Raubling – Kann man Humor lernen? Oder zumindest, wenn man ihn schon hat, weitergeben? Ja, sagte sich Angelika Moosreiner aus Raubling und bewarb sich für eine Schnupper-Ausbildung zur Klinik-Clownin. „Ich habe als Krankenschwester und Betroffene erfahren, wie einsam kranke, alte oder sterbende Menschen sein können, und mich – inspiriert durch die Klinik-Clowns – für die Ausbildung an einer Clown-Schule angemeldet.“
Eine offene und
empathische
Ausstrahlung
Mirjam Avellis mit ihrer Klinik-Clown-Schule in Sünching bei Regensburg war genau das Richtige für die offene und empathische Frau, die in einer Tierarztpraxis arbeitet. Und so drückte sie ein halbes Jahr lang einmal im Monat am Wochenende die Clown-Schulbank, zusammen mit einem Gerichtsvollzieher, einem Banker und vielen anderen Menschen, die einfach mehr Leichtigkeit in ihr Leben bringen wollten. Angelika Moosreiner sagt von sich, sie habe ein „megafettes“ Herz, übersetzt heißt das, viel Einfühlungsvermögen, und so wurde aus ihr innerhalb eines halben Jahres „Rosa Rumpel“, mit einem verrückten Tuch und einer Blume im Haar, einer roten Nase zum Aufstecken, roten Bäckchen und aufgemalten Augenbrauen. „Mehr braucht es nicht, um Humor-Arbeit zu leisten“, sagt die 59-Jährige. Natürlich habe sie ein paar bestimmte Outfits, die sie als Rosa Rumpel trage, aber sie sei schließlich kein Zirkusclown. Sie bezeichnet sich als „Kontakt-Clown“, der keine festgelegte Show abliefert, sondern Menschen, die viel allein sind, egal ob zu Hause, in einer Pflegeeinrichtung oder Klinik, Freude, Humor und emotionale Wärme schenkt. „Wichtig ist, dass wir respektvoll mit den Menschen umgehen, zu viel Klamauk ist hier nicht angebracht.“
Sie erzählt ein Beispiel von einem Jungen in einer Klinik, der kein Deutsch konnte. Auf der Station sagte man ihr und ihrer Partnerin – in der Regel tritt man als Duo auf –, dass es einen Teenager gebe, der Schmerzen habe und etwas durchhänge. „Es war ein Überraschungsbesuch, wir klopften an die Tür und fragten, ob wir hereinkommen dürften.“ Der Vater des Jungen war auch im Zimmer, der fragte, ob sie Englisch könnten. „Wir haben erst mal überall nach unserem Englisch gesucht, im Ohr, in den Hosentaschen, aber leider nicht viel gefunden“, so Angelika Moosreiner. Wo sie denn herkämen, fragten sie dann, aus Rumänien, meinten Vater und Sohn. Wie weit denn das weg wäre, wollten die Clowninnen wissen, sie holten ihren Zollstock aus dem Koffer heraus, um die Entfernung zu visualisieren. Bei über 1000 Kilometern Entfernung von der Heimat kamen die beiden Clowninnen mit ihren Zollstöcken nicht weit, aber irgendwann fingen sowohl der kranke Junge als auch sein Vater zu schmunzeln an. „Unser Spiel ist ganz situativ, in unserem großen Leder-Koffer haben wir geheime Utensilien, die wir bei Bedarf auspacken.“ Ein paar verrät Angelika Moosreiner doch, der Zollstock und die Seifenblasen. Man brauche nicht immer eine Requisite, aber bei Bedarf habe sie ihre Freundin, die Schnatterliese, dabei, eine recht geschwätzige Handpuppe, ein undefinierbares gelbes Wesen, die auch als ihre Partnerin fungiert, wenn sie allein ist.
„Humor hilft heilen“ heißt die Stiftung des Arztes Eckart von Hirschhausen. „Humor kann man nicht als Pille einnehmen – sondern nur eine humorvolle Haltung. Und dazu braucht es Menschen, die das Lachen dorthin bringen, wo es manchmal wenig zu lachen gibt.“ So lautet die Botschaft auf seiner Homepage, die Angelika Moosreiner mit ganzem Herzen bejaht. „Clowns in Medizin und Pflege bringen mit ihrer Kunst Fröhlichkeit und Leichtigkeit in ein Umfeld, in dem oft Sorgen, Ängste und Eintönigkeit den Tag bestimmen“, lautet die Botschaft der Klinik-Clowns Bayern, die Clownsbesuche in Krankenhäusern, Seniorenheimen und therapeutischen Einrichtungen organisieren. Und der Leitspruch, den die Klinik-Clownin Rosa Rumpel aus ihrer Ausbildung bei Mirjam Avellis mitgenommen hat, ist: Wir dürfen die Menschen in den Arm nehmen, nicht auf den Arm. Die Sichtweise auf die leichten Dinge des Lebens lenken, weg von Krankheit, Schmerzen und Tod.
Ein paar Absolventen ihres Clown-Kurses haben dafür schon einen konkreten Plan ausgeheckt. Sie wollen einen Verein gründen, „Kontakt-Clowns auf Rädern“, auch einen Namen gibt es schon: „Farbenfroh“ soll er heißen. „Aber wir sind noch in der Planungsphase“, sagt Angelika Moosreiner alias „Rosa Rumpel“. Sie komme auch nach Hause zu Menschen, die einsam sind und etwas Kontakt benötigen. So wie zu einer 92-jährigen Dame in Neubeuern, die aufgrund ihrer Gehbehinderung nicht mehr aus dem Haus kommt. Sie sitzt in ihrem blauen Sessel mit Aufstehhilfe, der von Rosa Rumpel gebührend bewundert wird. „So ein toller Sessel, da haben Sie es aber sehr gemütlich.“
Um den Hals von Rosa Rumpel hängt ein Maßband, ein wichtiges Utensil aus ihrem Koffer, das sie oft im Einsatz hat. „Zum Messen gibt es immer irgendwas.“ Sie fängt eine Unterhaltung an und fragt, was sie denn so mache den ganzen Tag. Gleich fällt ihr die Rampe auf, auf der die Seniorin mit dem Rollator auf einen Balkon hinausgehen kann. „Oh, Sie haben es aber sehr schön hier.“ Es ist eine sanfte Herz-zu-Herz-Begegnung, irgendwann fängt die alte Dame doch zu lachen an. Rosa Rumpel bläst einen Herz-Luftballon auf und schenkt ihn ihr sowie einen Glück-Gutschein, besser gesagt eine Glück-Fahrkarte, die an einen Fahrschein für eine Karussell-Fahrt erinnert.
Nicht umsonst hat Elisabeth Makepeace-Vondrak, die Gründerin und Vorsitzende von Klinik-Clowns Bayern und Vorsitzende des Dachverbands Clowns in Medizin und Pflege Deutschland erst kürzlich in der Münchner Residenz von Ministerpräsident Dr. Markus Söder den Bayerischen Verdienstorden erhalten. „Als Vorstandsvorsitzende des bundesweiten Dachverbands setzt sie sich für Qualität, Vernetzung und Sichtbarkeit dieser besonderen Arbeit ein. Elisabeth Makepeace-Vondrak hat mit ihrer Vision und Tatkraft ein einzigartiges Projekt geschaffen, das die Kraft des Humors in schwierigen Lebenslagen erfahrbar macht“, so die Laudatio.
Ein Anfang ist
gemacht – Vorfreude
auf noch viel mehr
Angelika Moosreiner steht erst am Anfang ihrer Arbeit als Clownin, sieht aber voller Zuversicht und Tatendrang in die Zukunft. Denn, wie es Mirjam Avellis in der Clown-Schule ausdrückte: „In jedem von Euch steckt ein Clown, wenn Ihr spielt, strahlt Ihr Hoffnung aus.“ Mit ihren Besuchen bei alten Menschen, kranken Kindern oder Sterbenden auf einer Palliativ-Station will Angelika Moosreiner als Rosa Rumpel ein bisschen Freude in das Leben dieser Menschen bringen – und auch in das der Angehörigen. Bei der alten Dame in Neubeuern und dem Teenager aus Rumänien hat sie es geschafft. Und ein bisschen Glück hinterlassen, von dem beide eine Weile zehren können.