Bad Aibling – Seit mehr als drei Jahren kämpft der kleine Maxi Schmidt (7) aus Bad Aibling gegen eine schwere Krebserkrankung an. Ein Kampf, der den Alltag der gesamten Familie von einem Tag auf den anderen auf den Kopf stellte und einem ständigen Wechselbad der Gefühle gleicht. Derzeit macht sich bei dem Buben, seinen Eltern Florian (40) und Maria (38) Schmidt sowie den Brüdern Moritz (5) und Ludwig (3) wieder ein klein wenig Hoffnung breit.
Grund hierfür ist die Tatsache, dass Maxi vor wenigen Wochen in der Uniklinik Tübingen von seiner Mutter gespendete Stammzellen übertragen wurden und der Eingriff erfolgreich verlaufen ist. „Es gibt erste positive Anzeichen, dass die Behandlung anschlägt. Unser Sohn ist aber noch lange nicht über den Berg“, dämpft Maria Schmidt zu hohe Erwartungen.
Maxis Leidensweg begann mit einer Schockdiagnose im April 2022: Neuroblastom in der linken Nebenniere, Metastasen im ganzen Körper. Der Bub war plötzlich ein „Hochrisikopatient“. Der operativen Entfernung des Nierentumors schlossen sich neben zahlreichen belastenden Untersuchungen Chemotherapien, Bestrahlungen, eine Übertragung von eigenen Stammzellen mit vorhergehender Knochenmark-Entnahme und eine mehrmonatige Immuntherapie an.
Im Herbst 2023
gilt Maxi zunächst
als „krebsfrei“
Im Herbst 2023 dann die erlösende Nachricht: Der Patient galt als „krebsfrei“. Es folgte ein Jahr, „in dem Maxi einfach Kind sein durfte“, wie es seine Mutter formuliert. Dann der nächste Schock im Oktober 2024: Die Geißel der Menschheit war zurück, Maxi hatte einen Gehirntumor. In einer rund sechsstündigen Operation entfernte ein 20-köpfiges Spezialistenteam im Klinikum München-Großhadern die Geschwulst zu 95 Prozent. Die Mediziner hoffen jetzt, den Rest der entarteten Zellen in seinem Körper mit einer bereits erfolgten Strahlentherapie in Heidelberg, erneuten Chemo-Blöcken, der Stammzellen-Übertragung und einer zweiten Immuntherapie unschädlich machen zu können.
„Maxi ist ein großer Kämpfer. Es ist erstaunlich, wie er das alles weggesteckt hat, obwohl er wirklich eine sehr schwere Zeit hinter sich hat und es ihm an manchen Tagen richtig schlecht ging“, ist Vater Florian Schmidt stolz auf seinen Sohn. „Normalerweise liegen Kinder nach einer Stammzellen-Transplantation mindestens sechs Wochen in der Klinik. Maxi durfte nach gut vier Wochen genau an seinem siebten Geburtstag nach Hause“, berichtet der Papa.
„Es war ein Freudentag, obwohl der Behandlungsmarathon noch etliche Monate weitergeht“, ergänzt Maria Schmidt. Mittlerweile besitzt Maxi zwei Ketten mit sogenannten Mutperlen. Auf der Onkologie in der Haunerschen Kinderklinik in München, wo er ebenfalls behandelt wurde, und in Tübingen erhalten die kleinen Krebspatienten für jeden belastenden Eingriff, den sie erfolgreich überstanden haben, eine solche bunte Perle. „Maxis Ketten sind inzwischen mehrere Meter lang“, sagt der Vater. Symbole eines Martyriums, das die Lebensfreude des Buben aber nicht brechen konnte.
„Mama, ich muss nicht sterben. Der Krebs muss sterben“, sagte er einmal zu Maria Schmidt. Sein Kämpferherz verlor er auch nicht, als die Ärzte in Tübingen bei einer Magnetresonanztomographie (MRT) kurz vor der anstehenden Transplantation einen sogenannten „Rundherd“ auf seiner Lunge entdeckten und die Befürchtung im Raum stand, dass sich in diesem Organ neue Metastasen gebildet haben könnten. Die Absage der Transplantation drohte, letztlich blieb es bei einer kurzen Verschiebung des Termins.
„Wir lebten eine Woche im Ungewissen, ehe die Untersuchungsergebnisse ausgewertet waren. Es war schrecklich“, erinnert sich Maria Schmidt. Dann die positive Wende, die den Eltern neue Kraft gab. „Der Schatten auf der Lunge war verschwunden. Es war fast wie ein kleines Wunder. Gleich am nächsten Tag konnten Maxi meine Stammzellen übertragen werden“, berichtet die Mama.
Während der Klinikaufenthalte ihres ältesten Sohnes ist die gesamte Familie in einer sogenannten Elternwohnung vor Ort untergebracht. „Wir sind dankbar, diese Möglichkeit zu haben. Anders ginge es nicht“, sagt Florian Schmidt, der mittlerweile ein zweites Mal während der langen Krankheitsphasen des Siebenjährigen vorübergehend seine Arbeitsstelle aufgegeben hat, um seine Frau bei der Versorgung von Maxi und der Betreuung der beiden anderen Söhne optimal unterstützen zu können. „Dieser Schritt fiel mir schwer, war aber notwendig. Wir versuchen halt, dass die Interessen seiner Brüder aufgrund von Maxis Erkrankung nicht ganz unter den Tisch fallen. Irgendwie müssen wir funktionieren“, bringt der 40-Jährige ein gewichtiges Alltagsproblem im Familienleben auf einen kurzen Nenner.
Dankbar sind er und seine Frau dafür, dass ihnen Eltern und Schwiegereltern auch in dieser schwierigen Zeit immer wieder unter die Arme greifen, so gut es geht. Für Maxi war die Stammzellen-Übertragung mit einer absoluten Isolation in seinem Klinikzimmer und sehr strengen Hygienevorschriften verbunden. „Sein eigenes Immunsystem musste zuvor völlig heruntergefahren werden. Der kleinste Keim hätte zur Katastrophe werden können“, sagt Maria Schmidt.
Etwa 20 Tage war sie „praktisch rund um die Uhr“ gefordert, um ihrem Sohn beizustehen. Unter anderem mussten jeden Tag Maxis Kleidung und seine Bettwäsche gewechselt und gewaschen werden. Wegen der Nebenwirkungen der Therapie war nach jedem Waschen des Kindes auch eine besonders intensive Hautpflege erforderlich. „Ständiges Eincremen gehörte zum Tagesablauf. Selbst wenn es regnete, benötigte der Bub eine Creme, die mindestens Lichtschutzfaktor 50 aufwies“, sagt die Mutter.
„Irgendwie war das alles wie eine zweite Geburt“, beschreibt Florian Schmidt die Situation und ist voller Anerkennung für die „großartige Leistung, die meine Frau nicht nur während dieser Zeit für die Familie erbracht hat“. In den nächsten Monaten werden sich laut Therapieplan Klinikaufenthalte mit ambulanten Kontrollen in Tübingen abwechseln. „Das wird ein ständiges Pendeln zwischen dem Schwabenland und Bad Aibling“, sagt der Vater.
Dass sich die für den Therapieerfolg wichtige Anzahl der Leukozyten, also die weißen Blutkörperchen, positiv entwickelt und das Kind mittlerweile auch eine schwere und äußerst schmerzhafte Mukositis überstanden hat, stimmt seine Eltern positiv. Dabei handelt es sich um eine Schleimhautentzündung im Mund- und Rachenraum, die oft auch den Verdauungstrakt befällt. Die Krankheit ist eine häufige Nebenwirkung von Chemo- und Strahlentherapie. „Obwohl Maxi Morphine benötigte, um die Schmerzen ertragen zu können, hat er auch in dieser schwierigen Phase, in der das Schlucken fast unmöglich ist, täglich wenigstens eine Kleinigkeit gegessen. Das war eine große Energieleistung und sehr wichtig, um einer Magen- und Darmträgheit vorzubeugen“, erläutert der Vater.
Seine kulinarischen Vorlieben – Weißwürste, Leberkäs und eine frische Semmel, die mit Gelbwurst und einer Essiggurke belegt ist – hat der Bub mittlerweile wiederentdeckt.
Es war nicht nur für ihn deshalb eine große Freude, als ihn seine Eltern an seinem siebten Geburtstag zu Hause mit einem Teller überraschten, auf dem eine solche Gelbwurst-Semmel lag, die eine Sieben schmückte.
Von einer aktuellen Vorfreude, die das Kind derzeit täglich erkennen lässt, zehrt die ganze Familie. Maxi kann es kaum erwarten, bis er im September eingeschult wird. Den Schulranzen hat er schon seit Januar. Da spielt es keine Rolle, dass Präsenzunterricht für ihn so schnell nicht möglich sein wird. „Ich kann schon ein bisserl lesen und rechnen“, sagt Maxi voller Stolz. „Zwei und zwei ist vier, drei und drei ist sechs“, sprudelt es aus ihm unaufgefordert nur so heraus.
Unbändige
Vorfreude auf
die Einschulung
Und da ist es wieder, dieses fröhliche Lächeln, das ihm die Krankheit nicht rauben konnte. Es verschwindet nur für einen kurzen Moment, als er beim Addieren von fünf und fünf stockt. „Wie viele Finger hast du?“, baut seine Mutter ihm eine goldene Brücke. „Zehn“, sagt er wie aus der Pistole geschossen. Maxi strahlt ob der richtigen Antwort sofort wieder über das ganze Gesicht – so, als hätte der Krebs in seinem noch jungen Leben nie eine Rolle gespielt.