Jahre-Flut

Das Hochwasser entstand durch das Tiefdruckgebiet „Norbert“, das vom Mittelmeerraum in Richtung Osteuropa zog. Diese Wetterlage brachte feuchtwarme Luft nach Bayern, wo sie auf kalte Luftmassen traf, kondensierte und abregnete. Das Tief folgte einer sogenannten Vb-Zugbahn und verursachte vor allem im alpinen Einzugsgebiet des Inns erhebliche Niederschläge. Bereits oberhalb von Innsbruck entstand am Inn ein über hundertjährliches Hochwasser, das bis zur Landesgrenze und in Bayern bis zur Salzachmündung diese Dimension beibehielt. In Rosenheim befürchteten die Verantwortlichen kritische Ausuferungen und leiteten Evakuierungen auf der rechten Uferseite ein. Ein Deichbruch in Tirol führte dazu, dass der Scheitel in Rosenheim etwas gekappt wurde, wodurch die schlimmsten Befürchtungen nicht eintraten.

Schwere Schäden
in Wasserburg

Dennoch beschädigte der Fluss in Wasserburg die rote Brücke, und es kam zu Überflutungen in der Altstadt durch einen in Vergessenheit geratenen alten Kanal. Der 1988 fertiggestellte Hochwasserschutz zum Schutz der historischen Altstadt zahlte sich aus und verhinderte eine Flutung der gesamten Altstadt. Der Scheitelabfluss des Inns erreichte in Wasserburg am 23. auf den 24. August um Mitternacht die Marke von 2940 Kubikmetern pro Sekunde. Üblicherweise liegt der Abfluss hier im Sommer bei 488 Kubikmetern pro Sekunde. Infolge des Hochwassers am Inn musste die A93 ab Brannenburg in Richtung Tirol gesperrt werden. Es kam zu diversen Ufererosionen, wie beispielsweise bei Oberaudorf. Die Autobahnbrücke bei Kufstein wurde beschädigt. Auch weiter stromabwärts kam es zu Überschwemmungen, wie beispielsweise in Kraiburg, Gars und Mühldorf.

Die Mangfall stand bis
zum „Knie“ im Wasser

Nicht nur der Inn war betroffen: Auch die Mangfall stieg bedrohlich an. Zum Glück erfasste die Tiefdruckzone damals nur den oberen Bereich des Einzugsgebiets der Mangfall am Tegernsee und Schliersee. Andernfalls wäre es möglicherweise im unteren Mangfalltal zu schweren Überflutungen gekommen. Vor dem Mangfallknie trat ein über 50-jährliches Hochwasser auf, was sich stromabwärts zu einem 20- bis 50-jährlichen Ereignis abschwächte. Der Ausbau des modernen Hochwasserschutzes im unteren Mangfalltal steckte zu dieser Zeit in den Anfängen.

Die Hochwasserereignisse der vergangenen 30 Jahre haben den Fokus auf den Wasserbau noch verstärkt: Seitdem wurden durch das Wasserwirtschaftsamt Rosenheim, teils unter finanzieller Beteiligung der Kommunen, der EU, aber auch der Bundesrepublik, rund 316 Millionen Euro in den Ausbau und die Sanierung von Hochwasserschutzanlagen, in Gewässerrenaturierung sowie die Gewässerunterhaltung investiert, gleich ob an der Rottach im Tegernseer Tal oder am Inn in Wasserburg, Mühldorf und Kraiburg. Ein besonderer Fokus lag auf dem unteren Mangfalltal. Im Rahmen des Projekts „Hochwasserschutz Unteres Mangfalltal“ wurden bisher Maßnahmen im Umfang von 130 Millionen Euro umgesetzt – weitere 70 Millionen Euro sind noch vorgesehen.

Millionenausgaben
für die Ertüchtigung

Auch der Wasserkraftanlagenbetreiber am Inn (VERBUND) überprüft stetig die hydraulische Situation am Inn und den Zustand seiner Anlagen.

Der Verbund investierte seit 2009 über 25 Millionen Euro in die Ertüchtigung seiner Hochwasserschutzanlagen, gleich ob Dämme, Deiche, Uferschutz oder Hochwasserschutzmauern der Pumpwerke. Mauererhöhungen bei Hofleiten sind gut erkennbar. Aktuell laufen diverse Sanierungs- und Dammerhöhungsmaßnahmen wie beispielsweise am Inn im Bereich Thansau oder die künftigen Maßnahmen im Rückstaubereich der Rohrdorfer Achen.

Maßnahmen
laufen bis heute

Auf der gegenüberliegenden westlichen Innseite finden derzeit umfangreiche Renaturierungsmaßnahmen statt, sodass Fische zukünftig über einen 2,2 Kilometer langen Auwaldbach die Staustufe Rosenheim umwandern können.

Der Anlagenbestand wird laufend an neue Vorgaben, DIN-Normen und hydrologische Veränderungen aufgrund des Klimawandels angepasst und Krisenszenarien grenzübergreifend mit den Behörden geprobt, wie beispielsweise vergangenen Oktober mit dem Landratsamt Rosenheim, dem Wasserwirtschaftsamt und der Bezirkshauptmannschaft Kufstein.

Auch kleine Gewässer
geraten in den Blick

Doch nicht nur die großen Flüsse stehen im Fokus. Kleine kommunale Gewässer, wild abfließendes Wasser und Starkregen haben in den vergangenen Jahren wiederholt zu erheblichen Schäden geführt – oft fernab der großen Fließgewässer. Die Gemeinden der Region haben deshalb seit 2005 zusätzlich rund 56 Millionen Euro mit staatlicher Förderung in den Ausbau und die Pflege von Gewässern III. Ordnung investiert.

Trotz intensiver Arbeit im Hochwasserschutz können nicht alle Gefahren technisch beherrscht werden. Daher stehen auch die Bürger beziehungsweise jede Person oder Institution in der Verantwortung, mit den Risiken des Wassers umzugehen und sich zu informieren, was vor, während und nach dem Hochwasser zu tun ist: das richtige Verhalten im Hochwasserfall, die Überprüfung des Versicherungsschutzes, Objektschutzmaßnahmen am Gebäude und ganz besonders eine wassersensible Planung und Standortwahl bei neuen Gebäuden. Informationen zur Hochwasservorsorge sind im Internet unter www.hochwasserinfo.bayern.de zu finden.

Vorfreude auf einen
echten Meilenstein

Nächstes Jahr stehen im Bereich des Wasserwirtschaftsamts Rosenheim zwei weitere Jubiläen an: Das Inn-Museum in Rosenheim feiert sein 40-jähriges Bestehen, und die Pegel am Inn werden dann seit 200 Jahren systematisch erfasst – ein bedeutender Meilenstein für die Wasserwirtschaft und den Hochwasserschutz in Bayern.

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